Aus der Sicht der militärischen Führung boten sich im Sommer 1940 für das Deutsche Reich mehrere militärische Optionen an. England war nach der Niederlage Frankreichs isoliert, während sich die deutsche Einflusszone erheblich vergrößert hatte. Sie reichte nun von Nordnorwegen bis zur Biscaya. Ein Großteil Europas stand unter nationalsozialistischer Herrschaft bzw. war, wie Italien oder Spanien, mit dem Reich verbündet. Eine Seeblockade gegen England schien möglich, da das Deutsche Reich über genügend Luft- und Seestützpunkte verfügte, um England direkt anzugreifen.
Andererseits gab es Überlegungen, die britische Vorherrschaft im Mittelmeerraum durch gezielte Militäraktionen zu brechen. Gemeinsam mit dem Bündnispartner Italien konnte das Deutsche Reich die Engländer an der Peripherie ihres Einflussbereichs angreifen, um so das Zentrum London indirekt zu schwächen. Der Dreimächtepakt, den Italien, Japan und Deutschland am 27. September 1940 unterzeichneten und dem bis 1942 noch weitere Länder, darunter Ungarn, Rumänien, die Slowakei und Nanking-China, beitraten, kann als der Versuch einer Neuordnung der ostasiatisch-europäischen Einflusszonen gewertet werden, der systematisch die Vorherrschaft des britischen Empires zu untergraben versuchte.
Solange England nicht zu einem Friedensschluss mit Deutschland bereit war, währte das Bündnis auf Zeit zwischen der kommunistischen Sowjetunion und dem nationalsozialistischen Deutschland. Doch Hitler hatte sein Ziel der "Lebensraumerweiterung" im Osten nicht aufgegeben. Im Gegenteil, nach den Aufzeichnungen des Chefs des Generalstabes Franz Halder hatte Hitler im Juli 1940 bereits gegenüber einem führenden Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes seine zukünftige Marschrichtung festgelegt: "Augen stark auf den Osten gerichtet. England wird voraussichtlich noch einer Demonstration unserer militärischen Gewalt bedürfen, ehe es nachgibt und uns den Rücken frei lässt für den Osten".
Die "Demonstration der Stärke" folgte Mitte August 1940 mit den ersten Bombardements englischer Städte durch die deutsche Luftwaffe. Doch die eher halbherzige Kriegsführung des Generalstabes deutet darauf hin, dass der Krieg gegen England nicht mit dem gleichen Vernichtungswillen betrieben wurde wie der gegen Polen und Frankreich. Hitler hoffte nach wie vor auf ein Einlenken Großbritanniens, um zum entscheidenden Stoß gegen die Sowjetunion ausholen zu können. Der Kampf mit "verkehrten Frontstellungen" beschnitt den Handlungsspielraum deutscher Expansionsbestrebungen im Osten erheblich. Der deutsche Luftkrieg gegen England endete ergebnislos, nachdem es nicht gelungen war, die notwendigen Bedingungen für die "Operation Seelöwe", die Invasion der Britischen Inseln, zu schaffen.
|