In letzter Zeit wurde immer wieder über das AKW Mochovce berichtet. Aus diesem Grund wollen wir euch heute mehr über dieses Thema näherbringen.
Wo ist eigentlich Mochovce genau?
Mochovce liegt 140 km östlich der österreichischen Grenze in der Slowakei. Bei einem möglichen Supergau würde die radioaktive Wolke in rund 3 Stunden die österreichische Staatsgrenze erreichen. Wien würde in 4 Stunden und St. Pölten in rund 5 Stunden kontaminiert werden.
Der russische Reaktor WWER440/V213
Sie ist 12,5 m lang, einige cm dick und inzwischen die berühmteste Schweißnaht der Atomgeschichte. Die Verbindungsstelle verläuft rund um den Reaktordruckbehälter in Block I des slowakischen Atommeilers Mochovce. Sie ist eine von 7 Schweißnähten, welche die Teile des 11,8 m hohen Stahlzylinders mit dem Durchmesser von 3,8 m zusammenfügen. Im Inneren des Reaktors brennt das nukleare Feuer der insgesamt 213 Brennelemente bei einer Temperatur von 300 °C. Die abgesonderten Neutronen der Kernspaltung bombardieren die 14 cm dicke Wand des Druckbehälters und vor allem jene Schweißnaht, die nur wenige cm von der äußersten Reihe der Brennelemente entfernt, in etwa auf der Höhe des glühenden Reaktorkerns verläuft. Bricht eben diese Schweißnaht auf, explodiert das AKW Mochovce in einem atomaren Feuerball. 2/3 des nuklearen Inhalts werden in die Höhe geschleudert.
Warnungen der Experten:
Genau vor diesem Horrorszenario warnen Atomexperten, die Mochovce inspizierten. Die slowakische Atomaufsichtsbehörde "Urab Jadroveho Dozoru" (UJD) will sich jedoch auf keine Diskussion einlassen. Sie erteilten die prinzipielle Genehmigung den Reaktor in Betrieb zu nehmen.
Sollten die österreichischen Bemühungen scheitern, dürften die slowakischen Ingenieure die Regelstäbe (kurz OB`s) per Knopfdruck herausfahren, damit die nukleare Kettenreaktion eingeleitet werden kann.
Kurz vor der Übernahme der EU-Präsidentschaft Österreichs wurde der Ruf laut, Österreich sollte im Rahmen der EU ein Veto gegen allfällige Beitrittsverhandlungen mit der Slowakei anmelden.
Auch Prominente Österreicher, wie der Sänger Rainhard Fendrich, die Präsidentschaftskandidatin Gertraud Knoll, die ORF-Moderatorin Karin Resetaritz und der Kabarettist Andreas Vitasek, um nur einige zu nennen, geben sich kämpferisch gegen das AKW Mochovce.
Ausgelöst wurde der Aufstand durch massive Sicherheitsbedenken renommierter Nuklearexperten.
Wolfgang Kromp, der Leiter der 22köpfigen Expertendelegation, vom Wiener Institut für Risikoforschung präzisierte seine Bedenken gegen das AKW Mochovce. Er bemängelte, daß die Materialeigenschaften des Reaktordruckbehälters hinter der russischen Norm sind, ja nicht einmal den Großzügiger ausgelegten slowakischen Vorschriften genügen. Der Druckbehälter würde anstatt 40 bloß 6 bis 25 Jahre halten. Sogar die Mindestschutzvorrichtungen für die Schweißnähte wurden nicht eingebaut. Für Kromp schlicht ein Skandal.
Sensationell auch die Aussage des Sprechers der hochangesehenen, deutschen Gesellschaft für Reaktorsicherheit Heinz-Peter Butz:
Wir können dem Kraftwerk keinerlei Persilschein ausstellen. Unsere Experten haben zu wenig Zeit, wir müssen noch in die Tiefe gehen - wichtige Befunde liegen noch nicht vor.
NEWS S. 15 STÖRFÄLLE KÖNNEN ZUM BERSTEN FÜHREN
Die deutschen Experten wollen sich offenbar nicht mehr länger für die Propaganda der Mochovcebetreiber mißbrauchen lassen - die überraschende Aussage hat unmittelbar zwei Konsequenzen:
1. Kromp, der samt den deutschen Werkstoffexperten Norbert Meyer, der die schockierenden Mißstände beim Reaktordruckbehälter enthüllte, von der Slovenske Electrararne (SE) als Querulant, der Einzelmeinungen absondert denunziert wurde enthält, erhält erstmals Schützenhilfe von weiteren namhaften Atomexperten.
2. Mit der Gesellschaft der Reaktorsicherheit scheint ein zentraler Brückenpfeiler der slowakischen Atomlobby wegzubrechen
Die Geschichte eines Konflikts
Im ersten Mochovcekonflikt zw. Österreich und der Slowakei um die Vergabe eines Milliardenkredits der Osteuropa-Entwicklungsbank (EBRD) 1995 hatte die Slowakei westliche Sicherheitsstandards für den Reaktor versprochen - der Deal sah bei Inbetriebnahme Mochovces die Abschaltung des nur 95 Km von Wien entfernten Schrottmeilers Bohonice vor, indem sich 1978 der Drittschwerste Unfall der Atomgeschichte ereignete.
Aus dieser Zeit stammen auch die Blaupausen für die bisher in der Atomgeschichte einzigartige verschmelzung des sowjetischen Reaktortyps WWER440V213 mit Westtechnologie.
