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geographie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Polen - geschichte



Die Ursprünge des polnischen Staatswesens liegen weitgehend im Dunkeln. Bereits im 9. Jahrhundert soll es einen mächtigen polnischen Staat unter ebenso mächtigen Fürsten gegeben haben, was jedoch historisch nicht belegbar ist. Festzustehen scheint, dass eine staatliche Organisation der Polanen durch die ständigen Übergriffe der Ungarn zunächst verhindert bzw. erheblich erschwert worden war. Erst nach der endgültigen Niederlage der Ungarn in der Schlacht auf dem Lechfeld (bei Augsburg) gegen das Heilige Römische Reich unter Otto I. 955 und dem Rückzug der Ungarn Richtung Südosten war der Weg für die Errichtung eines Staatswesens auf dem Gebiet des heutigen Polen frei.

7.1



Die Piasten


Erster historisch einwandfrei belegbarer Herrscher war Mieszko I. (Regierungszeit ca. 960 bis 992) aus dem Geschlecht der Piasten, der um 960 von seinem Zentrum Posen an der mittleren Warthe aus die polnischen Stämme zwischen Oder und Masowien östlich der mittleren Weichsel unter seine Herrschaft brachte. 963 erkannte Mieszko für das Gebiet zwischen Oder und Warthe die Lehensherrschaft des römisch-deutschen Kaisers an; 966 trat er zum römisch-katholischen Christentum über und reihte damit seinen Herrschaftsbereich in den Kreis der abendländisch-christlichen Staaten ein - im Gegensatz zu den Ostslawen, die sich wenig später dem griechisch-orthodoxen Ritus anschlossen. 968 erhielt Polen in Posen ein erstes Bistum, und 986 begab sich Mieszko für seinen gesamten Herrschaftsbereich in lockere Lehensabhängigkeit vom Heiligen Römischen Reich.

Mieszkos Sohn und Nachfolger Boleslaw I. Chrobry (992-1025) gelang es in langwierigen Kriegen gegen die böhmischen Przemysliden und Kaiser Heinrich II., das jetzt erstmals "Polen" genannte Territorium erheblich zu erweitern: Er brachte Schlesien, Kleinpolen (das Gebiet um die obere Weichsel mit Krakau), Pommern, Mähren und als Lehen die Lausitz unter seine Herrschaft und hielt zeitweise Böhmen und Kiew besetzt. 1025 ließ er sich mit Billigung des Papstes zum König krönen.


7.1.1



Niedergang und Teilung des Piastenreiches


Unter Boleslaw I. hatte Polen einen ersten Höhepunkt seiner Macht erreicht; aber schon unter seinem Sohn und Nachfolger Mieszko II. (1025-1034) zerfiel das Großreich wieder: Mieszko verlor den Großteil der von seinem Vater unterworfenen Gebiete wieder, ebenso verlor er die relative Unabhängigkeit vom Heiligen Römischen Reich sowie 1033 auch die Königswürde. Mieszkos Sohn Kasimir I. (1034/1039-1058) konnte nach anfänglichen inneren Auseinandersetzungen die Piastenherrschaft wieder einigermaßen konsolidieren und verlorene Gebiete zurückgewinnen; Boleslaw II. (1058-1079) gelang es dank des Investiturstreites, der die Herrschaftsgewalt des römisch-deutschen Kaisers erheblich schwächte und in dem Boleslaw Partei für die päpstliche Seite ergriff, die Königswürde zurückzuerlangen. Bereits Boleslaws Nachfolger Wladislaw I. Hermann (1079-1102) legte den Königstitel wieder ab und nahm stattdessen nach Kiewer Vorbild einen Großfürstentitel an.

Wie schon bei den vorangegangenen Thronwechseln, so kam es auch nach Wladislaws Tod 1102 zwischen seinen Söhnen zu heftigen Auseinandersetzungen um die Herrschaft; am Ende setzte sich Boleslaw III. Krzywousty (1102-1138) durch. Der führte, um die zermürbenden, den Adel stärkenden Nachfolgekämpfe für die Zukunft zu unterbinden, eine feste Nachfolgeregelung nach dem Senioratsprinzip ein: Alle erbberechtigten Söhne sollten jeweils eine eigene Provinz erhalten, der älteste zudem als Großfürst eine Art Oberherrschaft (Seniorat) über alle Provinzen und die Entscheidungsbefugnis in Fragen der Außen- und der Kirchenpolitik.

Die neue Erbregelung erwies sich als verhängnisvoll für den Gesamtstaat: Zum einen verhinderte sie keineswegs Konflikte zwischen den Erben, zum anderen bewirkte sie eine mehr oder weniger weit gehende Verselbständigung der Teilfürstentümer Großpolen, Kleinpolen, Schlesien und Masowien, die wiederum in mehrere Fürstentümer unterteilt wurden. Schlesien etwa nahm - in enger Anlehnung an Böhmen - eine relativ eigenständige Entwicklung. Die Zersplitterung und teilweise auch Rivalität im Inneren hatte auch einen erheblichen Machtverlust nach Außen zur Folge: 1157 brachte Kaiser Friedrich I. Barbarossa den Krakauer Großfürsten und Senior Boleslaw IV. Kedzierzawy (1146-1173) dazu, die Lehenshoheit des römisch-deutschen Kaisers wieder anzuerkennen, und 1181 verlor Polen Pommern, das Boleslaw III. erst wieder zurückgewonnen hatte, an das deutsche Reich. Ebenfalls im 12. Jahrhundert setzte die Kolonisierung aus dem deutschen Reich (siehe Ostkolonisation) ein, die insbesondere die westlichen Gebiete erfasste und hier Stadtentwicklung und Landwirtschaft maßgeblich prägte. 1225 sah sich Herzog Konrad I. von Masowien gezwungen, den Deutschen Orden gegen die Pruzzen zu Hilfe zu rufen, da sich sein Teilfürstentum nicht gegen die ständigen Überfälle der Pruzzen verteidigen konnte und von den anderen polnischen Fürstentümern keine Unterstützung zu erwarten war; die Verselbständigung der Teilfürstentümer war schon zu weit fortgeschritten, eine gegenseitige Verantwortung weitgehend abhanden gekommen. Bis 1308 hatte der Deutsche Orden die Pruzzen unterworfen und seine Herrschaft über Pomerellen einschließlich Danzig ausgeweitet. Bis zur Rückgabe Pomerellens an Polen 1466 war dieses Gebiet zwischen Polen und dem Deutschen Orden umstritten und umkämpft. Nach der Besetzung Pomerellens förderte der Orden hier intensiv die Ansiedelung deutscher Bauern, Handwerker und Händler.

Infolge der Zersplitterung war Polen 1240/41 auch nicht in der Lage, der Goldenen Horde (siehe Mongolensturm) ausreichenden Widerstand entgegenzusetzen: 1241 wurde ein polnisches Heer bei Liegnitz geschlagen, Lublin, Krakau und Breslau wurden verwüstet. 1295 suchte Großfürst Przemyslaw II. (1279-1296) durch die Erneuerung der Königswürde Polen wieder zu vereinen, scheiterte jedoch.

7.1.2



Wiedervereinigung und Konsolidierung


Anfang des 14. Jahrhunderts brachte der Herzog von Kujawien, Wladislaw I. Lokietek (1306/20-1333), mit Hilfe einiger Kleinfürsten und unterstützt vom Klerus nach langwierigen, schweren Kämpfen neben Kujawien auch Groß- und Kleinpolen unter seine Herrschaft und ließ sich 1320 in Krakau, das fortan Krönungsort der polnischen Könige blieb, zum König krönen. Sein Sohn Kasimir III., der Große (1333-1370), konsolidierte den Staat im Inneren, baute eine funktionierende Verwaltung auf, reformierte Rechtsprechung und Gesetzgebung und schuf damit eine wesentliche Grundlage für den Aufstieg Polens zur Großmacht. 1364 gründete er die Universität Krakau - nach Prag die zweitälteste Universität Mitteleuropas. In der Außenpolitik beendete er die Konflikte mit den Nachbarn im Süden und im Norden: 1335 überließ er Schlesien vertraglich böhmischer Lehenshoheit, und 1343 verzichtete er gegenüber dem Deutschen Orden auf Pomerellen und das Culmer Land, erhielt dafür das inzwischen an den Orden verlorene Kujawien zurück. Außerdem weitete er seinen Herrschaftsbereich nach Osten aus: Er brachte Masowien unter seine Lehenshoheit, eroberte Ruthenien und das westliche Wolhynien. Von der großen Pestwelle, die Mitte des 14. Jahrhunderts nahezu ganz Europa heimsuchte, blieb Polen verschont, da Kasimir an den polnischen Grenzen die Quarantäne eingeführt hatte. Dennoch hatte die Pest nachhaltige Folgen für Polen: Dank Kasimirs Toleranz konnten zahlreiche Juden, die anderswo, vor allem in Deutschland, verfolgt wurden, nach Polen einwandern. Aus ihnen entwickelte sich dann das Ostjudentum mit der jiddischen Sprache.

