"Wenn du's willst, so geh. Ich weiß, dein Gang ist sinnlos". Diese Aussage trifft Ismene in Sophokles' Antigone, als diese ihr von ihrem Plan berichtet. Das wirft natürlich die Frage auf, ob Ismene recht hat, das heißt, ob Antigones Tat wirklich sinnlos ist.
In dieser Szene kann man wirklich über die Richtigkeit ihrer Aussage streiten, denn es kommt darauf an, aus welcher Sicht man es sieht.
Man kann das Ganze aus Antigones Sicht sehen. Sie und ihre Taten werden während des ganzen Stückes von den Gefühlen für ihren Bruder beeinflußt. Schließlich ist es einer ihrer Brüder, der anstatt begraben zu werden, im Bauch eines wilden Tieres landen soll, und danach, laut griechischem Glauben, ruhelos auf der Erde herumirren soll. Das möchte Antigone natürlich verhindern und so begräbt sie ihren Bruder selbst auf die Gefahr hin, daß ihr das gleiche passiert. Für sie ist es auch nicht das Ergebnis, das wirklich entscheidend ist, sondern der bloße Versuch. Denn wie könnte sie weiterleben, mit der Gewißheit, daß ihr Bruder wie ein totes Tier in der Wüste liegt, und sie, seine eigene Schwester, die für ein Begräbnis hätte Sorgen können hat ihn einfach liegen lassen. Dies zu akzeptieren wäre für Antigone sicher schwer gewesen, und sie hätte nur mit schweren Gewissen, wenn überhaupt weiterleben können. Jedoch darf man auf keinen Fall vergessen, daß sich bei Sophokles' Antigone nicht im klaren darüber, daß ihre Tat den Tod zur Folge haben könnte.
Man kann das Ganze aber auch objektiv betrachten. Antigone riskiert ihr Leben für ihren bereits Toten Bruder um diesen zu begraben, da es in der Antike als entsetzlich galt, nicht begraben zu werden. Sie macht dies öffentlich, weshalb auch alle sehen, daß es jemand gewagt hat dem Befehl des Königs zuwider zu handeln. Das wiederum hat zur Folge, daß der Bruder wieder von der ihn bedeckenden Erde befreit wird. Bei der Wiederholung ihrer Tat wird Antigone entdeckt, und gefangengenomen. In der Folge kann sie ihrem Schicksal nicht entrinnen und wird lebendig eingemauert. Da kommt auch jede Einsicht des Kreon zu spät und Antigone stirbt.
Aus dieser, Ismenes, Sicht aus gesehen, ist Antigones Tat eindeutig sinnlos. Da ihr Bruder letzendlich doch nicht begraben worden ist und sie gestorben ist. Zusätzlich hat sie auch das Leben Kreons zerstört, da nun sowohl sein Sohn als auch seine Frau gestorben sind und er nun alleine ist.
So kann man sicher sagen, daß sich die Frage über Recht und Unrecht gar nicht so leicht beantworten läßt. Denn, wer kann schon sagen, daß Antigones Gang wirklich sinnlos war? Zwar hat am Ende nicht viel für sie herrausgeschaut, doch für sie selbst ist es sicher nicht sinnlos gewesen.
Antigone geht aber meiner Meinung nach zu rücksichtslos mit sich und ihrem Umfeld um. Ihre Tat war zwar auf dem ersten Blick sehr mutig doch genauer betrachtet muß man beinahe zu der Erkenntnis kommen, daß sie Wahnsinn ist. Deshalb denke ich, daß Ismene recht hat. Denn hat Antigones Tat nur negative Folgen und damit ist weder ihr noch ihrem toten Bruder geholfen war.
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