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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

C 11 - 12: gallisches parteiwesen und ordnendes eingreifen caesars;



diese Kapitel zeigen die negativen Folgen gallischen Partei¬wesens und die Segnungen römischer Herrschaft, wie sie Caesar den Kelten vermittelt hatte. Caesar schildert die umfassende politi¬sche Spaltung eines Volkes in Parteien, und zwar auf zwei Ebenen:
von der untersten Einheit der Familie bis zum Stamm und in Gallien insgesamt, das geprägt ist von einem Parteiendualismus. Als Ver¬treter der factiones erscheinen die principes (vgl. z.B. Orgeto¬rix, Dumnorix). Diese principes heben sich als potentiores aus der plebs - ein typisch römischer Begriff - durch ihre auctoritas her¬vor. Sie werden in den vorhergehenden Büchern dargestellt als Volksführer mit eigenen Zielen. Caesar beschreibt ein dem römi¬schen Klientelwesen eng angelehntes soziales System;

In c.12 legt Caesar dar, wie sich dieser allgemeine Sachverhalt auf die konkrete politische Situation bei seiner Ankunft in Galli¬en auswirkte. Haeduer und Sequaner werden als Häupter zweier Par¬teien vorgestellt, die ganz offensichtlich eine innergallische Führung anstreben; in Umkehrung der alten Machtverhältnisse ge¬lingt dies den Sequanern mit Hilfe der Germanen Ariovists. Im Ver¬gleich zu I 31 fällt auf, dass die Rollen von Sequanern und Germa¬nen vertauscht sind: Erscheinen in I 31 vor allem die Germanen als Unterdrücker, die auch die verbündeten Sequaner unter ihre Macht zwangen, so ist in VI 12 der germanische Einfluss deutlich abge¬schwächt. Der gewaltsame Aufstieg der Sequaner, durch den die Hä¬duer größten Schaden erlitten, führte zur necessitas der Häduer, bei der aber der römische Senat nicht half - eine deutliche Kri¬tik. Es ist Gewaltherrschaft, die fremdes Land besetzt und zumin¬dest über die Häduer Knechtschaft gebracht hat. Die Sequaner wer¬den als Gewaltherrscher vorgeführt, die sich Land der Häduer an¬eignen, sie versklaven und zusätzlich zur Oberherrschaft die Kli¬entel der Häduer übernehmen. Durch die vereinfachende Zuspitzung des Konflikts auf nur zwei keltische Stämme interpretiert Caesar die Auseinandersetzung dieser Jahre als vorwiegend innergallische Streitigkeiten. Er bietet so nicht nur ein anschauliches Beispiel keltischen Parteiwesens, sondern liefert auch einen Beleg für po¬litische Knechtschaft unter den Galliern selbst. Das aus Parteiung entstehende Streben der einen nach Herrschaft bedeutet Unterdrückung für die anderen und ständigen Unfrieden im Volk. Wirkungsvoll unaufdringlich führt sich nun