Noch in der Zwischenkriegszeit besassen die meisten europäischen Staaten zahlreiche Kolonien rund um den Erdball. Dreissig Jahre später waren die Kolonialreiche bis auf einige wenige verschwunden. Aus den Kolonien wuchsen selbständige Länder mit eigenen Regierungen und Gesetzen. Dieser Vorgang wird Entkolonisierung oder Dekolonisation genannt.
2.1 Gründe
Die Ursachen die zur Dekolonisation führten, sind recht vielfältig. Ein wichtiger Grund war sicher, dass sich die USA und die UdSSR (!) heftig gegen die Kolonien wehrten. Weitere Gründe waren die politische und die wirtschaftliche Situation der Mutterländer. Durch den zweiten Weltkrieg wurden die Kolonialmächte derart geschwächt, dass sie kaum mehr in der Lage waren, Aufstände niederzudrücken. Zudem fehlte es an allen Ecken und Enden an Geld. Unter der sich lösenden Geissel der Mutterländer bildeten sich zum Teil militante Guerillabewegungen. Diese wurden nicht selten von China und der UdSSR mit Waffen und Ausrüstung unterstützt.
2.2 Die Wellen der Dekolonialisierung
In vielen Ländern gab es zunächst heftige bewaffnete Kämpfe zwischen der Kolonialmacht und den Unabhängigkeitsbewegungen. Dies galt vor allem für Länder, wo eine kommunistische Machtübernahme drohte. In einigen Kolonien bekämpften sich die einheimischen Religionsgruppen oder einheimischen Stämme gegenseitig. Der Kampf in die Unabhängigkeit wurde dort vom Bürgerkrieg begleitet.
Schliesslich gewannen immer mehr Länder die Freiheit. Die Auflösung der Kolonien vollzog sich in zeitlichen Wellen:
Kanada, Australien, Neuseeland und Südafrika erlangten die Freiheit bereits vor dem Zweiten Weltkrieg. Die vielen europäischen Auswanderer hatten diese Länder schon ziemlich früh fast selbständig verwaltet. Nach der Auflösung blieb die Beziehung zu Grossbritannien dennoch sehr eng; alle Staaten bildeten unter dem britischen König ein "Commonwealth" ("gemeinsames Wohl"):
Die meisten asiatischen und nordafrikanischen Kolonien wurden zwischen 1947 und 1956 selbständig. Den Grundstein dazu legten die bereits lange vor dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Unabhängigkeitsbewegungen.
Die meisten Reiche in Schwarzafrika erlangten die Unabhängigkeit zwischen 1957 und 1968. Hier entstanden die Unabhängigkeitsbewegungen nach dem Vorbild Südafrikas erst nach dem Zweiten Weltkrieg.
Portugal verteidigte seine Kolonien hartnäckig. Erst nach einer blutigen inneren Revolution gab es 1974/75 seine Kolonien auf. Zur gleichen Zeit gewannen auch zahlreiche Inselgruppen im Pazifik und im karibischen Meer die Unabhängigkeit.
Die russischen Kolonien in Asien wurden bereits nach dem Ersten Weltkrieg als Teilrepubliken der Sowjetunion angegliedert.
Die einzelnen Länder wählten nun eine eigene Regierung und beriefen eine eigene Armee ein. Viele traten auch den Vereinten Nationen (UNO) bei. Die Bevölkerung war begeistert. Allerdings hatten die Kämpfe Spuren hinterlassen und der erhoffte rasche wirtschaftliche Aufstieg und die Lösung vieler Probleme blieb aus. In einigen Ländern schien die Unabhängigkeit sogar eher den Abstieg als den Aufstieg zu bedeuten.
Immer häufiger nannte man die ehemaligen Kolonien "unterentwickelte Länder" oder eben "Entwicklungsländer". Die wirtschaftliche und damit auch die politischen Situation wurde zu einem weltweiten Problem.
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