Bei der Entwicklung einer Systematik stellt sich zwangsläufig die Frage nach dem einheitlichen Abgrenzungskriterium. Auch hier bietet die Literatur eine Vielzahl von Ansätzen, die allerdings bei der in dieser Arbeit zugrunde gelegten Definition nicht alle geeignet sind.
CLARK unterteilt NTH\'s, in Anlehnung an eine UNCTAD Systematik, nach ihrem Diskriminierungsgrad in drei Klassen. Von der Kategorie broad über die Kategorie narrow bis hin zu quantitative oder auch hard-core measures nimmt die handelsverzerrende Wirkung zu. Der Nachteil dieser praxisorientierten Systematik liegt in der eher willkürlichen Festlegung in welche Klasse ein bestimmtes NTH einzugruppieren ist. Dieses Manko wird durch die Tatsache verstärkt, daß dasselbe NTH aufgrund unterschiedlicher Ausprägungen einen unterschiedlichen Diskriminierungsgrad aufweisen kann und somit mal in die eine, mal in die andere Kategorie einzuordnen wäre.
WALTER hingegen unterteilt NTH\'s nach der mit ihnen verfolgten Absicht in drei Typen. Maßnahmen, die primär dazu dienen inländische Industrie zu schützen oder inländische Industrie für den internationalen Wettbewerb zu stärken, gehören zu Typ 1. Maßnahmen, die primär zu anderen als den unter Typ 1 aufgeführten Zielen ergriffen werden, aber gelegentlich zur Handelsverzerrung mißbraucht werden, zählen zu Typ 2. Die letzte Kategorie umfaßt alle die Handelshemmnisse, bei denen der unbeabsichtigte protektionistische Effekt lediglich Nebenprodukt autonomer Politik ist. Diese letzte Gruppe gewinnt mit zunehmender Außenhandelsquote eines Landes an Bedeutung.
Diese sinnvolle Systematisierung ist für diese Arbeit allerdings nicht geeignet, da die hier verwendete Definition, Eingriffe, also absichtsvolle Maßnahmen, voraussetzt. Die dritte Kategorie WALTERs, nämlich die unbeabsichtigt handelshemmenden Maßnahmen, würden somit außen vor bleiben.
Die von OHLINGER vorgelegte und hier adoptierte Systematik setzt zur Unterscheidung von NTH\'s bei den folgenden Entscheidungsträgern an: Gesetzgeber, öffentliche Verwaltung und Privatwirtschaft. Die im folgenden zur Systematisierung von NTH\'s verwendeten Gruppen: Gesetzesprotektionismus, administrativer Protektionismus und nicht staatlicher Protektionismus, sind die den Einflußträgern zuzuordnenden entsprechenden Ausprägungen protektionistischer Maßnahmen. (Siehe Abb. 1) Zu dieser Klassifizierung ist kritisch anzumerken, daß natürlich Interdependenzbeziehungen zwischen den Entscheidungsträgern existieren. So vertreten Lobbies ihre Interessen gegenüber dem Gesetzgeber und die Regierung muß sich mit der Bürokratie auseinandersetzen. Trotzdem lassen sich die meisten NTH\'s nach Einflußträgern und Ausprägung relativ klar einer Gruppe zuordnen.
Abbildung 2 verdeutlicht übersichtsartig wie die wichtigsten NTH\'s den drei Gruppen zugeordnet werden können. Diese Systematisierung stellt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da dies bei über 800 vom GATT identifizierten NTH\'s den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Da bei der Systematisierung der einzelnen NTH\'s zu ihrer weiteren Gruppierung teilweise auf deren Wirkungsweise eingegangen werden muß, ist es nicht immer möglich, Systematisierung und Wirkungsanalyse vollständig zu trennen.