Kasimir III. starb 1370 ohne männlichen Erben; mit ihm endete die Piasten-Dynastie. Schon 1339/55 hatte Kasimir seinen Neffen Ludwig I. von Ungarn aus dem Haus Anjou zu seinem Nachfolger auf dem polnischen Thron bestimmt, hatte dem polnischen Adel für die Zustimmung zu dieser Nachfolgeregelung allerdings auch erhebliche Zugeständnisse machen müssen. Ludwig I. hatte ebenfalls keine Söhne, konnte aber den polnischen Adel - durch weitere umfassende Privilegien im Vertrag von Kaschau 1374 - dazu bewegen, die weibliche Erbfolge anzuerkennen. Der Adel verfügte nun über weit reichende Mitbestimmungsrechte u. a. bei der Königswahl, genoss Steuerfreiheit und stellte alle hohen Beamten.

Nach Ludwigs Tod 1382 folgte ihm seine Tochter Hedwig auf dem polnischen Thron. 1386 heiratete sie auf Betreiben des polnischen Adels Großfürst Jagie³³o von Litauen, nachdem er und der Großteil der noch heidnischen Litauer zum Christentum übergetreten waren, und begründete damit die polnisch-litauische Personal-, später Realunion sowie die Dynastie der Jagiellonen in Polen.


7.2



Die Jagiellonen


Jagie³³o wurde 1386 als Wladislaw II. (1386-1434) zum König von Polen gekrönt. Polen-Litauen war zur Zeit seines Zusammenschlusses der größte Flächenstaat in Europa und wurde von Wladislaw sukzessive noch nach Osten und Südosten ausgeweitet: 1387 erkannte Moldau die polnische Oberhoheit an, 1389 die Walachei und 1396 Bessarabien und Siebenbürgen. Der ständige Konflikt mit dem Deutschen Orden eskalierte unter Wladislaw sowie seinen Nachfolgern Wladislaw III. (1434-1444) und besonders Kasimir IV. Andreas (1447-1492) in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in mehreren Kriegen. 1410 fügte ein polnisch-litauisches Heer dem Deutschen Orden bei Tannenberg eine vernichtende Niederlage zu, erreichte im 1. Thorner Frieden 1411 jedoch nur geringe territoriale Zugeständnisse. Erst nach weiteren drei Kriegen erhielt Polen im 2. Thorner Frieden 1466 Pomerellen mit Danzig, das Culmer Land und das Ermland sowie u. a. die Marienburg. Für das ihm verbliebene Gebiet (etwa Ostpreußen) musste der Deutsche Orden dem polnischen König den Lehenseid leisten; es blieb auch nach der Säkularisierung des Ordenslandes 1525 polnisches Lehen und wurde erst 1657 im Vertrag von Wehlau (während des 1. Nordischen Krieges) aus der polnischen Lehenshoheit entlassen, kam an Brandenburg und bildete später den Kern des Königreiches Preußen.

Durch die Expansion nach Osten und vor allem durch seinen Sieg über den Deutschen Orden schwang sich Polen-Litauen im 15. Jahrhundert zur Führungsmacht in Osteuropa auf. Zudem besetzten die Jagiellonen zeitweise auch den böhmischen und den ungarischen Thron: Kasimirs IV. Sohn Wladislaw wurde 1471 von den böhmischen Ständen als Wladislaw II. zum König erhoben, und 1490 übernahm er auch den ungarischen Thron. Die jagiellonische Herrschaft in Böhmen und Ungarn endete 1526 mit dem Tod Ludwigs II.; in beiden Ländern folgten die Habsburger nach.

Dem Machtzuwachs nach Außen stand die Schwächung der Krongewalt im Inneren gegenüber: Auch die Jagiellonen, insbesondere Kasimir IV., sahen sich wie schon ihre Vorgänger auf dem polnischen Thron zu weiterer Privilegierung des Adels, sowohl des Hochadels, der Magnaten, als auch des niederen Adels, der Schlachta, gezwungen. Der Reichstag, der Sejm, der sich ausschließlich aus Adel und hohem Klerus zusammensetzte, gewann zunehmend Macht über den König; das Gesetz Nihil novi von 1505 z. B. legte fest, dass nichts Neues ohne Zustimmung des Sejm angeordnet werden dürfe. Die zunehmende Privilegierung des Adels, die Übernahme zahlreicher Regierungsfunktionen durch den Adel hatte auf der anderen Seite die sukzessive Entrechtung der Bauern und des Bürgertums und den Niedergang der Städte zur Folge.

Ende des 15., Anfang des 16. Jahrhunderts sah sich das polnisch-litauische Großreich Angriffen von Osten ausgesetzt: von Osmanen und Tataren, an die sie die Schwarzmeerküste und Moldau verloren, und von dem Moskauer Großfürstentum, das große Teile Litauens eroberte. Im Inneren dagegen erlebte Polen unter Sigismund I. (1506-1548) und Sigismund II. August (1548-1572) ein "Goldenes Zeitalter", eine Blütezeit der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Die Reformation breitete sich rasch aus, vor allem beim Bürgertum und Teilen des Adels, und trotz der bald einsetzenden Gegenreformation war das konfessionelle Klima in Polen von außerordentlicher Toleranz geprägt. Unterdessen spitzte sich die Auseinandersetzung mit Moskau im Livländischen Krieg (1558-1582) wieder zu, in dem Polen 1561 Kurland und Livland erwarb. 1569 wurde u. a. vor dem Hintergrund der anhaltenden Bedrohung aus dem Osten durch die Union von Lublin die Personalunion zwischen Polen und Litauen in eine Realunion umgewandelt, d. h., Litauen wurde faktisch in den polnischen Staat integriert.

7.3



Wahlkönigtum


Mit Sigismund II. August starb 1572 die Jagiellonen-Dynastie im Mannesstamm aus. Die Auseinandersetzung um die Herrschaft in Polen entschied der polnische Adel de facto für sich: Polen wurde in eine Wahlmonarchie umgewandelt; den König wählte der Sejm, d. h. der Adel. Polen wurde somit eine Adelsrepublik mit einem äußerst schwachen König an der Spitze. Das Liberum Veto, 1652 institutionalisiert, durch das jedes Sejm-Mitglied durch seinen Einspruch den Reichstag beschlussunfähig machen konnte, verwandelte Polen schließlich in eine zeitweise handlungsunfähige Adelsanarchie, die zum Spielball sowohl der divergierenden Interessen der polnischen Adelsfraktionen als auch der ausländischen Mächte wurde.

Erster Wahlkönig war Heinrich III. von Frankreich, der jedoch 1574 nach nur einem Jahr die polnische Krone wieder aufgab, um den französischen Thron zu besteigen. Auf ihn folgte Stephan IV. Báthory (1575-1586), der erfolgreich gegen Zar Iwan IV., den Schrecklichen, Krieg führte und einige Reformen in Heerwesen und Verwaltung durchführte und als einer der bedeutendsten Herrscher Polens gilt.


7.3.1



Polen unter den Wasa-Königen


1587 gelangte mit Sigismund III. (1587-1632) die schwedische Wasa-Dynastie auf den polnischen Thron. 1609 griff Sigismund in die russischen Thronwirren (Smuta) ein, konnte Smolensk und andere Gebiete zurück gewinnen, scheiterte aber mit seinem Plan, seinen Sohn Wladislaw, den späteren Wladislaw IV. Wasa (1632-1648), auf Dauer auf dem Zarenthron zu etablieren und ein polnisch-russisches Großreich zu errichten. In der kurz nach 1600 einsetzenden, langwierigen dynastischen Auseinandersetzung mit Schweden verlor er Livland an Schweden. Die Innenpolitik war geprägt von Konflikten mit dem Adel und dem gescheiterten Versuch, eine absolutistische Herrschaft zu errichten.

Unter Johann II. Kasimir (1648-1668) erreichte die polnisch-schwedische Auseinandersetzung im 1. Nordischen Krieg (1655-1660) ihren Höhepunkt; sie endete mit der endgültigen Abtretung Livlands an Schweden im Frieden von Oliva 1660 (und dem erwähnten Verzicht auf Ostpreußen 1657). Im seit 1654 andauernden Krieg mit Russland verlor Polen 1667 die östliche Ukraine einschließlich Kiew und Smolensk. Ebenso glücklos wie nach Außen agierte Johann II. im Inneren; 1668 legte er die polnische Krone nieder und beendete damit die Wasa-Herrschaft in Polen.

