Der Autor:
Handke erlebte eine Kindheit in äußerst beengten Verhältnissen unweit der jugoslawisch-slowenischen Grenze; er besuchte die Dorfschule in Griffen (Kärnten), ein katholisches Internat in Tanzenberg und bis zum Abitur ein Gymnasium in Klagenfurt. Das Studium der Rechtswissenschaften in Graz brach er 1965 kurz vor dem Abschluß nach Annahme des Romanmanuskriptes Die Hornissen ab. Nach häufigem Wohnsitzwechsel (Graz, Düsseldorf, Frankfurt und USA) lebt er seit 1979 in Salzburg.
Personen:
Mutter
Vater (leiblicher Vater)
Stiefvater und Ehemann seiner Mutter
Bruder: Zimmermannmeister
Inhalt
Geboren wurde seine Mutter damals in üblich ärmlichen Verhältnissen. In Ihren Volksschuljahren wurde Sie von ihren Lehrern als sehr begabt eingestuft. Später wollte Sie sich auch weiterbilden, doch in dieser Zeit war dies für eine Frau fast bis nahezu unmöglich. Mit 15 Jahren ging Sie von Zuhause fort, um in einem Hotel als Köchin eine Lehre zu beginnen. Sie lebte sich in der Stadt schnell ein und später nahm Sie sogar eine Stelle im Ausland an (Zimmermädchen im Schwarzwald). In den Jahre des Anschlusses an das Hitlerdeutschland wurde Sie zu einer selbständigen Frau. Sie bekam ein selbstbewußteres Auftreten, und verlor auch Ihre Berührungsängste. So kam auch die erste Liebe mit einem Parteigenossen. Er war zivilberuflich ein Sparkassenangestellter und beim Heer war er ein Zahlmeister. Er brachte Sie auch in andere Umstände. Doch er war verheiratet, aber trotzdem war Sie in ihm verliebt. Kurz vor der Entbindung heiratete Sie einen Unteroffizier, dem es nichts ausmachte, daß das Kind nicht von ihm stammte. Sie liebte zwar den Unteroffizier nicht, aber man redete Ihr ein, daß es nicht gut sei in dieser Zeit eine Alleinerziehende Mutter zu sein. Sie lebte, bis die ersten Bomben auf Berlin fielen, bei den Eltern ihres Mannes. Später zog Sie wieder zurück nach Kärnten. Nach Kriegsende zog Sie mit ihrem Mann in Berlin zusammen. Sie entwickelte sich zu einer Dame, bekam ein noch eleganteres Auftreten als früher. In der eigenen Wohnung wurde Sie mehr und mehr unglücklich, denn Ihr Mann begann zu Trinken und wurde dabei auch gegen Sie gewalttätig. Draußen der Siegertyp, drinnen die schwächere Hälfte, der ewige Verlierer. Im Frühsommer 1948 verließ Sie mit ihrem Ehemann und mittlerweile 2 Kindern den Ostsektor, um zurück zu Ihrem Geburtsort nach Österreich zu fahren, wo ihr Mann einen Job als Zimmermann, bei Ihrem Bruder, annahm. Hier kam es zum Höhepunkt der Demütigung. Sie war bereits Mutter von 4 Kindern und Ihr Mann schlug Sie immer mehr. Sie mußte sehr oft zu Ihrem Bruder betteln gehen damit Ihr Mann die Stellung nicht verlor. In den Wirtshäusern versoff er den Großteil des Monatslohnes. Dadurch mußte die Familie in sehr großer Armut leben. Nachdem die ersten Haushaltsgeräte in die Haushalte ihren Einzug hielten, hatten die Frauen dadurch mehr Zeit sich Ihren eigenen Interessen zu widmen. Sie begann viele Bücher zu lesen. Von diesem Zeitpunkt an ging es mit Ihr aufwärts, Sie fing an, sich zu behaupten. Sie änderte die Einstellung zu vielen Dingen und als Sie wegen Krebsverdacht einige Tage im Krankenhaus verbringen mußte, bekam Sie sogar Mitleid mit Ihrem Ehemann, da er bestimmt nur kaltes Essen zu sich nehmen würde. Einer Ihrer Söhne fuhr ohne Führerschein das Auto kaputt und wurde dafür eingesperrt, Sie glaubte, daß Sie daran schuld wäre. Dies könnte auch ein Grund dafür sein, daß Sie später unausstehliche Kopfschmerzen bekam. Im Hochsommer fuhr Sie 4 Wochen nach Jugoslawien um Ihre Schmerzen zu linder bzw. zu heilen.
Als Sie sich entschlossen hatte den FREITOD zu wählen, schrieb Sie allen Angehörigen Abschiedsbriefe: z.B.: an Ihrem Mann, welcher zu dieser Zeit in einem Sanatorium verbrachte: "Du wirst es nicht verstehen, aber an ein Weiterleben ist nicht zu denken."
Danach fuhr Sie in die Landeshauptstadt, besorgte sich mit dem Dauerrezept, daß Ihr der Hausarzt verschrieben hatte, etwa hundert kleine Schlaftabletten, mit denen Sie sich dann auch vergiftete.
Besonders eindrucksvoll schildert Handke die sozialen Zwänge, denen seine Mutter (als Beispiel für viele ) ausgesetzt war.
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