Wesentlich Grundzüge der heutigen Plattentektonik waren schon von Alfred Wegener im Jahre 1912 bzw. 1915 erkannt worden.
Alfred L. Wegener, geb. 1880 in Berlin, gest. 1930 in Grönland
Der studierte Mathematiker und Naturwissenschaftler widmete sich in jungen Jahren der meteorologischen Erforschung der Atmosphäre mit Hilfe von Drachen- und Ballonaufstiegen. 1906 stellte er mit seinem Bruder Kurt sogar einen Weltrekord im Ballondauerflug auf. Bald machte Wegener durch zahlreiche Veröffentlichungen von sich reden. Er arbeitete über Thermodynamik und Wolkenphysik und entwickelte die aufsehenerregende Theorie von der Verschiebung der Kontinente. Er brach zu mehreren Grönlandexpeditionen auf, um die meteorologischen Bedingungen des Inlandeises zu erforschen. Ab 1924 hatte er an der Grazer Universität die Lehrkanzel für Geophysik und Meteorologie inne. Dort feilte er auch an seiner Kontinentalverschiebungstheorie (die sich erst nach seinem Tod durchsetzen sollte) und bereitete eine weitere Reise ins Eis vor. Wenige Tage nach seinem 50. Geburtstag starb Wegener, wahrscheinlich an Überanstrengung, im Grönlandeis.
1912 stellte Wegener die These auf, die Kontinente hätten ursprünglich eine einzige, zusammenhängende Granitmasse gebildet, einen Superkontinent, den Wegener "Pangäa" (Allerde) nannte. Kontinente, aus relativ leichtem Gestein, "schwimmen" in relativ schwererem, ozeanischen Material wie Eisberge im Wasser.
Irgendwann im Laufe der geologischen Erdgeschichte sei diese Tafel auseinander-gebrochen, und die einzelnen Kontinente hätten sich von einander gelöst. Außerdem sei nur der Pazifische Ozean ein Ur-Ozean, alle anderen tiefen Meere entstanden erst durch das Auseinanderdriften der Kontinentfragmente. Er behauptete, dieser Prozess sei immer noch im Gange - Grönland beispielsweise entferne sich mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Jahr von Europa. Auf diesen Gedanken gekommen war Wegener (wie andere vor ihm, als erster vielleicht Francis Bacon um das Jahr 1620) vor allem deswegen, weil der östliche Rand Südamerikas und der westliche Rand Afrikas ineinanderzupassen scheinen wie zwei Scherben eines zerbrochenen Kruges.
Wegener stieß mit seiner Theorie auf barsche Ablehnung ("Fieberphantasien des von Krustendrehkrankheit und Polschubseuche schwer Befallenen" - F. Kerner-Marilaun, angesehener österr. Paläoklimatologe, 1918) und dabei blieb es ein halbes Jahrhundert lang.
Es ist wichtig, an dieser Stelle die wesentlichen Gründe für den Widerwillen der Geologen gegen die Thesen Wegeners zu benennen. Leute, die sich als wissen-schaftliche Außenseiter betätigen, verteidigen ihre möglicherweise dubiosen Theorien oft mit dem Hinweis darauf, daß die Schulwissenschaftler zum Dogmatismus neigten und neuen Ansätzen gegenüber nicht aufgeschlossen seien. Als Beispiel verweisen sie oft auf Wegener und seine Theorie von der Kontinentaldrift - und gerade in diesem Punkt liegen sie falsch.
Die Geologen hatten nämlich gar nichts gegen die Vorstellung von einem Urkontinent "Pangäa", der dann in einzelne Teile auseinanderbrach. Ihr Einspruch richtete sich vielmehr gegen den von Wegener unterstellten Mechanismus der Kontinentaldrift, d. h. gegen die Vorstellung, daß riesige Granitschollen durch einen Basalt-"Ozean" getrieben seien (und noch heute treiben sollen). Das plausibelste Argument gegen Wegener lautete, daß die Basaltschicht, die die Unterlage sowohl für die Ozeanbecken als auch für die Festlandmassen bildet, einfach zu hart und starr ist, als daß sich die granitischen Kontinente auf ihr vorwärtsschieben könnten - und sei es auch noch so langsam. Für die durch geographische und biologische Indizien wahrscheinlich gemachte Verlagerung der Kontinente muß somit ein anderer Mechanismus verantwortlich sein - ein Mechanismus, der physikalisch nachvollziehbar ist und für den es empirische Belege gibt.
Denn daß es in der Tat vor langer Zeit keinen Atlantischen Ozean gab und daß die heute getrennten Erdteile einst eine einzige zusammenhängende Landmasse bildeten, dafür kam mit der Zeit eine immer eindrucksvollere Menge an Beobachtungsdaten zusammen.
Wenn man die Umrisse der Kontinente aneinanderlegt, und zwar nicht ihre Küstenlinien (die Zufallsprodukt des heutigen Wasserstandes der Meere sind), sondern die Festlandsockel als Ganzes, d.h. einschließlich des den Kontinenten vorgelagerten Schelfs, so passen alle Teile des Puzzles nahtlos zusammen. Sowohl im Bereich des nördlichen wie im Bereich des südlichen Atlantik. Dazu kommt, daß sich in Teilen des westlichen Afrika Gesteinsformationen finden, zu denen es in Teilen des östlichen Südamerika identische Entsprechungen gibt.
Darüber hinaus lassen sich frühere Verlagerungen der Magnetpole der Erde wesentlich einfacher erklären, wenn man annimmt, daß nicht die Pole, sondern die Kontinente sich verlagert haben.
Der Uramazonas hatte seinen Ursprung in der Sahara und floß von Ost nach West in den Pazifik. Durch die Kontinentalverschiebung (Entstehung des Atlantik und der Anden) kehrte der Flusslauf sich nach Osten um. Der Amazonas mündet heute in den Atlantik. Bestimmte Meeresfische überlebten die Anpassung an das Süßwasser im Westen des Tieflandes.
Noch beweiskräftiger waren die Anhaltspunkte im paläontologischen Bereich. So wurde beispielsweise 1968 in der Antarktis ein versteinerter Knochen von einer ausge-storbenen Amphibienart gefunden. Daß ein solches Tier nahe am Südpol gelebt haben könnte, ist undenkbar. Der antarktische Kontinent muß also einst weiter vom Pol entfernt gewesen sein oder zumindest ein wärmeres Klima gehabt haben. Das Amphibium wäre nicht in der Lage gewesen, einen auch noch so schmalen Meerwasserstreifen zwischen zwei Landmassen zu überwinden; die Antarktis muß daher mit einer größeren, bis in wärmere Regionen hineinreichenden Landmasse verbunden gewesen sein. Weitere Klimazeugen, wie etwa fossile Moränen im heutigen heißen Indien und versteinerte Mammutbäume im vergletscherten Spitzbergen, beweisen somit, daß die Verschiebung der Kontinente diese ja in vielen Fällen gleichzeitig in ein anderes Klimagebiet gebracht hat.
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