Unter Michael Wioniowiecki (1669-1673) brach 1672 der Krieg gegen das Osmanische Reich wieder aus (siehe Polnisch-Türkische Kriege). 1673 besiegte ein polnisches Heer unter Johann Sobieski die Osmanen; 1674 wurde Sobieski in Anerkennung seines Sieges als Johann III. Sobieski (1674-1696) zum polnischen König gewählt. 1683 schlug Johann III. Sobieski als Oberbefehlshaber über die polnischen und die österreichischen Truppen die Türken vor Wien und leitete damit die Vertreibung der Türken aus Mitteleuropa ein. Seinen territorialen Besitzstand konnte Polen in den Türkenkriegen des 17. Jahrhunderts weitgehend behaupten.

7.3.2



Die Sächsisch-polnische Personalunion


1697 wurde der sächsische Kurfürst Friedrich August I. als August II. (1697-1706 und 1709-1733) zum König gewählt; die sächsisch-polnische Personalunion dauerte - mit Unterbrechungen - bis 1763. Ab 1700 war Polen in den 2. Nordischen Krieg (1700-1721) gegen Schweden involviert - diesmal auf der Seite Russlands. Schweden besiegte zunächst Russland, dann Polen, vertrieb August II., ließ 1704 Stanislaus I. Leszczynski zum König wählen und zwang August 1706 zum Verzicht auf die polnische Krone. Nach dem russischen Sieg über die Schweden bei Poltawa konnte sich August II. 1709 mit russischer Hilfe wieder in Polen etablieren. Aus dem 2. Nordischen Krieg ging Polen zwar ohne territoriale Verluste hervor, dafür war es politisch weitestgehend in russische Abhängigkeit geraten. Zudem hatte der Krieg dringend notwendige, die Adelsanarchie eindämmende Reformen verhindert; dazu kam noch, dass Russland Polen eine Reform seiner Verfassung untersagte, um das Land weiter in seiner Abhängigkeit zu halten.

Nach Augusts II. Tod 1733 wählte die Mehrheit des polnischen Adels auf Betreiben Frankreichs erneut Stanislaus I. Leszczynski zum König, die Minderheit wählte, von Russland unterstützt, Augusts II. Sohn August III. (1733-1763). Im Polnischen Thronfolgekrieg (1733-1735) setzte Russland schließlich seinen Kandidaten durch. Aufgrund der Personalunion mit Sachsen wurde Polen in den Siebenjährigen Krieg (1756-1763) hineingezogen und hatte vor allem unter den preußisch-russischen Kampfhandlungen schwer zu leiden. Unter August III. hatte die Adelsanarchie unterdessen solche Ausmaße erreicht, dass Polen bzw. sein König praktisch handlungsunfähig war.

Nach dem Tod Augusts III. setzte die russische Zarin Katharina II., die Große, 1764 die Wahl ihres Günstlings Stanislaus II. August (1764-1795) durch. Stanislaus suchte Reformen einzuleiten (u. a. die Abschaffung des Liberum Veto), die die nahezu schrankenlose Macht des Adels zugunsten der Krone eindämmen sollten; er stieß damit jedoch auf den Widerstand großer Teile des Adels, der nichts von seinen Privilegien preisgeben wollte, und auf den Widerstand der Nachbarn Russland und Preußen, die befürchteten, dass sich ein reformiertes Polen ihrem Einfluss entziehen würde. Die Auseinandersetzungen um die Reformen mündeten 1768 in einen Bürgerkrieg zwischen Reformern und Reformgegnern; Letztere fanden Unterstützung bei Russland und Preußen, Erstere beim Osmanischen Reich (eine Mächtekonstellation, die daneben wesentlich zum Ausbruch des Russisch-Türkischen Krieges von 1768 beitrug).


7.4



Die Polnischen Teilungen


In dieser Situation schlug der preußische König Friedrich der Große schon 1769 eine territoriale Reduzierung Polens vor, und 1772 einigten sich Preußen, Russland und Österreich auf die 1. Polnische Teilung. Der Verlust von fast 30 Prozent seines Territoriums löste in Polen eine schwere Krise aus, führte zu einer nationalen Rückbesinnung und ließ in weiten Kreisen die Einsicht in die Notwendigkeit politischer Reformen wachsen. In einem ersten Reformschritt schuf sich Polen u. a. zwei zentrale Behörden, die Nationale Erziehungskommission und den Immerwährenden Rat, die ein vorbildliches Bildungs- und Verwaltungssystem errichteten.

Am 3. Mai 1791 verabschiedete der Sejm eine neue, das Staatswesen reformierende Verfassung - im Übrigen die erste geschriebene Verfassung Europas. Durch diese Verfassung wurden u. a. die freie Königswahl und das Liberum Veto abgeschafft und dem Bürgertum (begrenzte) Mitspracherechte eingeräumt. Gegen diese Verfassung formierte sich eine Adelsopposition, und sie hatte die Intervention Russlands und Preußens gegen die Refomer und die erzwungene Rücknahme der Reformen 1792 zur Folge. Russland und Preußen bedienten sich als Gegenleistung für ihre Intervention in der 2. Polnischen Teilung großzügig an polnischem Territorium und reduzierten den polnischen Staat auf etwa ein Drittel seiner ursprünglichen Fläche.

1794 erhoben sich die Polen in einem Aufstand unter Tadeusz Kosciuszko; im Oktober 1794 wurde der Aufstand von Russland und Preußen niedergeschlagen, und im Januar 1795 teilten Russland, Preußen und Österreich in der 3. Polnischen Teilung den Rest des Landes unter sich auf und liquidierten damit den Staat Polen vollends. Stanislaus II. August musste abdanken.

7.5



Polen unter Fremdherrschaft


Die Liquidation des polnischen Staates schärfte das Nationalbewusstsein unter den Polen, und sie einte Polen und liberale Kräfte in ganz Europa im Kampf für die Wiedererrichtung eines souveränen polnischen Staates. Als "natürlicher" Verbündeter der Polen bot sich nun, während der Koalitionskriege, Frankreich an, der Gegner der drei Teilungsmächte Russland, Preußen und Österreich. Nach seinen Siegen über Preußen und Russland 1806/07 schuf Napoleon im Frieden von Tilsit (7./9. Juli 1807) als neues polnisches Staatswesen das Herzogtum Warschau, das sich vor allem aus den Gewinnen Preußens aus der 2. und 3. Teilung zusammensetzte und, nachdem es 1809 noch um den österreichischen Anteil aus der 3. Teilung erweitert worden war, etwa ein Fünftel des ursprünglichen Staatsgebiets umfasste. Napoleon gab dem neuen Staat eine am französischen Vorbild orientierte Verfassung, führte den Code Napoléon ein und setzte König Friedrich August I. von Sachsen als Herzog ein.


7.5.1



Kongresspolen


Nach Napoleons Niederlage in Russland besetzten russische Truppen 1813 das Herzogtum Warschau und bereiteten damit der polnischen Eigenstaatlichkeit erneut ein Ende. Auf dem Wiener Kongress 1814/15 schufen die europäischen Großmächte ein neues polnisches Staatswesen, das so genannte Kongresspolen bzw. Königreich Polen, das in etwa das Gebiet des Herzogtums Warschau umfasste, im Westen allerdings zugunsten Preußens um das Großherzogtum Posen verkleinert. Krakau wurde "Freie Stadt". Das neue Königreich kam in Personalunion an Russland, erhielt jedoch eine eigene Verfassung und Verwaltung sowie die Zusage, dass die Einheit der polnischen Nation gewahrt werde.

Die repressive, die Verfassung und die polnische Nationalität missachtende Politik Zar Nikolaus' I. (1825-1855) provozierte 1830 einen ersten Aufstand der Polen gegen die russische Fremdherrschaft, den Novemberaufstand. Der Aufstand wurde von russischen Truppen brutal niedergeschlagen, die Verfassung und der autonome Status des Königreiches wurden kassiert, die polnische Armee aufgelöst und das Land einer rigorosen Russifizierungspolitik unterworfen. 1846 brach im österreichischen Galizien und in Krakau ein weiterer Aufstand aus, der ebenfalls niedergeschlagen und an dessen Ende Krakau Österreich einverleibt wurde, und ebenso scheiterte 1848 eine Erhebung im preußisch verwalteten Posen.

Zar Alexander II. (1855-1881) schlug in Polen zunächst einen etwas liberaleren Kurs ein; den Forderungen nach der Wiederherstellung der Autonomie gab er jedoch nicht nach, verstärkte im Gegenteil, je nachdrücklicher die Autonomie zurückgefordert wurde, wieder den Druck auf Polen. Im Gegenzug erhoben sich die Polen 1863/64 in einem letzten großen Aufstand, dem Januaraufstand, den Russland wiederum - mit preußischem Einverständnis - blutig niederschlug. Die Folge war eine Verschärfung der Russifizierungspolitik, Polen wurde zu einem russischen Gouvernement degradiert.

