1. Phase: Restauration und Wiederaufbau (1945-1955)
Ausgangssituationen:
Ausgangssituation 1: Weichenstellung nach dem zweiten Weltkrieg
Auf den Konferenzen der Siegermächte in Jalta und Potsdam wurden vier Faktoren zur Neugestaltung der deutschen Gesellschaft und somit auch der deutschen Wirtschaft festgelegt.
4 Faktoren zur Neugestaltung:
1) Entmilitarisierung
2) Entnazifizieren
3) Dezentralisierung
4) Demokratisierung
In dieser Zeit wurden von den Siegermächten - hauptsächlich von den Sowjets - noch intakte Fabrikanlagen zur Begleichung von Reparationsleistungen demontiert.
Ausgangssituation 2: Beginn des "kalten Kriegs"
Der sogenannte "Kalte Krieg" begann bereits 1946, als die Siegermächte sich nicht mehr auf gemeinsame Interessen einigen konnten. Er führte zunächst zu einer Polarisierung der Lager. Auf der einen Seite standen die Westalliierten USA, England, Frankreich und Kanada und auf der anderen Seite die UdSSR. Diese Aufspaltung der Lager verursachte, daß in Osteuropa sozialistische und in Westeuropa marktwirtschaftlich orientierte Regierungen und Staaten errichtet worden sind. Deutschlands Teilung wurde davon verursacht. In den westlichen Besatzungszonen wurde ein einheitlicher Wirtschaftsraum geschaffen. Besiegelt wurde die Teilung Deutschlands durch die am 20.06.1948 durchgeführte Währungsreform (Einführung der "Deutschen Mark" (DM) ) sowie durch die Einsetzung des parlamentarischen Rates durch die Besatzungsmächte, der für den Westen Deutschlands einen Verfassungsentwurf, das sog. "Grundgesetz" erarbeiten sollte. Der von diesem Rat verfaßte Entwurf erlangte am 07.09.1949 durch die Gründung der "Bundesrepublik Deutschland (BRD)" Gültigkeit.
Die Geschwindigkeit mit der die Währungsreform und die Staatenneugründung vorangetrieben wurde, läßt sich auf Stabilisierungsinteressen der USA zurückführen, die mit Sorge beobachteten, wie in Osteuropa sowjetfreundliche Regime entstanden (vgl. oben).
Im Oktober 1949 wurde auf dem Besatzungsgebiet der Sowjets ein weiterer deutscher Staat, die "Deutsche Demokratische Republik (DDR)" gegründet, deren Entstehung als Reaktion auf die Gründung der BRD verstanden werden darf.
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Wirtschaftspolitische Maßnahmen zum Aufbau:
Anmerkung: Alle folgenden Darstellungen beziehen sich auf Westdeutschland!
1) Überwindung von Engpässen (1946-48)
1.1) Die aktuelle ökonomische Notsituation wurde durch massive wirtschaftspolitische
Intervention überwunden. Als Beispiel kann die mit allen Mitteln vorangetriebene
Erweiterung der Eisenbahnkapazität genannt werden, den eine funktionierende
Infrastruktur ist Voraussetzung für einen wirtschaftlichen Aufschwung.
1.2) schneller Wiederaufbau der Kohleförderung
Anreize für Bergleute (z.B. Wohnungen, mehr Lebensmittel)
1.3) drastische politische Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation
2) Währungsreform am 20.06.1948
- Gründung der "Bank deutscher Länder"
- Seit der Einführung der DM großes Angebot auf dem Markt
3) Investitionsförderung
Anreize durch Abschreibung (hauptsächlich degressive Abschreibung)
4) Marshall-Plan Hilfe (seit 1949)
Vielen westeuropäischen Ländern ist durch den Marshallplan starke Wirtschaftshilfe
seitens der USA gewährt worden.
Insgesamt wurde an die BRD ca. 1,5 Mrd. DM von 1949-52 gezahlt. Angesichts von
Gesamtinvestitionen von über 40 Mrd. DM in diesem Zeitraum, hat der Marshall-Plan
in Westdeutschland nicht die wesentliche Rolle gespielt.