Caesar ins Geschehen ein, vor allem angesichts zahlreicher Kämpfe, die die Sequaner und die Germanen zu ihrem Sieg benötigen. Dagegen kommt römisches Eingreifen offen¬bar ohne Gewalt aus, denn das knappe adventu Caesaris facta commu¬tatione rerum übergeht den Ariovistkrieg. Caesar handelt von sich aus - anders als der untätige Senat. Wie rasch und scheinbar ge¬waltlos die römische Ordnungsmacht die früheren Zustände zugunsten der Häduer wiederherstellt, berichtet Caesar in der Kürze des Kom¬mentarienstils: obsidibus Haeduis redditis, veteribus dientelis restitutis, novis per Caesarem comparatis.. reliquis rebus eorum gratia dignitateque amplificata - die Häduer hatten ihre Geiseln zurückerhalten, die alten Schutzverwandtschaften hatte Caesar wie¬derhergestellt und neue gebildet; auch sonst hatte er ihren Einfluss zu stärken und ihre Stellung zu heben gewusst; die Berechti¬gung dieser Eingriffe erweist er durch den eingeschobenen Kausalsatz "weil diejenigen Stämme, die sich an die Häduer freundschaftlich angeschlossen hatte, unter besseren Verhältnissen und unter einem gerechteren Regiment lebten, wie sie merkten." Bessere Ver¬hältnisse und gerechtere Herrschaft legitimieren die Präsenz rö¬mischer Macht in Gallien; alte Feinde der Häduer traten freiwillig in ein Klientelverhältnis zu den belgischen Remern, die ebenso in Caesars Gunst standen und nach dem Vorbild der Häduer ebenfalls Schutzherrschaft im römischen Auftrag üben sollten. Der Erfolg rechtfertigt auch diese Maßnahmen: ,,Diese betreuten sie gewissen¬haft und wussten so ihren jungen und plötzlich gewonnenen Einfluss zu behaupten.\" Die auctoritas der Remer hat die potentia der ger¬manisch- sequanischen Machthaber abgelöst. Mit Häduern und Remern, Vertretern römischen Herrschaftswillens, soll sich ein Regiment in Gallien etablieren, das aufgrund besserer Herrschaft mehr Freiheit und Frieden garantieren kann, als es dauernder Parteizwist und gegenseitige Schwächung vermögen. Das vorläufige Ergebnis des ord¬nenden Eingreifens Caesars dokumentiert der Schluss des Kapitels:
,,Die Lage war also die: als die bei weitem angesehensten galten die Häduer, und an zweiter Stelle im Rang standen die Remer.\" In ge¬drängter Kürze wird hier ein gleichsam politisch entschärftes und von Parteihader befreites Gallien präsentiert, in dem Häduer und Remer nicht mehr als Anführer von factiones erscheinen, sondern als Führungsmächte kraft moralischer Integrität und politischer Berechenbarkeit - eine Rolle, der vor allem die belgischen Remer gerecht werden. In c.ll und 12 heben sich die Errungenschaften rö¬mischer

