Trotzkij, Lew Dawidowitsch, eigentlich Leib Bronschtein, (1879-1940), russischer Revolutionär und sozialistischer Theoretiker, Begründer des Trotzkismus; bis zu seiner Entmachtung durch Jossif Stalin eine der führenden Persönlichkeiten der Sowjetunion. Er wurde am 7. November 1879 in Janowka (Provinz Cherson) geboren; seine Eltern waren ukrainische Juden.
Politische Anfänge
Trotzkij stand politisch zunächst populistischen Ideen nahe, wurde aber bald ein überzeugter Marxist. 1897 gründete er den revolutionären "Südrussischen Arbeiterbund", wurde 1898 verhaftet und 1899 zur Verbannung nach Sibirien verurteilt.
1902 gelang ihm die Flucht nach Westeuropa; hier legte er sich das Pseudonym "Trotzkij" zu und schloss sich Lenin, L. Martow, Georgij Plechanow und anderen russischen Sozialdemokraten an, die im Exil die Zeitung Iskra ("Der Funke") herausgaben. Als Redakteur dieses Organs von 1902 bis 1904 gewann Trotzkij rasch Einfluss in der russischen Sozialdemokratie.
Nach der Spaltung der russischen Sozialdemokratie 1903 tendierte Trotzkij zu den Menschewiki ("Minderheitler"), wollte aber trotz seines persönlichen Konflikts mit Lenin, der aus ihren unvereinbaren Standpunkten zu Parteistatut und Personalfragen entstanden war, einen Ausgleich zwischen Menschewiki und Bolschewiki zu vermitteln. 1905 nahm Trotzkij als einziger der prominenten russischen Sozialdemokraten aktiv an der Februarrevolution 1905 teil und war von Oktober bis Dezember 1905 Vorsitzender des Petersburger Sowjets. Im Dezember 1905 wurde er erneut verhaftet und nach Sibirien verbannt; 1907 floh er ein zweites Mal ins Ausland. Die politischen Thesen dieser Phase legte er in den Schriften 1905 nieder.
Revolution
Im folgenden Jahrzehnt lebte Trotzkij als Publizist in Wien, wo er 1908 die Herausgabe des späteren Parteiorgans Prawda übernahm, in Paris und schließlich, ab 1916, in den USA. Die Februarrevolution von 1917 überraschte ihn in New York; im Mai 1917 kam er nach Russland zurück und schloss sich im Juli den Bolschewiki an; Lenin hatte er sich bereits zu Beginn des 1. Weltkrieges wieder angenähert. Aufgrund seiner rhetorischen und agitatorischen Fähigkeiten stieg Trotzkij schnell in die Führungsriege der Bolschewiki auf: Im September war er bereits Mitglied des Zentralkomitees und im Oktober Mitglied des Politbüros. Es war weitgehend Trotzkijs Verdienst, dass die Bolschewiki nach den Wahlen im September die Mehrheit im Petrograder Sowjet errangen.
Seite 1 von 4
Trotzkij stimmte mit Lenin darin überein, dass die seit der Abdankung des Zaren bestehende Provisorische Regierung unter Kerenskij gestürzt werden müsse. Er übernahm die Führung des neu gebildeten "Militärrevolutionären Komitees" und organisierte den Aufstand vom 25. Oktober 1917, den Sturz der Regierung Kerenskij.
In dem unmittelbar danach errichteten Rat der Volkskommissare unter der Führung Lenins übernahm Trotzkij am 27 Oktober 1917 das Volkskommissariat für Äußeres. Ab Ende Dezember 1917 leitete er die russische Delegation bei den Friedensverhandlungen mit den Mittelmächten in Brest-Litowsk. Nach dem Motto "weder Krieg noch Frieden" lehnte er die Bedingungen der Mittelmächte ab und zögerte die Verhandlungen hinaus - in der Hoffnung, dass bei Weiterbestehen des Kriegszustandes die Revolution auf Grund der Kriegsmüdigkeit der Bevölkerungsmehrheit auch auf Deutschland und Österreich übergreifen würde. Mit seiner Verzögerungstaktik geriet Trotzkij jedoch in Gegensatz zu Lenin und der Mehrheit der friedensbereiten Bolschewiki; er trat daher noch vor Abschluss des Friedensvertrages am 3. März 1918 von seinem Amt als Außenkommissar zurück. Noch im März 1918 wurde Trotzkij zum Volkskommissar für das Kriegswesen ernannt; in dieser Funktion baute er die Rote Armee auf und führte sie als Oberbefehlshaber zum Sieg im Bürgerkrieg (1918-1922).
