Die Bewohner der Stadt Zürich begnügten sich nicht damit, sich selbst
regieren zu können. Schon seit dem 14. Jahrhundert strebten sie nach
der Herrschaft über die Landschaft in ihrer Umgebung. Zum Teil durch
Kauf, zum Teil durch Kriege erwarb sich die Stadt von den verschiede-nen
Adeligen alle Rechte, um die Bauern in den Dörfern zu beherr-schen.
In der Reformationszeit kamen auch alle Klöster mit ihrem gros-sen
Grundbesitz in den Besitz der Stadt. Im 16. Jahrhundert besass
die Stadt etwa das Gebiet, welches heute den Kanton Zürich bildet.
In den Dörfern unterstanden die Menschen, die früher adelige Herren
über sich gehabt hatten, nun einem Herrscher: der Stadt Zürich. Wie
der absolutistische Monarch Ludwig XIV. über Frankreich, so übte die
Stadt Zürich die absolute Macht über die Zürcher Landschaft aus.
Natürlich konnten Bürgermeister und Rat von Zürich nicht in jedem
Dorf selbst für Ordnung sorgen. Aus diesem Grund war das Herrschafts-gebiet
in Landvogteien eingeteilt. Das Amt des Landvogtes wurde je-weils
für einige Jahre einem Ratsherren übertragen, der vom
Landvogteischloss aus Aufgaben und Rechte der Stadt wahrnahm. Die
Schlösser übernahm die Stadt von den früheren adeligen Herren.
Die Lage der Bauern in den Dörfern
Für die Bauern brachte dieser Übergang folgende Veränderung:
. Die Kriege der früheren adeligen Herren, bei denen oft Dörfer ge-plündert
wurden, fielen weg. Es herrschte Friede und Ordnung.
. Führte die Stadt Krieg, mussten die Bauern mit in den Krieg ziehen.
. Die Stadt erhob keine neuen Steuern.
. Die Stadt liess den Bauern eine gewisse Selbständigkeit. Diese durf-ten
beispielsweise den Dorfvorsteher (Untervogt) selbst vorschlagen.
. Die Zünfte hinderten die Entwicklung des Handwerks, damit die
städtischen Handwerker keine Konkurrenz erhielten.
. Die Bauern waren der Stadt Gehorsam schuldig. Ihre Meinung war
nicht gefragt.
Die Stimmung der Bauern auf dem Land
Die militärische Macht der Stadt gegenüber der Landschaft war nicht
sehr gross. Die Stadt stellte nur zehn Prozent der Soldaten, die Land-schaft
neunzig Prozent. Eine Polizei gab es nicht; der Landvogt verfüg-te
etwa über ein Dutzend bewaffneter Knechte. Trotzdem gab es sel-ten
Unruhen oder gar Aufstände. Dies hat folgende Gründe:
. Innerhalb eines ländlichen Dorfes waren die Unterschiede zwischen
Reich und Arm oft gross.
. Die reichen Bauern wurden vom Landvogt mit tieferen Steuern zu-frieden
gestellt, und die armen Leute waren zu sehr mit ihrem eige-nen
Existenzkampf beschäftigt, als dass sie sich noch mit politischen
Fragen auseinandersetzen konnten.
. Die Pfarrer, die alle aus der Stadt kamen, ermahnten in der Predigt
zum Gehorsam gegenüber der Obrigkeit der Stadt Zürich.
. Bei einem Aufstand hätte man vielleicht Landvögte vertreiben, nicht
aber die Stadt erobern könne. Diese war viel zu gut befestigt.
. Die Bauern hatten keine Vorstellung, was für eine Ordnung an die
Stelle der bestehenden treten könnte.
Die Zufriedenheit der Landbevölkerung hing ausserdem stark davon
ab, wie gerecht und uneigennützig der Landvogt sein Amt ausübte.
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