Herrschaftspraxis besonders deutlich von derjenigen der Kelten ab: Die innergallische Parteiung weicht konstruktiver Poli¬tik im Anschluss an Rom; Gewaltherrschaft wird durch Autorität er¬setzt, die sich durch besseres Herrschen legitimiert, knechtische Klientelverhältnisse werden gelöst, an die Stelle von Fehde tritt Friede.
c. 13 - 15: Soziale Spaltung und keltisches Staatswesen:
Unterschicht - Druiden - Adel. Diese Kapitel haben ergänzende und vertiefende Funktion. Sie belegen Parteiung, Unzufriedenheit und Unterdrückung auch für den sozialen gesellschaftlichen Bereich; sie veranschaulichen die eigenartigen Organisationsformen der gal¬lische Stämme. Der Leser soll einsehen, dass die Gallier einen Staat besitzen, in dem politisch-soziale Missstände fundamental und aus eigener Kraft nicht zu beheben sind. Das Eingreifen einer Macht, die über eine geordnete Staatlichkeit verfügt, erscheint angesichts solcher Zustände als fast zwangsläufig. Der in c. 12 beschriebene politische Dualismus findet seine Entsprechung in der keltischen Sozialordnung: in omni Gallia eorum hominum, qui aliquo sunt numero atque honore, genera sunt duo. In Gallien gibt es also nur zwei politisch maßgebliche ,,Stände\" neben einer breiten Unter¬schicht, deren Angehörige zu den staatlichen Beratungen nicht hin¬zugezogen und überdies wie Sklaven behandelt werden. Zur politi¬schen Parteiung und Machtlosigkeit der unteren Volksschicht gehö¬ren somit soziale Spannungen und Unterdrückung. Politische Fried¬losigkeit verbindet sich mit sozialem Unfrieden, der von denselben potentes zu verantworten ist, die nach Caesar auch Kriege und Knechtschaft über ihre Stammesgenossen gebracht haben. Zwei füh¬rende Stände werden beschrieben: equites und Druiden. Den equites widmet Caesar nur wenige Worte, den Druiden dagegen einen langen Absatz; sie sind jene gallische Opposition, die ihm - wie man an¬nimmt - großen Widerstand leistete. Caesar schildert die Druiden als Priester, Richter, Lehrer und Gelehrte mit außerordentlichen Kompetenzen und fast übermächtigem Einfluss. Ihre Befugnisse grün¬deten sich nicht wie in der römischen res publica auf eine um¬schriebene Amtsgewalt, sondern auf honor. Streitigkeiten jeder Art werden durch sie entschieden; praemia poenasque sprechen sie aus. Die schwerste Strafe ist der Ausschluss von den Opferhandlungen. Der Ausgeschlossene wird als Außenseiter gemieden. Auch innerhalb der Druiden gibt es eine Rangabstufung: omnibus druidibus praeest unus. Gesteigert werden diese Kompetenzen noch durch den stammes-übergreifenden Charakter und die herrschaftliche Struktur des Dru¬idenverbandes, an dessen Spitze ein einziger Mann steht. Darüber hinaus haben die Druiden entscheidende Sonderrechte, besitzen das Bildungs- und Schriftmonopol und daraus erwachsend auch Verwal¬tungsaufgaben (Urkundenschreiber) . Druiden leisten keinen Kriegs¬dienst und keine Abgaben. Die religiöse Lehre wird nur mündlich überliefert, ihre Kenntnis ist auf einen exklusiven Kreis be¬schränkt; so nimmt sie fast bedrohliche Züge an und verstärkt wei¬ter die Unberechenbarkeit im politischen Alltag der Gallier. Der röm. Leser gewinnt den Eindruck eines Staates im Staat, der in beinahe alle Lebensbereiche der Stammesangehörigen eingreift und durch Androhung religiöser Strafen wirksame Kontrolle ausübt. Nach den Fürsten nennt Caesar mit den Druiden die zweite Gruppe jener Mächtigen, die die freie Entfaltung staatlichen Lebens hemmen und weitreichende Abhängigkeitsverhältnisse in den gallischen Stämmen entstehen lassen. Die Behauptung, die Lehre der Druiden sei in Britannien aufgekommen und von dort nach Gallien gebracht worden, verleiht auch den Kriegen auf der britischen Insel zusätzliche Be¬rechtigung. Caesar bekämpft nicht nur Stämme, die aufständische Festlandkelten mit Hilfstruppen unterstützt haben, sondern führt zugleich einen Feldzug gegen die geistige Kommandozentrale aller gallischen Stämme. Mit den Überfahrten nach Britannien will Caesar auch eine wichtige Quelle vielfachen Missstandes und potentieller Unruhe beseitigen, aus der die Machenschaften des Druidenverbandes jederzeit neu auf Gallien übergreifen können. Trotz der Kürze be¬handelt Caesar auch bei der Darstellung des Adels- oder Ritter-Standes alle

wesentlichen Themen: den politisch-militärischen Un¬frieden, der sich in fast jährlichen Feldzügen äußere, das Fehlen einer staatlichen Ordnung in Friedenszeiten, denn die Gallier kannten nur ein kriegerisches Gefolgschaftswesen. Auch der poli¬tisch einflussreiche Adel nimmt auf die Gestaltung des öffentlichen Lebens keinen konstruktiven Einfluss; seine Aufgabe erschöpft sich in ständiger Kriegsführung. Als Kontrast zu den kriegerischen Un¬ternehmungen der Gallier stellt Caesar noch einmal einen Vorzug römischer Herrschaft heraus: die geringere Häufigkeit der Kriegs-Züge und damit mehr Frieden seit dem Eingreifen Caesars in Galli¬en.

 
 

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