Funktion des Marshall-Plans:
Die Funktionsweise kann in sechs Schritte aufgeteilt werden:
1) Kreditvergabe durch US-Regierung an Bundesregierung in $
2) Kreditvergabe durch Bundesregierung an Importeure in $
3) Einkauf von Importeuren in den USA in $
4) Kreditrückzahlung der Importeure an Kreditanstalt für Wiederaufbau in DM
5) Kreditvergabe der Kreditanstalt für Wiederaufbau an Investoren zu niedrigen Zinsen
in DM --- Rückzahlung Investoren an Kreditanstalt für Wiederaufbau
6) Rückzahlung Kredit an US-Regierung in $
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5) Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
- z.B. durch starken Wohnungsbau
6) Investitionshilfegesetz
- Investitionshilfeabgabe:
Teile der Gewinne der Konsum- und Investitionsgüterindustrie wurden
abgeschöpft, um damit Investitionen in der Schwerindustrie (Eisen, Kohle und
Stahl) bezahlen zu können.
7) Montanmitbestimmung, Betriebsverfassungsgesetz und Tarifvertragsgesetz
8) Montanunion (EGKS)
- gegründet 1950
- sechs europäische Länder haben durch diese Union ihre Montanproduktion
untereinander abgestimmt.
Diese sechs Länder haben später die EWG gegründet.
Zusammenfassung der Weichenstellung:
1) Eigentumsverhältnisse blieben unverändert
2) Währungsreform
3) Gründung der BRD
2. Phase: Binnenmarktgestütztes Wachstum - Fordismus - (1955-1975)
Wichtige wirtschaftspolitische Gesetze:
1956: Gesetz über die "Deutsche Bundesbank"
- die Bundesbank erhielt eine eigene Autonomie
drei Ziele:
1) Stabilität des Preisniveaus
2) Reibungslosigkeit des Zahlungsverkehrs
3) Versorgung der Wirtschaft mit Geld
1957: Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
1) gewährleistet den freien Wettbewerb
2) verbietet Kartelle (es gibt jedoch einige Ausnahmen)
3) Fusionen werden kontrolliert (Regelung in einer späteren Novelle)
1957: Gesetz zur Rentenreform ("Dynamisierung der Renten")
- Anpassung der Renten an die allgemeine Lohnsteigerung
1961: Außenwirtschaftsgesetz
- Aufhebung der Reglementierung des Außenhandels
(seit 1957 DM konvertierbar)
1967: Gesetz zur Sicherung des Wachstums und zur Stabilisierung der Wirtschaft
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Arbeitsförderungsgesetz
- aktive Arbeitsmarktpolitik
- Qualifikation der Arbeitnehmer
- Umschulung in zukunftssichere Berufe
Dieses Gesetz soll eingreifen, bevor Leute ihre Arbeit verlieren, darum die
Bezeichnung "aktive" Arbeitsmarktpolitik.
Die 2. Phase kann in zwei Teilphasen eingeteilt werden:
1. Teilphase: Wirtschaftswunder
- stürmische Entwicklung
- reichlich, billige Arbeitskräfte
- starke Kapitalförderung durch den Staat
- hohe Nachfrage ("Nachholbedarf")
- deutsche Industrie füllte ein "Vakuum" auf dem Weltmarkt
- Staatseinnahmen stiegen stark an
2. Teilphase: Normalisierung
- Eingliederung der BRD in den normalen Wirtschaftszyklus
- Anwendung keynesianischen Instrumenten zur Wirtschaftsförderung
- stärkere staatliche Nachfrage (Investitionen)
Der Staat versuchte die wirtschaftliche Stabilität zu sichern und
Reformen durch zuführen.
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3. Phase: Weltmarktorientierte Modernisierung (1975-1989)
3.1 Die Wirtschaftskrise 1975:
Faktoren, die die Krise auslösten:
1) innere Faktoren
- Zurückbleiben der Realeinkommen
- Zurückbleiben der effektiven Nachfrage
aber
- hohe Ausweitung des Kapitalstocks
dadurch Überkapazität und Überakkumulation
2) äußere Faktoren
- ähnliche Entwicklungen in anderen Marktwirtschaften
- allgemeiner weltwirtschaftlicher Abschwung - Synchronisation mit Abschwung
in der BRD. Anders als in der Krise von 1967, wo nur in der BRD ein
Abschwung stattfand, in den anderen Ländern aber nicht. Daher konnte 1975
die mangelnde Binnennachfrage nicht zum Teil von Exporten aufgefangen
werden.