Die Nationalbewegung in Kongresspolen war damit aber keineswegs zerschlagen; in breiten Kreisen - von der Arbeiterschaft in den Industriezentren über das Bürgertum bis zum Adel - erhielt vielmehr der Wunsch nach Eigenstaatlichkeit neue Brisanz. Dabei gab es unterschiedliche Vorstellungen davon, wie die Eigenstaatlichkeit zu erreichen sei: Während die eine Gruppe eine Lösung in panslawistischem Rahmen, d. h. innerhalb Russlands, propagierte, strebte die andere Richtung die Wiederherstellung eines souveränen polnischen Staates durch die Schwächung bzw. Zerschlagung des Russischen Reiches durch dessen Gegner an. Für die revolutionäre Ausprägung der ersten Gruppe stand Rosa Luxemburg, die auf eine Revolution im gesamten Russischen Reich und im Ergebnis auf die Loslösung Polens aus dem Reich setzte; einer der prominentesten Vertreter der zweiten Gruppe war Józef Pi³sudski.

Die Polen im österreichischen Galizien erhielten 1868 nach der Schaffung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie weit reichende Autonomie, vor allem in Sprache und Kultur; hier entwickelte sich ein sehr starkes polnisches Nationalbewusstsein. In den preußischen Teilen Polens dagegen setzte, insbesondere nach der Reichsgründung 1871, in die auch Posen einbezogen worden war, eine Germanisierungspolitik ein, die dann vor allem vor dem Hintergrund des Kulturkampfes in den betroffenen Gebieten einen polnisch-deutschen Antagonismus heraufbeschwor.

7.5.2



Der 1. Weltkrieg


Der Ausbruch des 1. Weltkrieges gab den Hoffnungen der polnischen Nationalisten auf die Wiedererrichtung eines souveränen polnischen Staates neuen Auftrieb, zumal schon im August 1914 Russland die Schaffung eines wiedervereinigten freien Polen zugesagt hatte. Im November 1916 proklamierten die Mittelmächte ihrerseits, allen voran das Deutsche Reich, ein unabhängiges Königreich Polen, um so Polen im Krieg gegen Russland für ihre Seite zu gewinnen. Allerdings forderte das Deutsche Reich auch die Abtretung eines breiten Gebietsstreifens von Ostpreußen im Norden bis nach Schlesien im Süden und suchte zudem Polen weitgehend in seine Abhängigkeit zu bringen, weshalb das Konzept der Mittelmächte in Polen wenig Anklang fand, zumal Polen nun auch Rückendeckung von anderer Seite erhielt: Nach dem Sturz des Zaren erkannte die russische Provisorische Regierung im März 1917 das Selbstbestimmungsrecht Polens an, und auch die Alliierten strebten nun die Wiedererrichtung eines souveränen Polen an.


7.6



Die Republik Polen


Nach dem Zusammenbruch der Mittelmächte im Herbst 1918 war der Weg frei für eine Wiedererrichtung des polnischen Staates: Im Oktober 1918 rief der ein Jahr zuvor von den Deutschen geschaffene Regentschaftsrat das unabhängige Polen aus, und am 11. November 1918 wurde die Republik Polen proklamiert. Am 22. November wurde Józef Pi³sudski zum "Vorläufigen Staatschef" ernannt und mit diktatorischen Vollmachten ausgestattet.


7.6.1



Territoriale Konsolidierung


Die Republik Polen bestand bei ihrer Gründung aus Kongresspolen und Westgalizien; Anfang 1919 wurde noch ein großer Teil der Provinz Posen und Ostgalizien besetzt. Durch den Versailler Vertrag erhielt Polen außerdem den Großteil Westpreußens, den so genannten Polnischen Korridor, sowie fast die ganze Provinz Posen. In weiteren, strittigen Gebieten sollte die Bevölkerung über die Zugehörigkeit entscheiden, wie etwa in Oberschlesien, das infolge des relativ knappen Abstimmungsergebnisses auf Beschluss der Alliierten geteilt wurde: Der Ostteil um Kattowitz, zwar kleiner, aber wirtschaftlich deutlich ertragreicher, kam an Polen, der Westen an das Deutsche Reich. Danzig wurde Freie Stadt unter polnischer Oberhoheit und zugleich unter Aufsicht des Völkerbundes.

Auch im Osten suchte Polen sein Staatsgebiet annähernd in den Grenzen, wie sie vor 1772 bestanden, wieder herzustellen, erkannte daher die von der Pariser Friedenskonferenz vorgeschlagene polnisch-sowjetrussische Grenze nicht an und löste im April 1920 den Polnisch-Sowjetischen Krieg aus. Die von den Alliierten im Juli 1920 unterbreitete Curzon-Linie lehnte Polen als neue Ostgrenze ebenfalls ab; im Frieden von Riga einigten sich Polen und Sowjetrussland im März 1921 schließlich auf eine Grenze, die etwa 150 Kilometer östlich der Curzon-Linie verlief, Polen also den Westen der Ukraine und Weißrusslands einbrachte. 1920 besetzte Polen zudem das Gebiet um Wilna.

7.6.2



Außenpolitischer Kurs


Die Außenpolitik der folgenden Jahre war zu einem guten Teil von der Furcht vor Revisionsforderungen der beiden großen Nachbarn Deutschland und Sowjetunion geprägt. Das Deutsche Reich weigerte sich, die polnische Westgrenze anzuerkennen, weigerte sich folglich auch, ein dem Locarnopakt entsprechendes Garantieabkommen für die deutsch-polnische Grenze abzuschließen, und hielt die Grenzfrage bewusst offen; die restriktive Politik Polens gegenüber der deutschen Minderheit verschlechterte das polnisch-deutsche Verhältnis zusätzlich. Die Beziehungen zur Sowjetunion wurden zusätzlich zu territorialen Fragen durch ideologische Gegensätze belastet. Wichtigster außenpolitischer Partner Polens war zunächst Frankreich, das Polen im Februar 1921 durch ein Verteidigungsbündnis in seine Cordon-sanitaire-Politik gegenüber der Sowjetunion einband. Durch ein Bündnis mit Rumänien im März 1921 näherte sich Polen zudem der Kleinen Entente an.


7.6.3



Demokratische Anfänge


Am 17. März 1921 wurde die neue, am französischen Vorbild ausgerichtete demokratische Verfassung verabschiedet. Aber auch unter der neuen Verfassung waren die rasch wechselnden Regierungen in der politisch zersplitterten Landschaft nicht in der Lage, den vielfältigen Problemen des Landes hinreichend zu begegnen. In den 125 Jahren der Teilung und Fremdherrschaft hatten sich die einzelnen Regionen in elementaren Bereichen wie Wirtschaft, Verwaltung, Justiz und Bildung stark auseinander entwickelt und waren nur schwer wieder zu einem System zusammenzufassen. Erheblich verschärft wurde das Problem der Integration durch die starken nationalen Minderheiten - vor allem Ukrainer, Juden, Weißrussen und Deutsche -, die über 30 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten und die in vielen Belangen benachteiligt wurden. Ende 1922 legte Pi³sudski sein Amt als Staatsoberhaupt nieder und verzichtete auf eine Kandidatur bei den Präsidentenwahlen - die neue, demokratische Verfassung hatte die Befugnisse des Staatspräsidenten stark beschnitten.

7.6.4



Diktatur


Vor dem Hintergrund einer schweren Wirtschaftskrise, zunehmender innenpolitischer Konflikte und einer bedenklichen außenpolitischen Lage ergriff Pi³sudski am 12. Mai 1926 in einem weitgehend unblutigen Staatsstreich die Macht. Pi³sudski beließ zwar die demokratische Verfassung in Kraft, schuf jedoch, formal nur Kriegsminister und Oberbefehlshaber der Streitkräfte, aber gestützt auf das Militär und sein hohes Ansehen bei weiten Teilen der Bevölkerung, ein autoritatives, diktatorisches System. Die regierungsfreundlichen Parteien wurden zu einem Block zusammengefasst, die politische Opposition wurde nach und nach zerschlagen, die nationalen Minderheiten wurden unterdrückt. Im März 1933 wurde ein Ermächtigungsgesetz erlassen, auf dessen Grundlage eine auf die Person Pi³sudski ausgerichtete autoritäre Präsidialverfassung erarbeitet und am 23. April 1935 verabschiedet wurde.

Knapp drei Wochen nach Erlass der neuen Verfassung, am 12. Mai 1935, starb Pi³sudski; seine Nachfolger an der Staatsspitze - Staatspräsident Ignacy Moocicki, Oberbefehlshaber Edward Rydz-Omig³y und Außenminister Józef Beck - waren nicht in der Lage, die Verfassung auszufüllen und das System Pi³sudski fortzuführen, erschöpften sich vielmehr in gegenseitigen Konflikten. Als führender Mann setzte sich schließlich Rydz-Omig³y durch, und mit ihm erhielt die polnische Innen- und Außenpolitik eine zunehmend militaristische Prägung.