Abb. 2.: Systematisierung von NTH\'s
Gesetzesprotektionismus Administrativer Protektionismus Nicht staatlicher Protektionismus
*Maßnahmen auf der Importseite *Schikanöse, diskriminierende *restrictive business practices
-Quantitative -Grenzabfertigung -prudent marketing agreements
--Kontingente -Lizenzvergabe -Diskriminierende Produkttests
-Preisliche *Technische Vorschriften *Gefühlsprotektionismus
--Einfuhrabgaben *Anti-Dumping Maßnahmen - buy-national Apelle
--Abschöpfungen
--Einfuhrdepots
*Maßnahmen auf der Exportseite
-VER\'s
-Subventionen
*FDI betreffende Maßnahmen
-Trade Related Investment
Measures (TRIM\'s)
3.1. Gesetzesprotektionismus
Bei dieser Gruppe ist die protektionistische Absicht eindeutig im Gesetzestext verankert. Änderungen dieser Vorschriften sind nur durch Gesetzesänderungen oder in einem eng umgrenzten Rahmen möglich. Da Gesetzesänderungen mit erheblichem Zeitaufwand verbunden sind, bedeutet Gesetzesprotektionismus für den Handel im Moment Stabilität. Maßnahmen können auf der Import- oder auf der Exportseite wirken. Als dritte Untergruppierung existieren Eingriffe, die FDI betreffen und somit nur indirekt eine handelshemmende oder verzerrende Wirkung haben.
3.1.1. Maßnahmen auf der Importseite
Auf der Importseite ist zwischen preisbeeinflussenden und mengenbeeinflussenden Handelshemmnissen zu differenzieren.
Zu den quantitativen Importbeschränkungen zählen die Importkontingente. Importkontingente, die entweder die Importmenge oder den Importwert eines bestimmten Produkts begrenzen, existieren in Form von Global- und Einzelkontingenten. Bei den Globalkontingenten wird eine Obergrenze für den gesamten Import eines Gutes festgelegt, während bei den Einzelkontingenten Importquoten durch bilaterale Handelsvereinbarungen für einzelne Lieferstaaten festgeschrieben werden.
Maßnahmen, die den Import bei der Einfuhr preislich belasten und somit zollähnliche Wirkung haben, treten in Form von Einfuhr -Abschöpfungen, -Depots und oder -Gebühren auf. Während Importgebühren oder Abgaben, solange sie nicht stark überhöht sind, nicht notgedrungen handelshemmend wirken, sind Einfuhrabschöpfungen, wie sie im Rahmen der Gemeinsamen Agrar Politik (GAP) der EU zur Anwendung kommen, stark protektionistisch. Um das im Vertrag von Maastricht verankerte System von Mindestpreisen durchzusetzen, werden Einfuhrabschöpfungen in Höhe der Differenz zwischen dem niedrigeren Weltmarktpreis und dem festgelegten Mindestpreis im Binnenmarkt erhoben.
Bei Importdepots muß der Importeur bei Einfuhr einen Bruchteil des Importwertes bei der inländischen Notenbank zinslos hinterlegen. Das Ausmaß dieser einfuhrbeschränkenden Maßnahmen hängt von \"der Höhe der zu hinterlegenden Summe, der Hinterlegungsdauer, der Refinanzierungsmöglichkeit der Importeure, der Überwälzbarkeit des preiserhöhenden Effektes auf den Verbraucher\" ab.
3.1.2. Maßnahmen auf der Exportseite
Auf der Exportseite des gesetzlichen Protektionismus sind die zwei Haupttypen Export- Subvention und Export- Beschränkungsabkommen zu nennen.
Im weitesten Sinne sind alle staatlichen Maßnahmen, die exportorientierte Unternehmen des Inlandes unterstützen, um deren Wettbewerbsfähigkeit auf dem Auslandsmarkt zu stärken, Export- Subventionen. Allgemeine Export- Subventionen umfassen Ausfuhrprämien, Transportkostenübernahmen und international sehr unterschiedliche Exportkreditsysteme und Exportkreditversicherungssysteme mit stark unterschiedlichen Zins- und Prämienkonditionen. Diese Subventionen kommen allen Exportindustrien eines Landes zugute.
