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geographie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Nationalismus und liberalismus - prägende strömungen der bürgerlichen ideologie des 19. jh.



Stein (1807) über das Ziel der preußischen Reformen:
"Belebung des Gemeingeistes und Bürgersinns ... der Einklang zwischen dem Geist der Nation, ihren Ansichten und Bedürfnissen, und denen der Staatsbehörden, die Wiederbelebung der Gefühle für Vaterland, Selbständigkeit und Nationalehre"
Arndt (Patriot, Dichter und Berater Steins):
"Ein Volk zu sein, ist die Religion unserer Zeit."


Nationalismus im 19. Jahrhundert
historische Wurzeln:
- Staat als "weltliche Machtorganisation der Nation"
- im absolutistischen Zentralstaat objektive Voraussetzungen für Entfaltung eines bürgerlichen Nationenbegriffs (Zentralgewalt, Wirtschaftseinheit)
- Aufklärung und bürgerliche Staatslehre
- gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen in Frankreich, England, USA (Herausbildung bürgerlicher Nationen)
- Gedankengut der französischen Revolution und Erfahrungen der Napoleonischen Fremdherrschaft
- Nationalismus als Ausdruck einer stark emotional - völkischen Abwehrhaltung

1808: Volksaufstand in Spanien
1809: Aufstand in Preußen unter Major von Schill

Bauernaufstand in Tirol unter Andreas Hofer
Begriff Nationalismus:
Ideologie, die der Grundlage eines bestimmten Nationalbewußtseins den Gedanken der Nation militant nach innen und außen vertritt. Sie versucht durch nationale Identifikation soziale Großtruppen zu einer Einheit zu verbinden.
Belege nationalistischer Ideologien in Deutschland:

1813: "Für König, Gott und Vaterland"
1914: "Für Kaiser, Reich und Vaterland"
"Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche"
(Wilhelm II. am 04.08.1914)

1939: "Für Führer, Volk und Vaterland"
Merkmale des (Nationalsozialismus) Nationalismus:

- höchster Wert der eigenen Nation
- Neigung zu Fremdenhaß und zur Geringschätzung anderer Völker
- nationale Interessen sind oft alleiniger Maßstab des Handelns
Historisch gesehen entsteht Nationalismus als Ideologie von Gesellschaftsschichten, infolge wirtschaftlicher und sozialer Wandlungen (z.B. bürgerlicher Nationalismus) oder als Ideologie eines Volkes im wirklichen oder vorgegebenen Widerstand gegen Fremdbestimmung (z.B. Befreiungskrieg 1813) (z.B. "Verteidigungs- bzw. Präventivkrieg" 1939).

Besonderheiten des deutschen Nationalismus

Ausgangslage:
- zahlreiche Staaten unterschiedlicher Größe
- soziale Mißstände vorhanden, aber im Vergleich zu Frankreich geringer
- kaum revolutionäres Potential (politische und wirtschaftliche Schwäche des deutschen Bürgertums, "aufgeklärter Absolutismus" zeigt Reformfähigkeit von oben)
- gering entwickeltes Nationalgefühl bei der Masse der deutschen Bevölkerung
- im Bürgertum herrschte die aufgeklärte Vorstellung von Deutschland als "Kulturnation"
- Ablehnung der Revolution als politisches Ziel und Mittel durch das Bildungsbürgertum

Triebkräfte für Entwicklung des Nationalismus im 19. Jh. (Zeit bis 1815)
- Vorbild des französischen Nationalismus
- Belastungen der napoleonischen Fremdherrschaft
- antifranzösischer Fremdenhaß als Nährboden eines Abwehrnationalismus

- Ernst Moritz Arndt(1813):
" ... Ich will den Haß gegen die Franzosen, nicht nur für diesen König, ich will ihn für lange Zeit, ich will ihn für immer!"
- die Kulturströmung der Romantik fördert den Nationalismus, der Zustand vergangener "glorreicher Zeiten" des Mittelalters wird mystifiziert (s. "Deutschland - ein Wintermärchen"; H. Heine)

Der Konservatismus - herrschende Staatslehre des 19. Jh.
- politische und geistige Strömung, die sich in Philosophie und Staatslehre gegen Aufklärung, Liberalismus und Sozialismus richtet
- Name historisch abgeleitet von der französischen Zeitschrift "Le Conservateur" (1818 - 1820)
- entstanden als Reflexion der französischen Revolution, deren Auswirkungen bekämpft werden
- geistiges Verteidigungsbündnis der restaurativen Kräfte (Wiener Kongreß) für Thron und Altar (Schock für Reformer)
- festgehalten werden soll an dem, was angeblich historisch und organisch gewachsen ist, vor allem an der "von Gott gewollten" Ordnung (Ständeordnung, Monarchie, Grundbesitz, Familie)

- Lehre von Patriachalismus:
"Wie der adlige Herr für seine Untertanen, so muß sich auch der Staat aus väterlicher Fürsorge für die sozial Benachteiligten einsetzen."
- lehnt nicht grundsätzliche Reformen ab, wendet sich aber strikt gegen eine radikale gesellschaftliche Umwälzung
- in den deutschen Staaten wurde der Konservatismus vor allem vom preußischen Landadel, der Beamtenschaft und der evangelischen Kirche getragen
- nach 1848 bzw. 1871 (Revolution, Reichseinigung) ging ein Großteil des liberalen Bürgertums auf konservative Positionen über, der Konservatismus blieb dominierende Staatspolitik bis zur Novemberrevolution 1918