1932 schloss Polen unter Abkehr von der französischen Sicherheitspolitik einen Nichtangriffspakt mit der UdSSR und 1934 den auf zehn Jahre angelegten Deutsch-Polnischen Nichtangriffspakt. Beide Abkommen sollten Polens Grenzen garantieren; der deutsch-polnische Pakt sollte zudem als Grundlage für Polens Aufstieg zur Führungsmacht in Ostmitteleuropa an der Seite des nationalsozialistischen Deutschen Reiches dienen. 1938 beteiligte sich Polen an der Zerschlagung der Tschechoslowakei durch das Münchner Abkommen - Polen erhielt das nordmährische Olsa-Gebiet - und geriet dadurch noch weiter in Distanz zu seinen früheren Verbündeten. Im März 1939 forderte Hitler die Lösung der Danzigfrage, d. h. die Angliederung der Freien Stadt an das Deutsche Reich und die Errichtung von exterritorialen Verkehrswegen durch den Korridor; Polen lehnte ab und wandte sich wieder von Deutschland ab und dem Westen zu: Am 31. März 1939 gab Großbritannien eine Garantieerklärung für den Fall eines deutschen Angriffs auf Polen ab, der sich Frankreich mit einer Bekräftigung der bestehenden Allianz anschloss.

Am 28. April 1939 kündigte Hitler den Deutsch-Polnischen Nichtangriffspakt; am 23. August 1939 schloss er den Hitler-Stalin-Pakt mit der Sowjetunion, in dem in einer geheimen Zusatzklausel u. a. die neuerliche Liquidierung des polnischen Staates und seine Aufteilung zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion beschlossen wurde. Zwei Tage später schloss Großbritannien mit Polen einen Beistandspakt. Am 1. September 1939 überfiel das Deutsche Reich Polen und löste so den 2. Weltkrieg aus.

7.7



2. Weltkrieg


Bis Mitte September hatten die deutschen Truppen in einem "Blitzkrieg" den größten Teil West- und Mittelpolens überrannt; am 17. September griff die sowjetische Rote Armee von Osten her an; am 6. Oktober 1939 kapitulierten die letzten polnischen Verbände. Bereits am 28. September hatten sich die Sowjetunion und das Deutsche Reich in einem Grenz- und Freundschaftsvertrag auf eine Demarkationslinie geeinigt, entlang derer sie Polen nun untereinander aufteilten.

Der sowjetisch besetzte Osten Polens wurde in die Ukrainische und die Weißrussische Sowjetrepublik eingegliedert; die Polen, gut ein Viertel der vor allem aus Weißrussen und Ukrainern bestehenden Bevölkerung des annektierten Gebiets, wurden rigide entnationalisiert; etwa eine Million Polen, vor allem die Intelligenz, wurde 1940/41 nach Sibirien deportiert, die polnischen Kriegsgefangenen wurden zum großen Teil getötet, u. a. in Katyn.

Der Westen Polens, in etwa Westpreußen und Posen, wurde am 8. Oktober 1939 dem Deutschen Reich direkt eingegliedert; das restliche Zentralpolen wurde am 26. Oktober 1939 in das deutsche Generalgouvernement Polen unter dem Generalgouverneur Hans Frank umgewandelt. Sowohl in den dem Reich eingegliederten Gebieten wie auch im Generalgouvernement wurde die polnische Bevölkerung - auch hier zunächst vor allem die Intelligenz - einer rigiden Germanisierungspolitik und brutalen Repressalien unterworfen; sie wurde enteignet, deportiert, zu Zwangsarbeit abgezogen und gezielt ermordet: Bis Kriegsende kamen in Polen über sechs Millionen Menschen ums Leben, darunter etwa drei Millionen Juden. Die größten der nationalsozialistischen Vernichtungslager - Auschwitz, Treblinka, Majdanek - befanden sich im Generalgouvernement.

Am 30. September 1939 bildete sich in Paris eine polnische Exilregierung unter General Wladyslaw Sikorski mit einer eigenen Exilarmee, die von den Alliierten als Bundesgenosse akzeptiert wurde. 1940 wich die Exilregierung vor dem deutschen Einmarsch in Frankreich nach London aus. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, in dessen Anfangsphase auch der sowjetische Teil Polens von den Deutschen besetzt wurde, schloss die Exilregierung am 30. Juli 1941 ein Bündnis mit der Sowjetunion, in dessen Rahmen sie der Sowjetunion u. a. eine Armee zur Verfügung stellte, die sich aus polnischen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion rekrutierte. Im April 1943 brach Stalin die Beziehungen zur und damit jegliche Zusammenarbeit mit der polnischen Exilregierung ab, nachdem die Exilregierung von der Sowjetunion nachdrücklich Aufklärung über die bei Katyn entdeckten Massengräber polnischer Offiziere verlangt hatte. Die Sowjetunion unterstützte nun nur noch kommunistischen Widerstandskräfte in Polen. Der Bruch zwischen der Exilregierung und der Sowjetunion wurde besiegelt durch die Weigerung der Exilregierung, die Curzon-Linie als künftige Ostgrenze anzuerkennen und einer Westverschiebung Polens zuzustimmen, wie es die Alliierten auf der Konferenz von Teheran schon Ende 1943 für die europäische Nachkriegsordnung in Erwägung gezogen hatten.

Gegen die nationalsozialistische Besatzungsmacht und ihren Terror bildeten sich schon bald Widerstandsorganisationen, so etwa die Armia Krajowa (AK, "Armee in der Heimat" in Abgrenzung zur Exilarmee), die mit der Exilregierung kooperierte und auf mehrere Hunderttausend Mann anwuchs, und die kommunistische "Volksarmee". Im April/Mai 1943 erhoben sich die Juden des Warschauer Ghettos in einem bewaffneten Aufstand (siehe Warschauer Ghettoaufstand) gegen die deutschen Besatzer, um den Abtransport der Juden in die Vernichtungslager aufzuhalten; der Aufstand wurde niedergeschlagen, nahezu die gesamte Bevölkerung des Ghettos wurde vernichtet.

Im Juli 1944 überschritt die Rote Armee den Bug Richtung Westen und drängte die Deutschen nach und nach zurück. Am 22. Juli 1944 konstituierte sich das kommunistisch orientierte Lubliner Komitee und übernahm mit sowjetischer Billigung und Unterstützung die Verwaltung in den von der Roten Armee befreiten polnischen Gebieten. Am 1. August 1944 erhob sich auf Initiative der Exilregierung die AK im noch deutsch besetzten Warschau (siehe Warschauer Aufstand); ihr Ziel war es, den Führungsanspruch der Exilregierung zu verteidigen und ein Gegengewicht zum Lubliner Komitee zu bilden. Weder die westlichen Alliierten noch die Rote Armee griffen zugunsten der AK ein; der Aufstand wurde von der Wehrmacht niedergeschlagen, Zehntausende Polen wurden ermordet bzw. deportiert, Warschau wurde fast völlig zerstört.


7.7.1



Befreiung und territoriale Neuordnung


Bis März 1945 hatte die Rote Armee ganz Polen befreit; hier sowie auch in den deutschen Gebieten östlich von Oder und Neiße und in Danzig übernahm die "Provisorische Regierung", vormals das Lubliner Komitee, die Regierungsgewalt. Schon auf der Konferenz von Teheran, konkretisiert auf der Jalta-Konferenz im Februar 1945, hatten sich die Alliierten auf in etwa die Curzon-Linie als Ostgrenze Polens und die territoriale Entschädigung Polens im Westen und Norden, d. h. mit deutschem Gebiet, geeinigt. Die Exilregierung lehnte dies weiterhin ab, was zu erheblichen Spannungen mit der Provisorischen Regierung sowie den Alliierten führte, die der Exilregierung schließlich die Anerkennung entzogen.

Erst nach heftigen Auseinandersetzungen kam im Juni die von den Alliierten geforderte "Regierung der Nationalen Einheit" aus Mitgliedern der Provisorischen Regierung und Bürgerlichen sowie Exilpolitikern zustande; im August 1945 unterstellten die Alliierten gemäß dem Potsdamer Abkommen formal die ehemals deutschen Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie - Schlesien, Teile Brandenburgs, Pommern, das südliche Ostpreußen - sowie Danzig der neuen Regierung, jedoch zunächst nur vorläufig, bis zum Abschluss eines Friedensvertrages. Am 16. August 1945 einigten sich Polen und die Sowjetunion in einem Vertrag im Wesentlichen auf die Curzon-Linie als neue gemeinsame Grenze.

