Herzog Karl Eugen (1728-93) regierte seit 1745, damals noch minderjährig, sein Land selbständig.
»Der Hof eines Landes, das nicht mehr als 600000 Einwohner auf 155 Quadratmeilen zählte, wurde der prächtigste in Europa. Der Hofstaat umfaßte 2000 Personen, unter denen sich 169 Kammerherren von Adel nebst 20 Prinzen und Reichsgrafen befanden. Wenn der Herzog auf Reisen ging, und er reiste leidenschaftlich gern, so bestand sein Gefolge aus 700 Personen und 610 Pferden. Die Feste drängten sich, Bälle, Konzerte, Schlittenfahrten, Jagden, Feuerwerke reihten sich aneinander und zogen Vornehme in Scharen an. Manchmal hat der Herzog 300 Personen von Rang wochenlang unterhalten und mit den feinsten und teuersten Leckerbissen bewirtet. Einzelne dieser Veranstaltungen kosteten 3 bis 400000 Gulden, erhielten die Damen doch manchesmal dabei Geschenke im Werte von 50000 Talern. Ganz besonders berühmt waren die Feiern, mit denen der Herzog seinen Geburtstag beging. 1763 war in Ludwigsburg bei dieser Gelegenheit eine Orangerie errichtet worden, die tausend Fuß lang war, so daß die Orangen- und Zitronenbäume hohe, gewölbte Gänge bildeten. Als die Eingeladenen sich in ihnen dem Schloß nähern, befinden sie sich plötzlich in Wolken, die sich aber auf einen Wink des Herzogs teilen und den Olymp mit allen Göttern sehen lassen. Zeus befiehlt, den Palast der Pracht zu errichten, worauf auch die letzte Wolke verschwindet und man im mittleren Schloßhof den Palast erblickt, den goldene Säulen tragen und 200000 Kerzen und Lampen erleuchtend.«
Die Art und Weise, wie der Herzog seinem Land das Geld für sein aufwendiges Leben abpreßte, kannte Schiller teils aus eigener Erfahrung, teils durch die Tätigkeit seines Vaters, der seit 1775 Leiter der herzoglichen Hofgärtnerei auf dem Schloß Solitude war. Das letzte große Geldverschleudern des Herzogs erlebte Schiller vor seiner Flucht aus Stuttgart und vor der Niederschrift von »Louise Millerin« im Sommer 1782 anläßlich des Besuchs des Großfürsten Paul von Rußland, der seit 1776 mit der Prinzessin Sophia Dorothea von Württemberg verheiratet war. Die Theateraufführungen, Bälle und Jagdveranstaltungen, die der Herzog ausrichtete, kosteten Unsummen. Gotthilf Kleemann hat die entsprechenden Dokumente aus dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart (HStASt) und dem Staatsarchiv Ludwigsburg (StAL) aufgearbeitet und z. T. zusammengefaßt:
Gebersheim: Wegen dem von Tag zu Tag fürdauernden >Gejaid< und der dahin abzugebenden halben Jagensmannschaft und da auch die Maurer und ein Zimmermann bereits in herrschaftlicher Arbeit stehen, können bei der geringen Anzahl der Taglöhner keine Handfröner mehr auf die Solitude geschickt werden. - Warmbronn: Für die Solitude kann kein Mann gestellt werden, da bereits das Jagen rings um unsern Ort stehet und die ganze Bürgerschaft zum Verfeuern gebraucht wird. (Rings um alle Jagddistrikte mußten unter ungeheurem Holzverbrauch nächtliche Feuer unterhalten werden, um das Wild von dem Ausbrechen abzuschrecken.) - Gerlingen: Die Gemeinde kann vom 20. August an keine 25 Mann und 3 Truhenkästen je mit einem Pferd stellen, weil das Jagen im Gerlinger Wald stehet und alle Tage über 50 Mann gebraucht werden, auch alle Tage viel Pferde, um die Zeugwagen zu führen. Bisher schon über 80 Pferd gebraucht, teils zum Holzführen für das Verfeuern. (Die Gemeinde mußte trotzdem täglich 12-20 Mann zu Arbeiten am Bärensee hergeben.) Wegen vielem Feldgeschäft suchen die Bauern nach Buben zur Aushilfe, anstatt 6 Kreuzer muß man für diese 18 bis 20 Kreuzer geben und noch Brot und Trinken zur Belohnung. -
HStASt, A 572, Bü. 100. [. . .]
Vor Ankunft der Hohen Russischen Herrschaften haben viele Handwerksleute als Hofdreher, Hofflaschner, Vergolder, Stukkators u. dgl. auf der Solitude gearbeitet, dort im Wirtshaus keine Unterkunft gefunden. Damit aber doch nach höchster Intention Serenissimi noch alles repariert und ausgeführt werden konnte, mußten dergleichen Arbeiter über Nacht behalten werden, weilen sonsten durch das Hin- und Herlaufen nach Stuttgart wenigstens 3-4 Stunden des Tags sie an der Arbeit versäumt hätten. Es mußte noch vor solcher Hoher Ankunft in vielen Zimmern, worinnen Handwerksleute geschafft, die Trumeaux, Malereien, Tapeten u. dgl. mit Lailacher (Leintücher) überdeckt werden. - Bei der Solituder Hausschneiderei mußten Domestiquen eingestellt werden. -
StAL, A 27, 1. [. . .]
Hier sei eine von Pfarrer Flattich (Münchingen) überlieferte Geschichte eingefügt, die jene üppig besetzten Festwochen trefflich charakterisiert. Auf einem Spaziergang traf Großfürst Paul einen biederen Mann aus dem Volk und fragte ihn, ob er auch begierig sei, den Großfürsten zu sehen? Der Angeredete sprach: Ich brauche den hohen Herrn nicht persönlich zu sehen, denn ich weiß im voraus, daß ich ihn 10 Jahre lang in meinem Steuerzettel sehen werde. Diese offenherzige Antwort belohnte der Großfürst mit einem Goldstück.«
Während eines großen Feuerwerks für die russischen Gäste auf der Solitude verließen Schiller und Streicher am Abend des 22. September 1782 Stuttgart. Wenn es um das Geld für ihre aufwendige Hofhaltung ging, waren viele deutsche Fürsten nicht wählerisch. Eine Möglichkeit zur Geldbeschaffung sahen sie in der Vermietung oder dem Verkauf von Soldaten an ausländische Herrscher. Diese Praxis begann während des Siebenjährigen Krieges (1756-63) und fand ihre Fortsetzung während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges (1775-83). Auch Herzog Karl Eugen von Württemberg suchte sich diese Geldquelle zu erschließen. Der schwäbische Dichter und Journalist Christian Friedrich Daniel Schubart (1739-1791), der wegen seiner Kritik am Herzog von 1777 bis 1787 auf dem Hohen Asperg eingekerkert war, schrieb in der von ihm herausgegebenen »Teutschen Chronik« am 25. März 1776:
»Hier ist eine Probe der neuesten Menschenschatzung! - Der Landgraf von Hessenkassel bekommt jährlich 450000. Thaler für
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