In Gerhart Hauptmanns Stück der "Biberpelz" stechen zwei, damals aktuelle Themen hervor. Zum einen die Armut des Proletariats, also des Arbeitervolks und die Verfolgung der Sozialdemokraten.
Der Konflikt zwischen Dr. Fleischer und dem Amtsvorsteher Wehrhahn spielt hierbei die entscheidende Rolle. Dank, der Anstrengung des Barons, den mutmaßlichen Sozialdemokraten vor Gericht zu bringen, wird das eigentliche Verbrechen, nämlich der Diebstahl des Pelzes nicht aufgeklärt. Der Biberpelz hat hierbei zwei übertragene Bedeutungen, zum einen spiegelt er einen gewissen, für das Arbeitervolk kaum erreichbaren, Wohlstand wider, zum anderen ist er in der Diebeskomödie das Zeichen für ein Verbrechen.
Ein in diesem Fall harmloser Diebstahl, der aufgrund der Verbissenheit des Amtvorstehers gegen politische Feinde, nie aufgeklärt wird.
Doch statt eines Diebstahls hätte es wohl auch ein Mord sein können, der wegen anderweitigen Interesse Wehrhahns, nicht aufgeklärt worden wäre.
Hauptmann will mit diesem Konflikt nicht nur diesen einzigen Fall darstellen sondern, die allgemeine Lage, die nach der Einführung des Soziallistengesetzes 1878 in Deutschland herrschte.
Aber Gerhart Hauptmann wollte nicht nur dieses Problem ansprechen, sondern auch die Armut des Arbeitervolkes, und somit des größten Teil der deutschen Bevölkerung.
Für diese war ein einfacher Biberpelz ein Symbol von Reichtum und Luxus. Der Preis eines Pelzes war oft höher als der Einrichtungswert einer kompletten Arbeiterhütte. Dies zeigt die stark unterschiedlichen sozialen Schichten der damaligen Zeit. Die einen konnten sich selbst als Rentner noch einen solchen Luxusartikel leisten, die anderen hätten ihr halbes Leben für einen solchen Pelz arbeiten und sparen müssen.
Leseauszüge
"FRAU WOLFF: Lußt's gutt sein! Lußt's gutt sein! Das Reh wird'n mer los, da warten mer noch nich bis morgen frieh.
WULKOW: Na, wenn et man keener hängen sieht. Det is nich mit Jelde abzumachen.
FRAU WOLFF: Das Reh hier, das hab mir verendet gefunden.
WULKOW: Ja, in de Schlinge, det will ick jlooben!
FRAU WOLFF: Kummt bloß nich uff die Art! Da habt Ihr kee Glicke! Ma soll Euch woll all's in a Rachen schmeißen? Ma schind't sich, bis ma keen Oden mehr hat. Stundenlang muß ma baden im Schnee, geschweige was ma dabei riskiert, im Schtockbrandfinstern. Das is kee Spaß.
WULKOW: Ick hebbe man schon Stücker viere zu liejen. Sonst wollt' ick ja sachen funfzehn Mark.
FRAU WOLFF: Nee, Wulkow, heute is kee Geschäft mit uns. Da geht ock ruhig a Häusel weiter, mir hab'n uns geschind't hier ieber a See. ee Haar, da saß mer noch fest im Eise. Mir konnten nich vorwärts und nich rickwärts. Aso was kann ma zuletzt nich wegschenken.-
WULKOW: Na, hebb' ick nu etwa jroß wat davon? Det Schiffwerken is ´n jezwungenes Werk! Un Paschen, det is `n schlechtet Jeschäft. Wenn ihr all rinfallt, denn flieg' ick schon längst rin. Bei Jahre vierzig plag' ick mir nu. Wat hebb' ick heute? ´t Reißen hebb ick. Wenn ick det Morjens früh uffsteh', denn muß ick schriegen wie'n junger Hund. Ick will mir schon viele Jahre ´n Pelz koofen, det hebben mir alle Doktors jeraten, weil de tick so leidenschaftlich bin. Ick hebb' mir noch keen könn koffen, Wolffen. Bis heute noch nich, so wah, wie ick hier steh'!
ADELHEID, zur Mutter: Haste von Leontine jehört?
WULKOW: Na, will ick man sagen: sechzehn Mark!
FRAU WOLFF: Ne is nich! Achtzehn! Zu Adelheid: Wat redst'n da wieder?
ADELHEID: Frau Krüger hat doch ´n Pelz jekauft, der hat bei fünfhundert Mark jekost't. ´n Biberpelz.
WULKOW; ´n Biberpelz?
FRAU WOFF: Wer hat'n gekooft?
ADELHEID: Nu Frau Krüger doch, für Herr Krüger zu Weihnachten.
WULKOW: Det Mächen is woll bei Krüger in Dienst?
ADELHEID: Ick nich. Meine Schwester. Ick jeh' überhaupt nich bei Leute in Dienst.
WULKOW: Ja, wenn ick nu so wat mal hebben könnte. Um so wat erwerb' ick mir schon lange. Da jeb' ick ooch sechzig Daler für. Doktor- und Apotherkerjeld, det jeb' ick doch lieber für Pelzwerk aus. Da hebb' ick ooch noch ,n Verjnüjen all.
FRAU WOLFF: Ihr braucht ja bloß amal hingehn, Wulkow, zu Kriegern rieber. Vielleicht schenkt a'n weg.
WULKOW: Nee, jutwillig nich. Aber wie jesacht: fer so war verinteressier' ick mir sehr." S.17-18
"GLASENAPP kommt eilig herein, etwa in der Weise des Amtsvorstehers. Fragt Wulkow von oben herab: Was haben Sie denn?
WEHRHAHN, noch außen: Was willst du denn, Mädchen? Du kommst zu mir? Man also rein. Wehrhahn lässt Adelheid vor sich eintreten und folgt nach. Viel Zeit hab' ich heute nicht. Ach so, du bist wohl die kleine Wolff? Na setz dich mal hin. Was hast du denn da?
ADELHEID: Ick hab´ das Paket.
WEHRHAHN: Na wart erst mal. Zu Wulkow: Was haben Sie denn?
WULKOW: Eine Jeburt möchte' ick anmelden.
WEHRHAHN: Also standesamtlich. Die Bücher, Glasenapp. Das heißt, ich will erst das andere erledigen. Zu Frau Wolff: Was gibt es denn da mit Ihrer Tochter? Hat Krüger sie wieder mal geohrfeigt?
FRAU WOLFF: Nee, soweit hat a's woll doch nich getrieben.
WEHRHAHN: Was ist denn dann los?
FRAU WOLFF: Halt mit den Paket.
WEHRHAHN, zu Glasenapp: Ist Motes noch immer nicht dagewesen?
GLASENAPP: Bis jetzt noch nicht.
WEHRHAHN: Mir unbegreiflich! Na, Mädchen, was willst du?
GLASENAPP: Es betrifft den gestohlenen Pelz, Herr Vorsteher.
WEHRHAHN: Ach so. Das ist mir heute nicht möglich. Wer kann denn alles auf einmal tun!
Zu Frau Wolff: Sie kann sich mal morgen bei mir melden." 18
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