Trotz der unergiebigen Gespräche in Berlin setzt Stalin weiterhin auf einen Ausgleich mit Deutschland . Wie wichtig ihm die friedliche Beziehung zu Deutschland war , zeigte er damit daß er seinen Vize - Außenkommissar ( Dekanossow )
als Botschafter nach Berlin schickte und neue Verhandlungen über wirtschaftliche Abkommen führte . Der Höhepunkt dieses einseitigen Verständigungskurses war das Memorandum der SU an Hitler vom 25.11.40 , in dem Stalin die abgemilderten Bedingungen für einen Beitritt zum Viermächtepakt nennt :
1. Rückzug der deutschen Truppen aus Finnland , geknüpft an das Versprechen der SU , Finnland nicht erneut anzugreifen .
2. Zustimmung zur Entsendung sowjetischer Truppen nach Bulgarien
3. Einrichtung militärischer Stützpunkte am Bosporus
4. Die SU sollte das Gebiet von Baku und Batum in Richtung des Persischen Golfes erhalten .
Der Punkt 4 des Memorandums war ein kaum verhülltes Angebot an D für ein gemeinsames Bündnis , da sich die SU mit einem Vorstoß zum persischen Golf unweigerlich die Feindschaft der U.S.A. und England zugezogen hätte , deren Wirtschaft vom persischen Öl abhängig war .
Göring sah in diesen Angebot die Chance , die SU in einen direkten Konflikt mit England bringen zu können , indem man dessen Vorstoß in Richtung Finnland und Dardanellen ( Inseln vor dem Bosporus ) duldete . England hätte auf einen sowjetischen Versuch , den seit Jahrhunderten angestrebten Zugang zu den Meeren zu erlangen , unbedingt reagieren müssen um die eigene Seeherrschaft für die Zukunft zu behaupten .Hitler ignorierte jedoch die Möglichkeit eines deutsch russischen Zusammengehens und antwortete gar nicht erst auf das Memorandum .
Diese Reaktion Hitlers zeigte nur zu deutlich , daß der Angriff auf die SU für ihn beschlossene Sache war . Doch diese beleidigende Reaktion bzw. Nichtreaktion Hitlers hätte Stalin eigentlich aufschrecken müssen , aber die Verbissenheit in seine außenpolitische Konzeption ( "als lachender Dritter" in den Krieg eingreifen , nachdem Wirtschaft und Militär wiederaufgebaut sind ) , die darauf basierte , die SU zunächst unbedingt aus dem Krieg herauszuhalten , machte ihn blind gegenüber deutlichen Hinweisen und Gerüchten über einen deutschen Angriff . Für das Festhalten an seinem Kalkül war Stalin bereit , weitgehende Konzessionen gegenüber den Deutschen zu machen , wie die Reaktion der SU auf die im April 1941 beginnenden Streitigkeiten mit Deutschland um den Balkan zeigt .
Auslöser für den Konflikt , dessen Keim bereits im Punkt 3 des geheimen Zusatzprotokolles des Hitler Stalin Paktes verankert (siehe 2.1 ) war , war der fehlgeschlagene italienische Angriff auf Griechenland und Albanien , der Deutschland zu militärischen Eingreifen zwang:
Am 1.März.1941 beginnt der deutsche Einmarsch in Bulgarien , das die SU als Teil seiner "Sicherheitszone" ansieht .
5.April.1941 Beginn des deutschen Angriffs auf Jugoslawien als Reaktion auf die Unterzeichnung eines sowjetisch jugoslawischen Neutralitäts- und Freundschaftsvertrag .
Bereits am 12.April siegte die Wehrmacht über Jugoslawien , wenige Tage später fällt auch Griechenland .
Stalin , der die Wehrmacht erneut unterschätzt hatte , war von dem Blitzsieg der Deutschen auf dem Balkan schockiert und reagierte mit einer Beschwichtigungspolitik ( Ausweisung der norwegischen , belgischen und griechischen Exilregierungen ; Widerrufung des Vertrages mit Jugoslawien ; Anerkennung , der mit deutscher Hilfe an die Macht gekommenen Putschregierung im Irak und Entsendung eines Botschafters zur französischen Kolaborationsregierung in Vichy ) . Der Abschluß eines sowjetisch - japanischen Neutralitätsvertrages stärkte hingegen die strategische Lage Rußlands , das von nun an keinen japanischen Einfall in Sibirien fürchten mußte .
Stalin hatte die sowjetischen Interessen auf dem Balkan aufgegeben , um die für seine außenpolitische Planung unbedingte Notwendigkeit , die SU für die kommenden Jahre aus einem Krieg herauszuhalten , zu erfüllen .
Daß die sowjetische Führung , die Gerüchte und Hinweise auf einen baldigen deutschen Angriff ignorierte bzw. als Desinformation Englands bzw. Deutschlands auslegte , falls sie sie überhaupt wahrnahm , hat mehrere Gründe :
1. Für Stalin war sein außenpolitisches Kalkül zum Dogma geworden , er paßte das auf Jahre ausgelegte Programm nicht den aktuellen Gegebenheiten an , sondern hielt unbedingt daran fest .
2. Stalins heftige Reaktionen , auf ihm überbrachte , negative Informationen , hatte zur Folge , daß seine Mitarbeiter die Information filterten bzw. beschönigten , Stalin war somit falsch und unvollständig informiert . Dadurch hatte Stalin gar nicht die Voraussetzungen , die außenpolitische Lage richtig einzuschätzen .
3. Stalin dachte noch immer in ideologischen Dimensionen : Er fürchtete eher einen Angriff Englands bzw. ein deutsch - britisches Bündnis als einen deutschen Überfall , da er fest daran glaubte , daß Hitler aus dem Fehler der deutschen Heeresleitung im 1. Weltkrieg gelernt hatte und keinen Zweifrontenkrieg riskieren würde , obwohl ihm Hitlers Ziel der "Lebensraumgewinnung im Osten" bekannt war . Diese Annahme war für Stalin und seine Untergebenen Fakt , wie folgender Ausspruch des sowjetischen Innenministers beweist :
" Für uns alle ist es ein Gesetz , daß es 1941 keinen Krieg geben wird".
4. Die Desinformation der sowjetischen Führung wurde durch die deutschen
Verschleierungstaktiken noch erhöht ( s. 2.5 ) .
Bezeichnend für die starre Haltung des Kremls , alle Kriegsgerüchte als Desinformationen zu werten , die Rußland zu unbedachten Schritten verleiten sollten , war die Reaktion des stellvertretenden sowjetischen Außenministers Dekanossows als auch Stalins auf die Eigeninitative des deutschen Botschafters Schulenburg . Dieser versuchte Stalin durch konkrete Hinweise zu Verhandlungen mit Hitler zu veranlassen und so einen Krieg zu vermeiden . Bei diesem Landesverrat ging Schulenburg im Gespräch mit Dekanossow sogar soweit , daß er den drohenden Krieg fast direkt ankündigte : " Man muß mit den ( Kriegs- ) gerüchten wie mit einer Tatsache umgehen " . Dekanossow glaubte nicht an die Aufrichtigkeit der Initiative Schulenburgs , da er sich nicht vorstellen konnte , daß dieser sein Leben für die Erhaltung des Friedens riskiere , Statt dessen glaubte er , daß Schulenburg im Auftrag Hitlers handele , um Stalin zu verunsichern .
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