Die neuen Grenzen hatten immense Bevölkerungsbewegungen zur Folge: Aus den nun sowjetischen Gebieten siedelten fast vier Millionen Polen in das neue polnische Staatsgebiet über bzw. wurden repatriiert; etwa eine halbe Million Ukrainer und Weißrussen verließen Polen Richtung Osten. Aus den ehemals deutschen Gebieten flohen bis 1950 etwa zwölf Millionen Deutsche nach Westen bzw. wurden vertrieben (siehe Vertreibung).

7.8



Die Volksdemokratie Polen


In der neuen polnischen Regierung war die kommunistische Arbeiterpartei (PPR) unter W³adys³aw Gomu³ka die führende Kraft; die PPR dominierte auch den "Demokratischen Block", zu dem alle Parteien mit Ausnahme der oppositionellen Polnischen Bauernpartei (PSL) zusammengefasst wurden. Bei den Parlamentswahlen am 19. Januar 1947 gewann der Demokratische Block - dank schwerer Manipulationen - 394 der insgesamt 444 Sitze im Sejm. Staatspräsident wurde Boles³aw Bierut von der PPR, Ministerpräsident Józef Cyrankiewicz, Vorsitzender der Sozialistischen Partei (PPS). Am 19. Februar 1947 trat die "Kleine Verfassung" in Kraft, und in der Folgezeit wurde Polen systematisch zur Volksdemokratie umgestaltet. Oppositionelle und missliebige Politiker wurden verfolgt, so auch die als "Rechtsabweichler" apostrophierten Nationalkommunisten innerhalb der PPR, u. a. Gomu³ka, der 1948/49 aus allen Partei- und Regierungsämtern entfernt und schließlich inhaftiert wurde. Im Dezember 1948 wurden PPR und PPS zwangsweise zur Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (polnische Abkürzung PZPR) unter Boles³aw Bierut fusioniert, die nun die Führung in Partei und Staat übernahm. Auch die Verfolgung der katholischen Kirche (über 90 Prozent der Polen gehörten der katholischen Kirche an), die sich zu einem Sammelbecken oppositioneller Kräfte entwickelte, wurde intensiviert; zahlreiche Geistliche wurden verhaftet, u. a. auch der Primas von Polen, Kardinal Wyszyñski.

Trotz der enorm hohen materiellen Schäden aus dem 2. Weltkrieg lehnte Polen auf Betreiben der Sowjetunion die Marschallplanhilfe ab, begab sich stattdessen auch wirtschaftlich in enge Abhängigkeit von der Sowjetunion und führte die zentrale Planwirtschaft ein. 1945 waren bereits Industriebetriebe und Banken verstaatlicht und eine Bodenreform vorgenommen worden; 1949 wurden auch die Landwirtschaft und kleine Gewerbebetriebe zwangskollektiviert. Zugleich setzte ein forcierter Aufbau der Industrie, vor allem der Schwerindustrie, ein. Am 22. Juli 1952 trat eine neue Verfassung in Kraft, die Polen formal zur Volksdemokratie erklärte und die führende Rolle der PZPR in Staat und Gesellschaft festschrieb.

Die polnische Außenpolitik war seit Kriegsende auf die enge Einbindung des Landes in den Ostblock ausgerichtet. Schon im April 1945 hatte die Provisorische Regierung einen Freundschafts- und Beistandspakt mit der Sowjetunion abgeschlossen; 1949 war Polen Gründungsmitglied des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) und 1955 des Warschauer Paktes. Dazu kamen zahlreiche weitere Abkommen und Verträge mit der UdSSR und den anderen Ostblockstaaten. Im Görlitzer Abkommen vom 6. Juli 1950 erkannte die DDR die Oder-Neiße-Linie als "unantastbare Friedens- und Freundschaftsgrenze" zwischen der DDR und Polen an.


7.9



Liberalisierung und Reformen unter Gomu³ka


Nach dem Beginn der offenen Entstalinisierung auf dem XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 und dem Tod des Ersten Sekretärs der PZPR, Boles³aw Bierut, im März 1956 setzte auch in Polen eine vorsichtige Liberalisierung ein. Dennoch mehrten sich vor allem in Intellektuellen- und Arbeiterkreisen die Unzufriedenheit bzw. der Protest gegen die katastrophale Versorgungslage und die überall spürbare sowjetische Dominanz. Der Protest artikulierte sich im Juni 1956 in Posen in einem Generalstreik und einer Massendemonstration, der weitere Demonstrationen im ganzen Land folgten. Der Posener Aufstand wurde zwar blutig niedergeschlagen; die PZPR hatte aber durch die Protestbewegung erheblich an Autorität verloren. Dies sowie die gärende Stimmung in Ungarn (siehe Ungarischer Volksaufstand) veranlassten die sowjetische Führung im so genannten "Polnischen Oktober", der Rückberufung des hoch angesehenen Gomu³ka an die Spitze der PZPR zuzustimmen und Polen einen eigenen Weg zum Sozialismus zuzugestehen.

Bis zu seinem Rücktritt 1970 prägte Gomu³ka als Generalsekretär der PZPR maßgeblich den politischen Kurs Polens. Er leitete eine Reihe Reformen ein: In der Landwirtschaft wurde die Zwangskollektivierung durch die Wiedereinführung der Privatwirtschaft ersetzt; die industrielle Produktion wurde stärker auf Konsumgüter ausgerichtet; das gesamte Planungssystem wurde reorganisiert; die Kirchen- und die Kulturpolitik wurden liberalisiert; sowjetische Berater wurden entlassen, die Stationierung sowjetischer Truppen in Polen wurde begrenzt. Bei den Sejm-Wahlen 1957 durften auch wieder parteilose Kandidaten antreten.

Schon in den frühen sechziger Jahren schränkte Gomu³ka die kulturellen und kirchlichen Freiheiten wieder ein, schlug innenpolitisch einen repressiveren Kurs ein und provozierte damit erneut Unzufriedenheit, die zusätzlich Nahrung durch die nach wie vor schlechte Versorgungslage erhielt. Die Unzufriedenheit entlud sich im März 1968 in Studentenunruhen, die an der Warschauer Universität begannen und rasch auf die Universitäten Posen, Lublin und Krakau übergriffen. Die Studenten klagten vor allem liberale Reformen ein - ähnlich denen, die zur selben Zeit die reformkommunistische Führung im Nachbarland Tschechoslowakei während des Prager Frühlings einzuleiten begann. Auch diese Studentenunruhen konnten - mit sowjetischer Rückendeckung - unterdrückt werden; die reformorientierten Kräfte innerhalb der Partei wurden ausgeschaltet, unbequeme Intellektuelle, darunter zahlreiche Juden, wurden von ihren Posten entfernt bzw. in die Emigration getrieben. Im August 1968 beteiligte sich Polen im Rahmen des Warschauer Paktes mit einem großen Truppenkontingent an der Niederschlagung des Prager Frühlings.

Im Dezember 1970 brachen infolge von Preiserhöhungen u. a. für Grundnahrungsmittel vor allem in den Industriezentren an der Küste erneut Streiks und Aufstände aus, diesmal vor allem von der Arbeiterschaft getragen. Auch diese Unruhen wurden niedergeschlagen; in der Folge aber musste Gomu³ka als Erster Sekretär der PZPR zurücktreten.


7.9.1



Entspannungsorientierte Außenpolitik


Im Zuge der allgemeinen Liberalisierung zu Beginn der Ära Gomu³ka legte Außenminister Adam Rapacki im Oktober 1957 einen Plan zur Schaffung einer atomwaffenfreien Zone in Polen und den beiden deutschen Staaten vor, den so genannten Rapacki-Plan, dessen Ziel der Abbau der Spannungen in Mitteleuropa und die Überwindung des Kalten Krieges war. Der Plan wurde vom Westen zwar abgelehnt, aber immerhin als ein erstes Signal des Entspannungswillens gewertet.

Die Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland gestalteten sich lange Jahre äußerst problematisch; Gründe waren u. a. die Weigerung der Bundesrepublik, die Oder-Neiße-Linie als endgültige polnische Westgrenze anzuerkennen, die Hallsteindoktrin, die es der Bundesrepublik nicht erlaubte, zu Polen diplomatische Beziehungen aufzunehmen, sowie die Forderungen und Ansprüche der deutschen Vertriebenen gegenüber dem polnischen Staat. Ernsthafte Gespräche zwischen der Bundesrepublik und Polen kamen erst 1969 zustande, nachdem Gomu³ka die Offenhaltung der Grenzfrage zugesagt und in der Bundesrepublik die sozialliberale Koalition unter Willy Brandt die Regierung übernommen hatte. Nach langwierigen Verhandlungen wurde am 7. Dezember 1970 in Warschau der Deutsch-Polnische Vertrag unterzeichnet, in dem die Bundesrepublik u. a. auf alle Gebietsansprüche gegenüber Polen verzichtete und die Oder-Neiße-Linie als deutsch-polnische Grenze anerkannte. In der Bundesrepublik stieß der Vertrag auf erheblichen Widerstand; erst nach heftigen Auseinandersetzungen wurde er im Mai 1972 vom Bundestag ratifiziert. Anschließend nahmen die Bundesrepublik und Polen volle diplomatische Beziehungen auf.


