Die Wiener Juden übten ähnliche Berufe aus, lebten in derselben Umgebung, gingen zusammen in die Schule und heirateten einander. Sie schufen auch ein ausgedehntes Netz jüdischer Organisationen, welches ihnen gestattete, vor allem auch mit anderen Juden Umgang zu pflegen. Durch dieses verschiedenartige Netz von Organisationen versorgten sich die Juden mit einer wirksamen Bremse gegen die vollständige Assimilation.
Jüdische Organisationen hatten zwei Zwecke. Einerseits bildeten sie ein Forum für die Geltendmachung der jüdischen Identität und andererseits versetzen die Juden verschiedener politischer Überzeugungen in den Stand, ein fast vollständig jüdisches Gesellschaftsleben zu führen. Jeder Untergruppe der Wiener jüdischen Gemeinde gründet, ihre eigenen Institutionen, die ihr halfen, die eigene Art jüdischer Identität zu sichern und ein Forum für reichhaltigen Meinungsaustausch mit jüdischen Mitbürgern zu bieten.
Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG), eine religiöse, wohltätige und soziale Organisation, leitet die religiösen Angelegenheiten der Wiener jüdischen Gemeinde. Schon 1852 ermächtigte die österreichische Regierung die Gemeinde zur ausschließlichen Vertretung der religiösen, erzieherischen und philanthropischen Bedürfnisse der Juden in der Stadt. Obwohl das Gesetz zur freien Religionsausübung von 1868 nur eine Gemeinde in jeder Stadt erlaubte, kümmerte sich die Israelitische Kultusgemeinde nur um die religiösen Angelegenheiten der aschkenasischen Juden in Wien. Die Führung der IKG entstammte den reichsten und mächtigsten Kreisen der Wiener Judenschaft. Weiter religiöse, wohltätige Organisationen waren die Wiener "Allianz", die moderne Schulen in Galizien errichtete, der "Verein zur Unterstützung jüdischer Handwerker und Kleingewerbetreibender", gegründet 1888, "Wien", gegründet 1895 und "Eintracht", gegründet 1903. Neben all diesen karitativen und sozialen Organisationen schufen Wiener Juden auch politische Bewegungen, um für die persönlichen Rechte der Juden oder für jüdische nationale Gleichberechtigung zu kämpfen.
Sie gründeten neue Bewegungen zur Auseinandersetzung mit dem Problem des Antisemitismus und zur erneuten Definition, was es bedeute Jude in Österreich zu sein.
Die "Österreichisch- Israelitische Union" versuchte die jüdischen Recht gegen die zunehmend heftiger werdenden Angriffe der Antisemiten zu verteidigen.
Weiters wurde der Zionismus ins Leben gerufen, den wir bereits in Kapitel 6.1 erklärt haben.
Daß der Kampf der Juden um die in der Aufklärung wichtigen Worte, Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit, vergebens waren, zeigt sich spätesten dann im 2. Weltkrieg, bei dem man, mit der systematischen Vernichtung der Juden begann.
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