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geographie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Sektorales beispiel - die russische raumfahrt- und raketenindustrie



5.2.1 Ehemalige Bedeutung und Niedergang der Raumfahrt- und Raketenindustrie in Rußland
Neben dem Nuklearkomplex war die Raumfahrt- und Raketentechnologie die wichtigste Säule der sowjetischen Militärmacht, zugleich mit hohem Prestigewert und ideologischer Funktion.
Damit gingen ein enormer Ressourcenverbrauch und extrem hohe Kosten einher. Der gesamte Sektor war hoch privilegiert und optimal versorgt. Die Hauptzentren sind der Großraum Moskau und die Republik Udmurtien.

Eine genaue Quantifizierung ist auch in diesem Fall schwierig, da gerade dieser Bereich strengen Geheimhaltungsbestimmungen unterlag. Nach offiziellen Angaben gab die Sowjetunion 1989 1,5 % ihres Gesamtetats für die Raumfahrt aus, davon mehr als die Hälfte für militärische Zwecke. Seither sind die Ausgaben drastisch gesunken, dies begann schon vor dem Ende der UdSSR und damit vor Beginn des eigentlichen Umwälzungsprozesses. Die Beschäftigtenzahlen schwankten zwischen 600 000 - 800 000 in den Hochzeiten (Vergleich USA: ca. 250 000), von denen bis 1992 70 - 80 000 ihren Arbeitsplatz verloren haben.

Geprägt war dieser Komplex durch eine enge Verknüpfung ziviler und militärischer Programme mit zahlreichen dual-use-Verwendungen von Raumfahrtprojekten.
Durch die Abrüstungsverträge und das Ende der UdSSR gab es drastische Einschnitte in die Programme. Es mußten Wege gefunden werden, trotz fehlender finanzieller Mittel diesen Bereich zu konvertieren, um das enorme Potential an technologischer Kompetenz sowie vorhandener Systeme und Anlagen zu erhalten, denn gerade in der Raumfahrt- und Raketentechnik ist die Proliferationsgefahr durch Abwanderung von Ingenieuren und Experten besonders groß.
Die ersten Schritte dazu waren die Bildung eines Raumfahrtrates der GUS-Staaten und die Gründung einer russischen Raumfahrtagentur .

5.2.2 Konversionsbemühungen und -strategien
Es gab und gibt zahlreiche Versuche und Bemühungen der verschiedenen Betriebe, Konstruktionsbüros und Institute, ihre Produktion bzw. Forschungsvorhaben auf zivile Bereiche umzustellen bzw. auszuweiten, z.B. Telefonsysteme, elektronische Geräte, meteorologische Satelliten, Sportflugzeuge oder Umwelttechnologie . Zumeist handelt es sich dabei allerdings um Diversifizierung und nicht um reine Konversion, in erster Linie bedingt durch den dual-use-Charakter der Mehrzahl der Produkte. Der Umstellungsprozeß wird zusätzlich erschwert durch die Unerfahrenheit der Unternehmen in der modernen Kostenrechnung und im Marketing.
Andererseits muß darauf hingewiesen werden, daß die Konversion der russischen Raketen- und Raumfahrtindustrie zunächst unter wesentlich günstigeren Bedingungen begann, verglichen mit den Entwicklungen der letzten Jahre. Denn Auslöser waren die Abrüstungsverträge Ende der 80er Jahre, also vor Beginn des dramatischen Transformationsprozesses im ehemaligen Ostblock. Zu jener Zeit waren staatliche Unterstützung und allgemeine Rahmenbedingungen deutlich besser als heute .

Ein Beispiel für Konversionsbemühungen in den letzten Jahren ist die Firma \'Khrumichev\' , die vor allem Trägerraketen, die Interkontinentalraketen SS-18 und SS-19, die Raumstation MIR sowie andere Raumfahrtprodukte hergestellt bzw. hergestellt hat. Die Produktion von SS-18 und SS-19 wurde 1991 aufgrund der Abrüstungsvereinbarungen eingestellt und die zivile Produktion erheblich ausgeweitet, es werden u.a. Küchenmöbel, Kinderfahrräder, hydraulische Pumpen und medizinische Technik angeboten. Der Bau eines flüssiggasgetriebenen Autos ist geplant.
Auf der einen Seite hat die Firma gute Chancen, auf dem zivilen Markt zu bestehen, da es über beträchtliches technologisches Know-how verfügt und zudem Preis- und Kostenvorteile besitzt, was sie auch für westliche Partner interessant macht. So gibt es z. B. Beispiel geschäftliche Verbindungen mit dem amerikanischen Lockheed-Konzern.
Auf der anderen Seite kann nicht von echter Konversion gesprochen werden: Der Betrieb untersteht unverändert dem Staatskomitee für die Verteidigungsindustrie; die weiterhin gefertigten Raumfahrtprodukte haben alle dual-use-Charakter; die rein militärische Produktion ist zwar von 80 % im Jahre 1987 auf 30 % 1992 zurückgegangen, doch ist dies immer noch ein erheblicher Anteil. Tatsächlich stattgefunden hat vielmehr eine Kombination aus Reduzierung der Militärproduktion, Diversifizierung und Erhalt des alten betrieblichen Kerns.

Ein wichtiger und interessanter Teilaspekt ist die zivile Umwidmung der ehemaligen Kurz-, Mittelstrecken- und Interkontinentalraketen, die berühmt-berüchtigte SS-Reihe . Diese werden nun nach einigen Modifikationen für Satellitenstarts auf dem Weltmarkt angeboten. Allerdings ist dieser Markt hart umkämpft und insbesondere die USA versuchen, mit protektionistischen Maßnahmen ihre Position zu verteidigen und den Markt abzuschotten, so daß die russischen Raketensysteme trotz niedriger Preise und hoher Zuverlässigkeit große Schwierigkeiten haben, in diesem Bereich Fuß zu fassen.


5.2.3 Internationale Zusammenarbeit
Diese Strategie der Abschottung ist allerdings äußerst kurzsichtig und läuft letztlich auch fundamentalen westlichen Interessen zuwider, denn dadurch wird die Proliferationsgefahr erhöht. Notwendig wäre vielmehr eine weitreichende internationale Zusammenarbeit zwischen Rußland und den westlichen Raumfahrtnationen, um diese Gefahr einzudämmen und gleichzeitig die Kosten der eigenen Programme in Zeiten knapper Haushaltsmittel zu reduzieren. Zumeist hat sich bisher jedoch die Kooperation auf westlicher Seite darauf beschränkt, sich möglichst günstig und zum eigenen Vorteil Zugang zum russischen Know-how zu verschaffen . Wirkliche Kooperation i.e.S. zur Unterstützung der russischen Raumfahrtindustrie hat es bis vor einiger Zeit kaum gegeben. Vielleicht sind ja das gerade beendete gemeinsame Mir / Atlantis - Weltraumprojekt von Rußland und den USA sowie die verstärkte Zusammenarbeit zwischen der EU und Rußland in jüngerer Zeit Ansätze für eine in Zukunft intensivere und fruchtbare Kooperation.

 
 

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