7.10



Die Ära Gierek


Nach Gomu³kas Rücktritt im Dezember 1970 wurde Edward Gierek Erster Sekretär der PZPR. Ihm gelang es relativ rasch, die wirtschaftliche und politische Lage im Land wieder zu stabilisieren: Die Preise wurden auf ihren alten Stand gesenkt; mit sowjetischer Wirtschaftshilfe und Anleihen im Westen konnten die Wirtschaft angekurbelt und die Konsumbedürfnisse der Bevölkerung - zumindest deutlich besser als zuvor - zufriedengestellt werden; zahlreiche Ämter in Partei, Staat und Wirtschaft wurden neu besetzt; Kirchen- und Kulturpolitik wurden erneut liberalisiert. Das "polnische Wirtschaftswunder" wurde allerdings zum Preis einer rapide steigenden Auslandsverschuldung erkauft, die schließlich die Regierung doch zu drastischen Preiserhöhungen zwang.

Die Unzufriedenheit mit der Versorgungslage, mit der zunehmenden Diskrepanz zwischen Preis und Angebot, artikulierte sich immer wieder in Demonstrationen und Streiks. Einen ersten Höhepunkt erreichte die Streikbewegung im Juni 1978. Sie wurde zwar niedergeschlagen, aber infolge der brutalen Unterdrückung der Streiks organisierte sich die Arbeiterschaft - vorerst noch in der Illegalität - nun fester und umfassender. Die Wahl des Krakauer Kardinals Karol Wojty³a zum Papst Johannes Paul II. im Oktober 1978 gab der Arbeiterbewegung weiteren Auftrieb. Nach einer neuerlichen Preissteigerung im Frühsommer 1980 kam es im Juli/August in ganz Polen mit Schwerpunkt in Danzig und Warschau zu Massenstreiks. Die Regierung sah sich nun, um die Streiks zu beenden und die Situation wieder zu beruhigen, zu weit reichenden Zugeständnissen an die Streikenden gezwungen: Sie musste u. a. die Gründung unabhängiger Gewerkschaften zulassen, das Streikrecht garantieren, die Zensur lockern und politisch Verfolgte rehabilitieren. Im September 1980 wurde offiziell der unabhängige Gewerkschaftsverband Solidarnooæ unter der Führung von Lech Wa³esa gegründet.

Infolge der Streikbewegung und der Niederlage der Regierung gegen die Streikenden musste im September 1980 Gierek als Erster Sekretär zurücktreten; sein Nachfolger wurde Stanis³aw Kania. Im Februar 1981 wurde General Wojciech Jaruzelski Ministerpräsident, im Oktober übernahm er auch das Amt des Ersten Sekretärs der PZPR.


7.10.1



Der Aufstieg der Solidarnooæ


Trotz der politischen Zugeständnisse der Regierung an die Arbeiterschaft konsolidierte sich die Lage in Polen nicht. Die Wirtschafts- und Versorgungskrise dauerte an, der konservative Flügel der PZPR blockierte notwendige Reformen, die Sowjetunion übte zunehmend Druck auf die polnische Führung aus, die Solidarnooæ, die innerhalb kurzer Zeit auf zehn Millionen Mitglieder angewachsen war, verzettelte sich einerseits selbst in Flügelkämpfen und die Diskussion um ihre Rolle im Staat, initiierte auf der anderen Seite auch immer wieder Streiks.

In dieser Situation verhängte Jaruzelski im Dezember 1981 das Kriegsrecht - angeblich, um eine Invasion sowjetischer Truppen zu verhindern - und berief einen "Militärrat der Nationalen Rettung" ein, der über Militärkommissare Wirtschaft und Verwaltung kontrollierte und "normalisierte". Die Gewerkschaften wurden wieder verboten, zahlreiche Aktivisten, darunter Wa³esa, verhaftet, das Streikrecht wurde suspendiert. Im Dezember 1982 wurde das Kriegsrecht wieder ausgesetzt und im Juli 1983 ganz aufgehoben, die meisten der Inhaftierten wurden wieder freigelassen, das Gewerkschafts- und das Streikverbot blieben jedoch bestehen.

Die Solidarnooæ wirkte im Untergrund weiter; ihre Akzeptanz in der Bevölkerung war nach wie vor sehr hoch. Außerdem wurde sie durch die katholische Kirche unterstützt, die nicht zuletzt durch Besuche des Papstes in Polen 1983 und 1987 erheblich gestärkt worden war. Die Regierung lockerte nach und nach ihren Griff, entwarf zur Überwindung der wirtschaftlichen Probleme auch ein umfangreiches Reformprogramm, das allerdings 1987 in einem Referendum abgelehnt wurde.

Angesichts der weiterhin brisanten Versorgungslage und vor dem Hintergrund der Reformpolitik Michail Gorbatschows in der Sowjetunion kam es im April/Mai 1988 wieder zu großen Streiks; Schwerpunkt war diesmal neben der Werftindustrie an der Küste der Bergbau in Oberschlesien. Partei und Regierung sahen sich erneut zu durchgreifendem Handeln gezwungen: Im September 1988 wurde Mieczys³aw Rakowski Ministerpräsident (Jaruzelski war schon 1985 in das Amt des Staatsratsvorsitzenden gewechselt; sein Nachfolger als Ministerpräsident war Z. Messner), und im Dezember 1988 wurde das Politbüro der PZPR zugunsten reformorientierter Kräfte umbesetzt.

Im Februar 1989 nahm die Regierung Rakowski am "runden Tisch" Gespräche mit der Opposition auf, u. a. mit Vertretern der noch immer verbotenen Solidarnooæ. Die Gespräche mündeten im April in dem "Neuen Gesellschaftsvertrag", in dem sich beide Seiten auf die Demokratisierung und Öffnung Polens festlegten; des Weiteren wurde die Solidarnooæ wieder zugelassen und eine zweite Parlamentskammer, der frei gewählte Senat, eingerichtet.

Bei den Parlamentswahlen am 4. Juni 1989 errang das Bürgerkomitee Solidarnooæ einen großen Sieg: Im Sejm gewann es alle 161 Sitze (von insgesamt 460), die der Opposition eingeräumt worden waren, und im Senat 99 der 100 Sitze. Im Juli wurde Jaruzelski zum Staatspräsidenten gewählt, und im August 1989 konnte das Bügerkomitee Solidarnooæ seinen Kandidaten Tadeusz Mazowiecki als Ministerpräsidenten im Sejm durchsetzen. Mazowieski bildete eine Koalitionsregierung, in der die Kommunisten zwar in der Minderheit waren, aber wichtige Positionen wie das Innen- und das Verteidigungsministerium besetzten. Im Dezember 1989 wurden einige Verfassungsrevisionen verabschiedet, durch die u. a. der Staat wieder in Republik Polen umbenannt wurde.


7.11



Die demokratische Republik Polen


Mazowiecki, der erste nicht kommunistische Regierungschef Polens seit 1945, sicherte den raschen Übergang zur Demokratie ab und leitete einen behutsamen Übergang zu marktwirtschaftlichen Strukturen ein. Im Januar 1990 löste sich die PZPR auf; Teile von ihr formierten sich als Sozialdemokratie der Republik Polen (SDRP) unter der Führung Rakowskis neu, und Jaruzelski erklärte sich bereit, vorzeitig vom Amt des Staatspräsidenten zurückzutreten. Im November 1990 schloss Polen mit der wiedervereinigten Bundesrepublik Deutschland den Deutsch-Polnischen Grenzvertrag, in dem die Oder-Neiße-Linie endgültig als deutsch-polnische Grenze anerkannt wurde; im Juni 1991 schlossen beide Staaten zudem einen Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit.