Spezielle Exportsubventionen hingegen begünstigen bestimmte Sektoren durch Produktionszuschüsse. Diese Sektoren, die oft international nicht mehr wettbewerbsfähig sind, erscheinen aber aufgrund hoher Beschäftigungszahlen und struktureller Rigiditäten aus beschäftigungspolitischen Gründen förderungswürdig. Eine Sonderform der speziellen Exportsubvention stellt das industrial targeting dar, welches bestimmte Sektoren, die für die weitere Entwicklung eines Landes von strategischer Wichtigkeit sind, durch eine weite Bandbreite von Maßnahmen zu fördern versucht. Besonders in den Bereichen der Mikroelektronik und der Luft- und Raumfahrt greifen Regierungen durch \"...sponsored research and development, general financial support, restricted market access to foreign competitors, supervised or \"indicative\" rationalization...\" mit einem zielgerichteten Paket von politischen Maßnahmen in den liberalen Handel ein.
Bei den auf bilateraler Ebene ausgehandelten Exportbeschränkungsabkommen begrenzt das Ausfuhrland seine Exporte auf bestreben des Importlandes. Diese Abkommen stellen meistens eine Flucht nach vorn von Seiten der Exportländer dar, die einer Einführung von Zöllen zuvorkommen wollen. Deshalb haben diese Abkommen den ironischen Zusatz \"freiwillige\" Exportbeschränkungsabkommen (VER\'s). Es sind je nach dem Grad des Involvements der Regierungen der beteiligten Länder zwischen Orderly Marketing Agreements (OMA) und sogenannten grey measures wie prudent marketing agreements zu unterscheiden. Bei den OMA\'s finden die Verhandlungen auf Regierungsebene statt, wobei bei den grey measures Beschränkungsabkommen auf Firmenebene, also auf informeller Basis, abgeschlossen werden.
Letztere Ausprägungsart gehört somit zur Gruppe des nicht staatlichen Protektionismus und wurde hier nur der Abgrenzung halber aufgeführt.
3.1.3. FDI betreffende Maßnahmen
Eine Möglichkeit VER\'s zu umgehen ist FDI. Dies setzt allerdings einen ungehinderten Fluß von Investmentkapital voraus. Regierungen setzen Trade Related Investment Measures (TRIM\'s) ein, um die Firmenpolitik ausländischer Unternehmen in ihren Ländern zu beeinflussen. FUNKE identifiziert mit Local Content Requirements (LCRs) und Local Labor Requirements (LLRs), die zur Zeit wichtigsten TRIM\'s. LCR zwingen ausländische Unternehmen einen bestimmten Anteil ihrer Inputs im Inland zu kaufen und im Falle der LLR\'s einen bestimmten Anteil von Inländern zu beschäftigen.
3.2. Administrativer Protektionismus
Während der Gesetzesprotektionismus für alle Beteiligten relativ transparent in seinen Ausprägungen und Auswirkungen ist, kommt beim administrativen Protektionismus ein Verschleierungseffekt hinzu, da sich administrative Willkür zum größten Teil der öffentlichen Diskussion und Kontrolle entzieht. Wenn Gesetze, die aus nicht protektionistischen Absichten heraus erlassen wurden, unter Ausnutzung von administrativen Ermessensspielräumen schikanös oder willkürlich ausgelegt werden, entsteht unter den ausländischen Exporteuren, bzw. den inländischen Importeuren Unsicherheit. Die Kalkulierbarkeit der Wirkung dieser Art von NTH\'s ist aufgrund ihrer relativ schnellen Variierbarkeit und Vielfältigkeit besonders schwierig.
Beim administrativen Protektionismus tritt neben Preis und Menge importierter Güter, auf die der Gesetzesprotektionismus gerichtet war, als dritte Variable die Zeit. Durch Verzögerungstaktiken, wie der schikanösen Grenzabfertigung, wird erreicht, daß ausländische Produzenten ihr Interesse am Export verlieren.
Ein weiteres Beispiel ist die Verwaltung quantitativer Importbeschränkungen (Kontingente), die mittels Lizenzen erfolgt, die an die Importeure vergeben werden. Das langwierige Lizenzverfahren wirkt, aufgrund administrativer Schwierigkeiten bei der Vergabe der Lizenzen, als eigenständiges Hemmnis über die Kontingentierung hinaus.
