Dieser Begriff hat durch seine \"realexistierende\" Variante einen Stempel aufgedrckt bekommen. Eine Rehabilitierung erscheint heute schwer vorstellbar. Heute wirkt die Vor¬stellung des Sozialismus auf uns als einem Ergebnis wissenschaftlich beschreibarer histori¬scher Ablufe naiv - und fatal, da diese Anschauung ermglicht, Menschen fr ein \"objek¬tives\" hheres Ziel zu instrumentalisieren. Hier greifen auch Holmes Bedenken gegen¬ber teleologischen Gesellschaften, die das Ziel der Gruppe ber die Freiheiten des ein¬zelnen stellt. Da in dieser Spielart des Sozialismus das gesellschaftliche Ziel quasi vorher¬bestimmt ist, kann man hier eindeutig sagen, da er sich in keiner Weise mit dem Libera¬lismus vertrgt, ist doch das Ziel hier gerade offen und fhrt der Weg zur Lsung von Problemen idealerweise ber ffentliche Debatten.
Es stellt sich die Frage, wie sehr eine Zuordnug von Dogmatismus und Radikaltitt zum Sozialismus - auch als Abgrenzung zum Wort \"sozialdemokratisch\" - sinnvoll ist. Sollte er auf die revolutionre Vorstellung begrenzt werden und sollte die geschichtlich weniger folgenschwere libertre Einstellung zugunsten totalitrer Elemente wie Staatsplanung und -lenkung hinten angestellt werden? Alle diese Fragen betreffen den Weg zum Ziel, nicht das Ziel selbst. Wir mssen daher beachten, da bei allen bestehenden sehr unterschiedli¬chen praktischen Umsetzungsoptionen die Ideen des Sozialismus nicht aus dem Auge ver¬loren werden.
So gibt denn auch eine andere Form des Sozialismus, die in der Vorstellung seiner Umsetzung sehr viel mehr mit dem Liberalismus gemeinsam hat, ein differenzierteres Bild wieder. Diese Form rechtfertigt sich nicht (mehr) an hand einer wissenschaftlichen Herlei¬tung, sondern zieht - in der Nachfolge Kants - eine ethische Begrndung heran. Dieser sogenannte \"Ethische Sozialismus\" soll auf dem \"Bewutsein von der gleichen und ge¬meinsamen Wrde aller Menschen\" basieren.(Lange; zitiert nach Klein, 1986, S.161; zur Aufwertung des Menschen als Selbstzweck siehe auch Anmerkung 17) Dieses Prinzip ist deckungsgleich mit liberalen ethischen Aussagen.
Versteht man wie Bernstein das Ziel des Sozialismus in der schrittweisen Heraus¬bildung grtmglicher individueller Freiheit mittels umfassender Demokratisierung, so wird deutlich, da hier klassische liberale Gedanken (Pluralismus, Meinungsstreit, recht¬liche Gleichbehandlung; Freiheit des Einzelnen; Skepsis gegenber Privilegien etc.) be¬quem Platz finden, ohne Widersprche zu produzieren. Sie knnen gar in dieser sozialisti¬schen Variante zu einem Mastab der Bewertung gesellschaftlicher und staatlicher Ord¬nung werden: Lt der Ist-Zustand Meinungsfreiheit und persnliche Autonomie zu?
Man warf dem Liberalismus jener Zeit jedoch bereits vor, die Gltigkeit liberaler Prin¬zipien auf einen bestimmten privilegierten Teil der Gesellschaft zu beschrnken.(Vgl. ebd.) Schumacher bringt aber die Arbeiterfrage wieder mit den Ideen des Liberalismus in Verbindung, wenn er sagt: \"In den menschlichen Rechten der Freiheit, der Gleichheit, der Brderlichkeit, der Menschlichkeit sind auch alle Klassenrechte und Klassenforderungen der Arbeiterschaft enthalten.\"(Nach ebd.) Und wenn noch im Godesberger Programm explizit festgehalten wird, da der demokratische Sozialismus keine letzten Wahrheiten verknden will, so veranschaulicht das, da ein solches Verstndnis von Sozialismus wesentliche Ele¬mente des Liberalismus in sich trgt; teilweise sogar fr sich proklamieren kann, aufgrund der Reduktion der Liberalen auf die Interessen des Brgertums die wirklichen Trger libe¬ralen Gedankengutes zu sein. So verstanden ja auch die Fabianer ihre Vision einer Gesell¬schaftsordnung als logische Konsequenz liberaler Grundpositionen.(S.o.)
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