Bevor ich auf die Arbeitslosenzahlen in der Weimarer Republik eingehe, möchte ich anmerken, daß man beginnt, von Unterbeschäftigung in einer Volkswirtschaft zu sprechen, wenn die Zahl der Arbeitslosen 5% der Zahl der Beschäftigten erreicht. An diesem Maßstab gemessen, herrscht in der Weimarer Republik die meiste Zeit Unterbeschäftigung. Nur während des Zwischenhochs der Jahre 1924-25 nach den tiefen konjunkturellen Einbrüchen bedingt durch die Winter 1925/26, und von Juni bis Oktober 1927 konnte die 5% Hürde unterboten werden. 1928 sank die Quote nicht unter 5,5%.
Im Februar 1929 erreichten die Arbeitslosenzahlen schwindelerregende 19,3% - das entspricht über 3 Millionen Arbeitslosen. Der bisherige Rekord aus dem Jahr 1926 wurde damit um 700.000 Arbeitslose übertroffen. Doch noch erkannte man die drohende Gefahr nicht. Zum Teil ließen sich die Zahlen auf den ungewöhnlich starken Frost zurückführen, der viele Aktivitäten zum Erliegen kommen ließ. Bis zum April sank die Arbeitslosenzahl auf 1,25 Millionen.
Als im folgenden Winter die Zahl der Erwerbslosen abermals die 3 Millionen Grenze übersprang, glaubte man, daß sich die Situation im Frühjahr wieder normalisieren würde. Allerdings setzte der saisonale Aufschwung diesmal nur sehr schleppend ein und kam bereits im Mai wieder zum Erliegen. Es waren immer noch 2,6 Millionen Deutsche ohne Arbeit.
Im September waren bereits wieder 3 Millionen arbeitslos, und im Februar 1931 war die 5 Millionen Marke fast erreicht. Die Situation verbesserte sich das ganze Jahr über kaum. Der beste Monat war der Juni mit knapp unter 4 Millionen Erwerbslosen. Der offizielle Arbeitslosenrekord wurde im Februar 1932 mit 6,1 Millionen Arbeitslosen erreicht. Die wahre Zahl dürfte weit höher gelegen haben. Größtenteils Frauen und Jugendliche schätzten ihre Lage als hoffnungslos ein, und ersparten sich den Weg zum Arbeitsamt.
Als Beispiel dient die Entwicklung der Frankfurter Metallindustrie. Setzt man den Index für 1925 bei 100 an, so sank dieser bis 1932 auf 60 Punkte im Bereich der elektrotechnischen Industrie, und auf 26 Punkte in der Fahrzeug- und Schreibmaschinenindustrie.
Es waren wohl gerade diese horrenden Arbeitslosenzahlen, die den Feinden der Demokratie frischen Wind in die Segel bliesen. Dennoch ist nicht sicher, ob Brüning angesichts der wirtschaftlichen Restriktionen und der damaligen Lehrmeinung viele Alternativen hatte.
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