Der Sieg bei Actium löste beim Volk neue Hoffnungen aus: Endlich schien Friede in Reichweite zu sein. Man war kriegsmüde. Der Gegensatz von Octavian zu Antonius, der sich in den vergangen Jahren aufgebaut hatte, liessen die Differenzen innerhalb der Parteien zurücktreten. Octavian war für Italien die Identifikationsfigur geworden, deren Gegenstück im Osten, Antonius war besiegt. Octavian war der einzig verbliebene wirklich starke Mann. Unter seiner Führung, so hoffte man, würde nun endlich eine friedliche, stabile Zeit anbrechen. Octavians Siege erinnerten an die glorreichen Jahre, als Rom noch siegte.
Einigen war freilich nicht entgangen, dass bei Actium Bürgerblut geflossen war. Die Bürgerkriegsjahre hatten dem Selbsbewusstsein Roms geschadet. Für Horaz z.B. ist die Not der Bürgerkriege eine göttliche Strafe. Das Bewusstsein einer Schuld, ja geradezu einer Erbschuld seit dem Brudermord von Romulus an Remus, wie es bedrückend von Horaz empfunden wird, deutet auf ein tiefes Trauma seiner Generation. Die Bürgerkriege wurden alls Bruderkämpfe erlebt, als Tabuverletzung.
Für Roms Suche nach Selbstbewusstsein, für dessen Orientierungslosigkeit und Identifikationsschwierigkeiten war Octavian eine Schlüsselfigur geworden. Bei Actium hatte er seine Virtus bewiesen, jetzt betonte er seine Pietas, indem er eine reiche Bautätigkeit entfaltete und die Tempel Roms erneuerte. Dagegen verzichtete er auf ein prunkvolles Eigenheim und lebte währen 40 Jahren in einem vergleichsweise einfachen Haus. Eine allgemeine Erneuerung der Staatsreligion setzte ein, alte Kulte wurden wiederhergestellt. Octavians Weg war klar jener der inneren Erneuerung. Cäsars Art, über das Volk hinweg zu entscheiden und das Reich mit einem straffen Beamtenapparat effizient zu lenken, war nicht Augustus\' Weg. Indem er den Rückhalt in der Bevölkerung suchte, gewann Augustus ausserordentlich an Macht. Je länger je mehr war er der einzige Garant für ein stabiles Rom, und diese Tatsache machte er sich geschickt zur Machtbereicherung zunutze.
Octavian Macht war aber nie eine absolute. Zeitlebens hat er den Anspruch in sich behalten, die res publica wiederherzustellen. Die unter ihm entstandene Herrschaftsform, das Prinzipat, leitet seinen Namen von Princeps ab. Er selbst nannte sich "princeps senatus". Damit waren aber keine politischen Vorrechte verbunden. Was er den seinen Amtskollegen voraus hatte, war "auctoritas", Autorität, Ansehen, und nicht "potestas", wie Cäsar sie hatte. Damit sicherte er sich den Rückhalt im Senat und im Volk. Gleichzeitig vereinigte er immer mehr Vollmachten und Ämter bei sich. Man könnte ihn als einen übergewichtigen Beamten sehen. Die einzige Schranke vor einer Willkürherrschaft erhob sich vor ihm sein eigener Anspruch, die res publica wiederherzustellen.
|