Aus den ersten freien Präsidentenwahlen seit 1945 ging im Dezember 1990 Lech Wa³esa mit knapp drei Viertel der Stimmen als Sieger hervor. Mazowiecki, der ebenfalls kandidiert hatte, trat als Ministerpräsident zurück. Seit die Solidarnooæ die Regierungsverantwortung übernommen hatte, hatte sie sich über der Frage, wie der Wirtschaftskrise wirksam zu begegnen sei, in mehrere konkurrierende Parteiungen gespalten und auch erheblich an Ansehen verloren; so hatten sich u. a. auch Wa³esa und Mazowiecki politisch auseinander entwickelt. Mazowiecki wurde 1991 Vorsitzender der Demokratischen Union (UD), eines Sammelbeckens der Reformer. Die zunehmenden politischen Differenzen zwischen den verschiedenen Solidarnooæ-Richtungen manifestierten sich bald auch in heftigen Auseinandersetzungen zwischen Staatspräsident Wa³esa und dem Sejm. Neuer Ministerpräsident war seit Januar 1991 der liberaldemokratische Wirtschaftsfachmann Krysztof Bielecki, der die von Mazowiecki eingeleiteten Reformen unvermindert fortsetzte.

Die Zersplitterung der Solidarnooæ trug auch mit dazu bei, dass im Oktober 1991 bei den ersten freien Parlamentswahlen seit dem 2. Weltkrieg 29 Parteien in den Sejm gewählt wurden. Stärkste Fraktion wurde mit 13,4 Prozent die UD Mazowieckis; die noch unter dem Namen Solidarnooæ firmierende Gruppierung kam auf etwa 5 Prozent. Die Regierungsbildung gestaltete sich ausgesprochen schwierig; die bis zu den vorgezogenen Neuwahlen im September 1993 amtierenden Minderheitsregierungen waren kurzlebig und, was die Überwindung der Wirtschaftskrise anbelangte, wenig erfolgreich.

Außenpolitisch orientierte sich Polen in Hinblick auf eine volle Integration in die europäischen Organisationen und Bündnisse vorwiegend nach Westen; die Aufnahme Polens in die Europäische Union (EU) und die NATO galt allen polnischen Regierungen und Präsidenten als oberstes außenpolitisches Ziel. 1991 wurde Polen Vollmitglied des Europarates und schloss ein Assoziierungsabkommen mit der EU, das zum 1. Februar 1994 in Kraft trat. Ebenfalls 1994 stellte Polen offiziell den Antrag auf Aufnahme in die EU und wurde in das NATO-Programm Partnerschaft für den Frieden aufgenommen mit der Option auf eine Vollmitgliedschaft in der NATO. Daneben forcierte Polen auch die Beziehungen zu den anderen Staaten Ostmitteleuropas: 1991 einigten sich Polen, die Tschechoslowakei und Ungarn auf eine enge politische, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit (siehe Visegrád-Staaten), und 1992 beschlossen sie die Bildung einer Mitteleuropäischen Freihandelszone (CEFTA). Schließlich bemühte sich Polen auch um die Aufrechterhaltung bzw. Neugestaltung gutnachbarschaftlicher Beziehungen zu den anderen ehemaligen Ostblockstaaten, insbesondere zu Russland.

Dank einer Fünfprozentklausel (bzw. 8 Prozent für Parteienbündnisse) waren in dem im September 1993 gewählten Sejm nur noch acht Parteien vertreten. Stärkste Fraktion war das Bündnis der Demokratischen Linken (SLD), dem u. a. die PZPR-Nachfolgepartei SDRP angehörte, mit 171 der insgesamt 460 Sitze, gefolgt von der Bauernpartei (PSL) mit 132 Sitzen und der UD mit 74 Sitzen. Die Solidarnooæ war im neuen Sejm nicht mehr vertreten. Die SLD bildete eine Koalition mit der PSL, die die volle vierjährige Legislaturperiode Bestand hatte, allerdings mit wechselndem Personal.

Erster Regierungschef der SLD/PSL-Koalition war Waldemar Pawlak (PSL). Seine Regierung setzte den marktwirtschaftlich orientierten Kurs ihrer Vorgängerin fort, jedoch mit einigen Korrekturen. Erheblich erschwert wurde die Arbeit der Regierung Pawlak durch den Konfrontationskurs Präsident Wa³esas gegen Regierung und Sejm, der Ende 1994 schließlich eine Staatskrise heraufbeschwor. Folge der Krise war im März 1995 die Ablösung Pawlaks (durch ein Misstrauensvotum) und die Wahl Józef Oleksys (SLD) zum neuen Ministerpräsidenten. Die Spannungen zwischen Regierung, die im Übrigen fast zur Hälfte aus parteilosen Ministern bestand, und Präsident hielten an.

Bei den Präsidentenwahlen im November 1995 unterlag Amtsinhaber Wa³esa in der Stichwahl knapp dem Kandidaten des Linksbündnisses, Alexander Kwasniewski. Im Dezember 1995 beschuldigte der scheidende Präsident Wa³esa Ministerpräsident Oleksy, früher für den sowjetischen Geheimdienst gearbeitet zu haben. Die Vorwürfe bestätigten sich am Ende zwar nicht, Oleksy trat dennoch zurück. Neuer Ministerpräsident wurde im Februar 1996 Wlodzimierz Cimoszewícz (SLD).

Im August 1996 wurde das Konkursverfahren gegen die traditionsreiche Danziger Werft, deren Arbeiterschaft bei den Streiks von 1980 eine wesentliche Rolle gespielt und hier die Gewerkschaft Solidarnooæ gegründet hatte, eröffnet; im März 1997 wurde sie geschlossen - begleitet von schweren Tumulten und Demonstrationen in Danzig und Warschau, wo vorübergehend auch drei Ministerien besetzt wurden. Die Solidarnooæ wertete die Schließung der Werft als politischen Akt, nicht als ökonomisch notwendigen Schritt.

Im März 1997 verabschiedeten beide Kammern des polnischen Parlaments mit großer Mehrheit eine neue Verfassung, und im Mai stimmte die Bevölkerung mit allerdings nur knapper Mehrheit in einer Volksabstimmung für die neue Verfassung, die dann im August 1997 in Kraft trat und die provisorische, noch auf der kommunistischen Verfassung basierende "Kleine Verfassung" von 1992 ablöste. Hauptmerkmale der neuen Verfassung sind die Schwächung der Stellung des Präsidenten zugunsten von Parlament und Regierung sowie die Festlegung des Staates auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft.

Aus den Parlamentswahlen im September 1997 ging die von der Gewerkschaft Solidarnooæ getragene, oppositionelle Wahlaktion Solidarnooæ (AWS), ein 1996 gegründetes Bündnis aus etwa drei Dutzend Gruppierungen der politischen Rechten, mit 201 Mandaten als stärkste Kraft hervor, gefolgt von SLD mit 164 Sitzen und Freiheitsunion (UW, 1994 aus der Fusion von UD und dem Liberal-Demokratischen Kongress hervorgegangen) mit 60 Sitzen. Die PSL war auf 27 Mandate abgerutscht. Nach langwierigen Koalitionsverhandlungen brachte die AWS eine Koalition mit der liberalen UW zustande, und am 31. Oktober 1997 wurde die neue Mitte-rechts-Regierung mit Jerzy Buzek als Ministerpräsidenten vereidigt.

Während sich die wirtschaftliche Lage u. a. infolge der zügig vorangetriebenen Privatisierungen nach und nach stabilisierte und Polen eine für osteuropäische Verhältnisse relativ hohe Wachstumsrate verzeichnen konnte, schritt auch die Westintegration des Landes voran: Das so genannte Weimarer Dreieck, eine seit 1991 bestehende informelle Zusammenarbeit zwischen Polen, der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich, wurde weiter vertieft, so z. B. im Februar 1997 durch ein trilaterales Militärabkommen; im Juli 1997 begannen die offiziellen Verhandlungen über einen NATO-Beitritt Polens und im April 1998 die Verhandlungen über den Beitritt Polens zur EU. Am 12. März 1999 wurde Polen in einer ersten Runde der Osterweiterung zusammen mit der Tschechischen Republik und Ungarn in die NATO aufgenommen.

Bei den Präsidentschaftswahlen vom 8. Oktober 2000 setzte sich Amtsinhaber Alexander Kwasniewski bereits im ersten Anlauf mit absoluter Mehrheit gegen elf Konkurrenten durch.

Aus den Parlamentswahlen vom 23. September 2001 ging das von Leszek Miller geführte oppositionelle Linksbündnis aus dem Bündnis der Demokratischen Linken (SLD) und der Union der Arbeit (UP) als klarer Sieger hervor. Mit 216 Mandaten im Sejm verfehlte es jedoch die absolute Mehrheit um 15 Mandate. Verlierer der Wahl waren die beiden bisherigen Regierungsparteien Wahlaktion Solidarnooæ (AWS) und Freiheitsunion (UW) - beide verfehlten den Wiedereinzug ins Parlament.

Am 19. Oktober 2001 trat in Polen die neue Mitte-links-Regierung unter Ministerpräsident Leszek Miller ihr Amt an. Die Koalition aus Bündnis der Demokratischen Linken (SLD), Union der Arbeit (UP) und Bauernpartei (PSL) verfügt über 258 von 460 Parlamentssitzen.

 
 

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