Aufgrund dieser hier beschriebenen Intransparenz sind administrativ protektionistische Eingriffe ein beliebtes Instrument von Regierungen, die trotz bestehender Freihandelsverträge inländische Unternehmen schützen wollen.
Zwei weitere kontroverse NTH\'s dieser Gruppe, nämlich technische Hemmnissen und Antidumping- Maßnahmen, werden exemplarisch für die Gruppe der administrativen Handelshemmnisse behandelt.
Technische Vorschriften werden im Interesse der Sicherheit, Gesundheit und Umwelt erlassen. Somit ist die Protektionsabsicht bei technischen Normen nur schwer zu beweisen. Gleichwohl ist das Diskriminierungspotential aufgrund der immensen Zahl der Normen , ihrem Entstehungsprozeß und der Zusammensetzung der Normungsgremien besonders groß.
Der direkte Einfluß der Industrie auf die Normierung ist z.B. bei dem DIN besonders groß, da es sich um eine privatwirtschaftliche Institution handelt. Dieser dominierende direkte Einfluß, wonach die Normung in die letzte Gruppe dieser Systematik (Protektion durch die Privatwirtschaft) einzuordnen wäre, ist aber eher untypisch. So ist die Association Francaise de Normalisation (AFNOR) zentralistisch unter dem Einfluß von Regierungsstellen organisiert.
Das GATT erlaubt Importländern, inländische Produzenten durch Antidumping Maßnahmen (z.B. zusätzliche Zölle) vor ausländischen Produkten zu schützen, die, z.B. durch Subventionen verbilligt, auf den Markt unter Herstellkosten \"gedumped\" werden. Der handelshemmende Effekt von Antidumping (AD) entsteht durch die diskretionäre Handhabung von Seiten der Administration. FINGER bemerkt zu AD: \"1. National regulation allow antidumping action in a broad range of circumstances. ... 2. The investigation process itself tends to curb imports. This is because the exporters bear significant legal and administrative costs... 3. ... almost half of antidumping actions are superseded by negotiated export restrictions before they come to a formal, legal, ending.\"
3.3. Nicht staatlicher Protektionismus
Alle handelsverzerrenden Maßnahmen, die von privatwirtschaftlicher Seite ausgehen, zählen zu dieser Gruppe. Im einzelnen sind dies unter anderem die bereits erwähnten prudent marketing agreements, ungleiche Behandlung bei Produkttests sowie der sogenannte Gefühlsprotektionismus.
Wenn Verbraucherverbände oder Fachzeitschriften Produkttests durchführen, kann es zu einer Diskriminierung ausländischer Produkte dadurch kommen, daß Prüfungsergebnisse für ausländische Produkte bewußt schlechter ausfallen oder Produkte gar nicht erst zum Warentest zugelassen werden. Genauso wie die prudent marketing agreements, die auf Unternehmensebene ausgehandelt werden, zählen solche Praktiken zu den \"restrictive business practices\".
Der Gefühlsprotektionismus zielt durch Anspielungen auf das Nationalgefühl (buy american, achetez francais) auf eine Verhaltensbeeinflussung der Wirtschaftssubjekte ab. Nicht nur der Privatsektor, sondern auch die Legislative, kann Initiator dieser Art des Protektionismus sein. Besonders im öffentlichen Vergabewesen ist eine Bevorzugung inländischer Anbieter zu beobachten, die nicht durch wirtschaftliche Gesichtspunkte zu erklären ist.
Der Gefühlsprotektionismus ist aber in erster Linie ein Instrument der nicht staatlichen Seite, der besonders in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, durch geschicktes oft unterschwelliges Appellieren an chauvinistische Instinkte, ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, des Aufeinander-angewiesen-Seins kreiert. Der so beeinflußte Verbraucher wird bei dem Produkt aus heimischer Produktion die besseren Eigenschaften vermuten und somit auf einen Preis- und Qualitätsvergleich mit einem Importerzeugnis verzichten.
Somit ist der Gefühlsprotektionismus, je nachdem ob die Legislative oder die Privatwirtschaft mehr involviert ist, dem administrativen oder dem nicht staatlichen Protektionismus zuzuordnen.
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