3) Ölfaktor
- Kostenschub durch hohe Rohstoffpreise (Ölkrise)
- Ölfaktor war ein Auslöser aber nicht Ursache der Krise
4) Umweltfaktor
- Umweltzerstörung wurde 1975 erstmals wirtschaftspolitisch thematisiert
- Erstmals Nachdenken über die Endlichkeit der Ressourcen.
3.2 Reaktionen auf Unternehmerseite: Rationalisierung, Konzentration,
Internationalisierung:
1) neue Technologien / Rationalisierungen verursachten eine Kostenersparnis
2) Konzentrations- und Zentralisationswelle
in den 50er Jahre: branchengleiche Fusionen / Aufkäufe
ab 60er/70er Jahre: zunehmend branchenfremde Fusionen / Aufkäufe
Vertikale Konzentration: z.B. Elektrohersteller kauft Waschmaschinenfabrik
Diagonale Konzentration: z.B. Marmeladenfabrik kauft eine Hotelkette
3) Neue Welle der Internationalisierung
- Warenexport
- neu: Kapitalexport durch Direktinvestitionen
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3.3 Paradigmenwechsel der Wirtschaftspolitik: Angebotsorientierung, Deregulierung:
Durch wirtschaftspolitische Maßnahmen die internationalen Expansion stärker gefördert. Die allgemeine Wettbewerbsfähigkeit sollte durch Entlastungen im Inneren verbessert werden. Diese Entlastungen bedeuteten Steuersenkungen und Lockerung von Vorschriften.
Im wesentlichen können drei verschiedene Maßnahmenarten unterschieden werden:
1) ab 1975 gab es viele Punktgesetze (Gesetze, die auf ein bestimmtes Ziel gerichtet
sind.): z.B. Haushaltsstrukturgesetz von 1976
2) Deregulierung durch Beseitigung von Unflexibilitäten einzelner Gesetze
z.B. Arbeitsrechtbestimmungen
Alle diese Maßnahmen sollten in Zeiten der Krise dazu dienen, wirtschaftliche Stabilität und wirtschaftliches Wachstum zu gewährleisten. Obwohl die Maßnahmen die Härten der Krise abfedern konnten, gingen die gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten in den letzten vierzig Jahren immer weiter zurück.
Das Diagramm zeigt die Abnahme der
Wachstumsraten in Prozent.
3.4 Neue Probleme der Wirtschaftspolitik: Umweltzerstörung
Aufgabe der Wirtschaftspolitik ist es nicht nur für Stabilität und Wachstum zu sorgen, sondern auch für eine gesunde Umwelt, die die Zukunft sichert. Deshalb ist es immer schwierig, wirtschaftliche und ökologische Interessen gegeneinander abzuwiegen.
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4. Phase: Vereinigungsboom und Vereinigungskrise in Deutschland
- Binnenmarkt und Integrationskrise in Europa (ab 1990) -
4.1 Die deutsche Vereinigung:
Wirtschaftliche Unterschiede zwischen der BRD und der DDR:
1) Produktions- und Leistungsniveau
- BRD technologisch hoch entwickelt
- DDR verpaßte Anfang der 80er Jahre den technologischen Anschluß
Investitionen in der DDR (zwischen 1971 - 1988):
- individueller Konsum: + 41 Mrd.
- gesellschaftlicher Konsum: + 68 Mrd.
- Dienstleistungen: + 35 Mrd.
- Modernisierungsinvest.: - 95 Mrd.
2) Steuerungsmechanismus
3) Außenwirtschaftliche Bindung:
- DDR: Mitglied im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (Zusammenschluß von
sozialistischen Staaten). Wirtschaft ist sehr stark vom Export nach Ost-
europa abhängig.
- BRD: Mitglied in der EU. Außenhandel aber mit allen anderen Ländern der
Welt. Auch stark Exportabhängig, aber differenzierter und nicht in dem
Maße wie die DDR.