Wesensmerkmale des Liberalismus
- ist vom Individuum und dessen Recht, eigenverantwortlich zu handeln verpflichtet
- tritt gegen jede Absicht ins Feld, die vorrevolutionären gesellschaftlichen Machtverhältnisse wiederherzustellen
- auch gegen Versuche unmittelbarer frühsozialistischer Volksherrschaft
- gründet sein Programm in Sinne Kants auf die Vernunft (freie Entfaltung des Individuums und Selbstbestimmung als Aufgabe) und das Naturrecht, das im Wesen des Menschen begründet liegt und von jeder staatlichen Rechtsetzung unabhängig ist
- Wurzeln reichen bis in die Renaissance (15./16. Jh.)
- Begründer der politischen liberalen Theorie: John Locke
- tritt für eine vertragliche Sicherung des Privateigentums als Voraussetzung für die Entstehung des Staates, für Gewaltenteilung und für die Unterstellung des Staates unter das Naturrecht ein
- Lessing, Kant, Schiller verbreiteten die liberalen Ideen im deutschen Bildungsbürgertum
- Einzelner sollte vor Übermacht des Staates geschützt werden
- darum spielt das Eintreten für Menschen- und Bürgerrechte, Presse- und Vereinigungsfreiheit, für den Verfassungs- und Rechtsstaat eine große Rolle
- liberale Bewegung des aufsteigenden Bürgertums
Gesellschaftsideal: mittelschichtorientierte Gesellschaft der wirtschaftlich Selbständigen
- mit der Zeit aus Bürgern - Besitzbürger (Bourgeoisie)
- Bürgertum, für das Besitz und Bildung, Recht auf Freiheit zu herausragenden Werten wurde, entstand mit der Entwicklung von Handel, Gewerbe und Industrie
- waren also ursprünglich selbständige Gewerbetreibende
- Kernpunkt war das gemeinsame Bekenntnis zu Kapitalismus, zum Konkurrenz- und Leistungsprinzip, zum sozialen Aufstieg durch Bildung, zur Gleichheit vor dem Recht und Freiheit, zum vererbbaren Eigentum, zur hierachisierten Ordnung der Gesellschaft
- diese bürgerliche Gesellschaft erst im 18. Jh. in England und Frankreich
- anfangs trotz der wirtschaftlichen Erfolge der politischen Macht des absoluten Monarchen unterworfen - Revolutionen im 18. und 19. Jh.
- auf der Herrschaft auf Vertrag beruhende Verfassungsbewegung
- nach der französischen Revolution erklärten sich Bürger zu Volksvertretern
- durch Besitz neue Privilegien: Zensuswahlrecht
- in Deutschland zunächst Entwicklung des Liberalismus in den süddeutschen Verfassungsstaaten
- fünfzehnbändiges "Staatslexikon" der Freiburger Professoren Rotteck & Welcker wurde klassisches Handbuch des gebildeten Liberalismus in Süddeutschland
- Entstehung durch Anregungen des Reutlingers Friedrich List
- auch im Rheinland früh liberales Zentrum, in den 30ern großbürgerlicher Liberalismus entstanden, in den 30ern - 40ern - Liberalismus dann politisch - bürgerliche Volksbewegung über Vereine, Feste, Wahlen und Presse
- Verhältnis Bürger - Staat zwiespältig:
- Staat sollte sich nach den Liberalen aus Wirtschaft raushalten - freies Spiel der individuellen Kräfte schützen aber nicht behindern
- dafür sollte der gesetzliche Rahmen in der Verfassung geschaffen werden
- Staatszweck nicht Macht oder Wohlfahrt, sondern Herrschaft nach Kant: "Vereinigung einer Menge Menschen unter Rechtsgesetzen"
- neuer Staat: Rechtsstaat - Gegensatz "Polizeistaat" (Verwaltungsstaat) - aber Veränderung der traditionellen Staatsform nur durch Herrscher möglich - nach Kant
- durch Erziehung, als allmählichen Bewußtseinswandel und Verwirklichung des Sittengesetzes zwischen Errichtung einer bürgerlichen Ordnung
- Freiheit des Bürgers als Fundament des Rechtsstaates
- Einzelmensch sollte nach Vernunft handeln
- soziale Rechte als Ansprüche an den Staat abgelehnt
- Streben des Einzelnen nach politischer und wirtschaftlicher Freiheitsrechtsnutzung
- geschriebene Verfassung als Grundlage des Lebens im Rechtsstaat
- u.a. Grundrechte & Gewaltenteilung; Staatsform zweitrangig (konstitutionelle Monarchie)
- Ideal des deutschen Liberalismus im 19. Jh.: parlamentarische Monarchie
- Representativsystem: Volksvertretung vertritt die Meinung aller - keine Stände oder Gruppen
- Trennung der Judikative und der verordnenden Gewalt
- bei parlamentarische Ministerverantwortlichkeit - Abgeordneter als Vertreter des Volkes
- Volksvertretung wollte vollständige Gewaltenteilung und Ministerverantwortlichkeit
- Monarch gegen Gesetzgebung mit Umsetzung
- Höhepunkt des Liberalismus während der Industrialisierung und dem Welthandel im 19. Jh.
- erster liberaler, demokratischer Staat war England - historisch bedeutend
- englische Theoretiker: John Locke, Adam Smith, John Stuart Mill

 
 

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