Die IAEO (Internationale Atomenergie-Organisation) legte die 89 Punkte zur Verbesserung der Sicherheitsstandards vor (87 Maßnahmen unterschiedlicher Prioritätsstufen). Wenig später wurde massiver Druck auf Österreich auf EU-Ebene ausgeübt, um die Kreditvergabe von den Sicherheitsstandards und von einer Zusage der Schließung von Bohonice abhängig zu machen.
Damals ist der Deal vom OstAKW mit westlichen Sicherheitsstandards aufgrund von Geldmangels gestorben.
Im März 1996 legte Meciar einen Sparplan vor, 9,173 Milliarden Schilling hatte ein tschechisch-slowakisches Bankenkonsortium auf ausländische Banken für den Fertigbau bereitgestellt.
Ernüchterne Bilanz
Knapp vor der Inbetriebnahme des Reaktors ist die Bilanz ernüchternd: NUR 56 MASSNAHMEN sind umgesetzt worden, 32 sicherheitsrelevante Fragen noch völlig ungelöst. Ein düsteres Szenario für ein AKW, das wenige Tage vor der Inbetriebnahme steht.
Weitere Entüllung:
Der Bubble Condensor, der durch das fehlen einer im westen üblichen abschirmung bei einem Unfall das schlimmste verhindern soll, erweckt kaum das Vertrauen von Krops Experten.
Kritik an der Regierung!
1995 hatten immerhin 1,2 Millionen Österreicher gegen Mochovce unterschrieben. Nach dem Ausstieg der EBRD im selben Jahr schien das Projekt für Österreich gestorben. Der Anti-AKW-Kurs wurde auch dann nicht wiederbelebt, als Meciar 1996 seinen Finanzierungsplan vorgelegt hat. Gewarnt vor dem Sicherheitsrisiko wurde die Regierung ebenfalls. 1995, bei der ersten Besichtigung von Kromp und seinem Expertenteam, waren ebenfalls alle schockiert. Der verfaßte Bericht landete in Schubladen. Zweieinhalb Jahre wartete die Regierung auf eine Stellungnahme der slowakischen Betreiber. Vergebens.
Jetzt geht die grüne Atomsprecherin Gabirele Moser mit der Regierung hart ins Gericht. Sie hätten schon 1995 der Slowakei Kredite anbieten sollen, um auf ein Gasdampf-KW umzurüsten.
Die letzte Information:
Während weitere Expertengespräche dien Start von Mochhovce kaum verhindern können, setzt die Anti-Atom-Front
Welche Folgen hätte der Supergau in Mochovce für Österreich?
Diese Frage stellen sich kurz vor Fertigstellung des vor Sicherheitsmängeln strotzenden Atommeilers rund 3 Millionen Bewohner der Ostregion. Die Antwort ist alles andere als beruhigend. Im Extremfall könnten die Auswirkungen katastrophal sein. Das hängt im Wesentlichen von der Wetterlage ab. (Zitat von Helga Kromp-Kolb der Umweltmeterologin von dem Institut für Meteorologie an der Universität für Bodenkultur)
Im schlimmsten Fall bliebe nicht viel Zeit, um sich in Sicherheit zu bringen. Zwar ist diese Wahrscheinlichkeit sehr groß, weil die Ostwinde hierzulande weniger stark blasen, als jene von Westen. Aber Garantie gibt es dafür keine (siehe Tschernobyl).
Auch bei der Frage, nach der möglichen Strahlenbelastung spielen meteorologische Faktoren eine wesentliche Rolle. Führen Niederschläge zum Auswaschen der radioaktiven Wolke, so kann die Strahlenbelastung um das 100 fache höher liegen als in trockengebliebenen Gebieten.
Wegen der Kontamination von Pflanzen und Boden hätte das vor allem für Landwirte bittere Konsequenzen. Die Landwirtschaft wäre zumindest für die nächsten Jahre unmöglich bzw. später nur stark eingeschränkt. Der Weinbau wäre auf Jahre ruiniert und damit zahlreiche Landwirte. Noch drastischere Folgen hätte ein Super GAU in Wien. Im Extremfall könnte es hunderte Tode allein durch die direkte Strahlung geben abgesehen von denjenigen, die in Folge von Langzeitschäden sterben (Krebs).
Dabei droht nicht nur aus dem Osten Gefahr. Aufgrund der höheren AKW Dichte im Westen und der in Österreich häufigen Westwinde sind wir noch zusätzlichen Gefahren ausgesetzt. Kurzum Wien ist eine der am meisten gefährdeten Städte Europas.
Ist der Krisenstab gerüstet?
Für den atomaren Krisenfall glaubt sich die Bundeshauptstadt bestens gerüstet. Noch im Tschernobyl-Jahr wurde das staatliche Krisenmanagement eingerichtet, in das Experten aus Ministerien und Ländern eingebunden sind.
Als Sicherheitsnetz fungieren das automatische Strahlenfrühwarnsystem mit 336 Meßstationen sowie detaillierte Alarmpläne und Maßnahmenkataloge (zB für Schulen).
Das wichtigste jedoch ist das die Menschen rasch informiert werden. Darum arbeiten der ORF und die APA eng miteinander zusammen. Robert Hochner moderierte bereits eine Ausgabe der ZiB für einen eventuellen Notfall. Die für den Tag X vorbereitete Ansage liegt bereits fix und fertig in den Schubladen des ORF. Diese Band enthält wichtige Informationen über das Verhalten im Krisenfall.
Helga Kromp-Kolb äußerte Bedenken, ob wir wirklich besser gerüstet wie bei Tschernobyl. Zwar ist viel geschehen, aber von der neuen Generation schon viel vergessen worden. Sie fürchtet jedoch sehr, das viele Fehler nocheinmal geschehen werden.
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