Drei Maßnahmen zur wirtschaftlichen Integration der ehm. DDR in die BRD:
1) Währungsunion am 01.07.1990
2) schnelle Privatisierung des Produktionsapparats (abgewickelt durch "Treuhand")
Die Treuhandanstalt wurde bereits im März 1990 von der damaligen "Modrow-
Regierung" gegründet.
3) Abfederung der sozialen Probleme durch Transferleistungen von Westen nach Osten.
Aus der Wiedervereinigung resultierende Probleme für die Wirtschaft:
1) Nach der Einführung der Marktwirtschaft im Osten brachen wenig produktive also
nicht konkurrenzfähige Unternehmen schnell zusammen. Die Industrieproduktion
schrumpfte zwischen 1990 und 1992 auf 1/3 des Stands vor der Vereinigung zusam-
men.
2) Die rechtlichen Probleme um ungeklärte Eigentumsverhältnisse wurden unterschätzt.
Die von der Bundesregierung verfolgte Maxime: "Rückgabe vor Entschädigung"
brachte enorme Investitionshemmnisse mit sich. Trotzdem befinden sich heute ca.
90% des ostdeutschen Produktionspotentials in westlicher Hand.
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3) Ein weiterer wesentlicher Grund für die Krise in der ostdeutschen Wirtschaft war das
"Wegbrechen" des osteuropäischen Exportmarkts, weil in anderen ehemals sozialisti-
schen Ländern auch Reformen in Gange waren, die dort ebenfalls massive wirtschaft-
liche Probleme mit sich brachten
Anmerkung: Im Gefolge der deutschen Wiedervereinigung hat es in den westlichen
Bundesländern einen gewaltigen Konsumboom gegeben.
4.2 Europäische Integration
Stufen der Integration:
1) Freihandelszone: keine Zölle untereinander, aber eigenständige
Zollpolitik gegenüber Drittländern
2) Zollunion: keine Zölle untereinander und gemeinsame
Zollpolitik gegenüber Drittländern
3) Gemeinsamer Markt: Liberalisierung von Waren-, Dienstleistungs-,
Kapital- und Personenverkehr.
4) Wirtschaftsunion: Liberalisierung und gemeinsame Wirtschafts-
politik.
5) EWG
Intra-EWG-Handelsquote:
Diese Quote bezeichnet den Anteil des Gesamtaußenhandels aller EU-Ländern, der
durch gegenseitigen Importe und Exporte erreicht wird. Die Tendenz ist steigend, wenn
auch unregelmäßige Sprünge auftreten.
1958: 37%
1970: 50%
1980: 51%
1990: 65%
Fünf Konvergenzkriterien zum Beitritt zur Währungsunion:
Erst wenn ein Land diese fünf Kriterien erfüllt hat, die im "Maastricht-Vertrag" verein-
bart worden sind, kann es am Ende der 90er Jahre der Währungsunion beitreten. Heute
erfüllt nur Luxemburg alle diese Kriterien.
1) Preisstabilität (Preisniveau darf nicht über 3% des Durchschnitts der drei besten
liegen.)
2) Neuverschuldung (darf nicht > 3% des BSP sein)
3) Staatsverschuldung (muß < 60% des BSP sein)
4) langfristige Zinsen (dürfen nicht mehr als 2% über Durchschnitt der drei besten
liegen.)
5) langfristige Stabilität des Wechselkurses.
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Ergänzung zu: "Warum Wirtschaftspolitik gemacht wird.":
Die Wirtschaftspolitik eines Staates soll da eingreifen, wo der freie Markt nicht in der Lage ist, die Bedürfnisse der einzelnen Menschen zu befriedigen, bzw. dort wo der Markt zu "Ungerechtigkeiten" führt. Allgemein kann dieses Marktversagen für drei Punkt erklärt werden.
Marktversagen:
1) Markt kann keine öffentlichen Güter zur Verfügung stellen.
z.B. - Sicherheit (Bundeswehr, Polizei)
- Gesundheit
2) Externalitäten
negative: z.B. Kosten der Umweltzerstörung
positive: z.B. Schutz von schlecht patentierbaren Verfahren
3) unvollkommene Märkte
Der Staat wacht u.a. darüber, daß sich keine unerlaubten
Kartelle bilden können.
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