Machtkampf und Exil
Trotzkij hatte sich im Politbüro als zweiter Mann hinter Lenin etabliert. Nach Lenins Tod 1924 eskalierte der latente Konflikt mit Stalin in einem offenen Machtkampf um die Nachfolge Lenins bzw. die Richtung der sowjetischen Politik. Trotzkij vertrat entsprechend seiner Theorie von der "permanenten Revolution" die Ansicht, dass die Revolution zum Untergang verurteilt sei, wenn sie nicht auch auf andere Länder übergriffe, zur Weltrevolution würde, und übte damit deutliche Kritik an Stalin, der den "Aufbau des Sozialismus in einem Lande" propagierte; zudem beobachtete Trotzkij die ständig wachsende Macht Stalins, der seit 1922 Generalsekretär im Zentralkomitee war, mit zunehmendem Misstrauen. Zusammen mit Sinowjew und Kamenew - die er später selbst ausschaltete - entmachtete Stalin nach und nach Trotzkij: 1925 wurde er als Kriegskommissar abgesetzt, 1926 aus dem Politbüro und 1927 auf dem XV. Parteitag aus der KPdSU ausgeschlossen. 1928 wurde er nach Kasachstan verbannt und 1929 aus der Sowjetunion ausgewiesen.
Vom Exil in Frankreich und Mexiko aus setzte Trotzkij den Kampf gegen Stalin, in dem er den Verräter an der Revolution sah, engagiert aber erfolglos fort, u. a. mit einer Flut von Veröffentlichungen, darunter die Schrift "Die permanente Revolution" (1930), in der er seine These von der notwendigen Weltrevolution ausarbeitete, die Autobiographie "Mein Leben" (1930) und die "Geschichte der Russischen Revolution" (3 Bde., 1931-1933). 1938 regte Trotzkij seine Anhänger zur Gründung der IV. Internationale an. Am 21. August 1940 erlag Trotzkij in Coyoacán (Mexiko) den Verletzungen, die ihm ein Agent der sowjetischen Geheimpolizei am Tag zuvor beigebracht hatte
Seite 2 von 4
Trotzkismus, politische Doktrin und Bewegung, die auf Lew D. Trotzkij zurückgeht, der einer der führenden Protagonisten der Russischen Revolution und des Russischen Bürgerkrieges war.
Trotzkisten verstanden sich als Vertreter des authentischen Marxismus-Leninismus, den sie gegen den Verrat des Stalinismus verteidigten. Kern des Trotzkismus war die Doktrin der "permanenten Revolution" und das Beharren auf einer proletarisch-internationalistischen Strategie, nach der sich das Proletariat nach seinem Sieg in Russland auf die Revolution in anderen Ländern konzentrieren sollte, da der Sozialismus nicht in einem Land allein aufgebaut werden könne.
Nach dem 2. Weltkrieg war die trotzkistische Bewegung von Zersplitterung, Flügelkämpfen und ausufernden Grundsatzdiskussionen gekennzeichnet. Da keine der trotzkistischen Gruppen eine bedeutende Unterstützung durch die Arbeiterklasse erlangen konnte, forderten einige die heimliche Unterwanderung etablierter sozialistischer Parteien. Die Bewegung lebte Ende der sechziger Jahre in Westeuropa und einigen Teilen Lateinamerikas wieder auf. Sie hatte jedoch immer nur wenige Anhänger.
Seit den dreißiger Jahren stellte für linke Gruppierungen in Europa der Trotzkismus eine wichtige marxistisch-leninistische Alternative zum Stalinismus dar.
Seite 3 von 4
Trotzkisten verurteilten die stalinistischen "Säuberungen" der dreißiger Jahre, die Bürokratisierung des Sowjetstaates und seine Herrschaft durch die KPdSU über die kommunistischen Parteien in den Bruderstaaten.
Nach dem 2. Weltkrieg war die trotzkistische Bewegung von Zersplitterung und Flügelkämpfen gekennzeichnet. Da keine der trotzkistischen Gruppen eine bedeutende Unterstützung durch die Arbeiterklasse erfuhr, wurde eine Unterwanderung der etablierten sozialistischen Parteien versucht. Die Bewegung bzw. trotzkistische Ideen lebten Ende der sechziger Jahre in Westeuropa und einigen Teilen Lateinamerikas wieder auf. Dieser neue Trotzkismus hatte aber nur noch wenige Anhänger.
Chronologie Trotzkis während der Oktoberrevolution:
1917: Jänner: Ankunft in New York.
März: Erste Nachricht vom Umsturz in St. Petersburg. Trotzki trifft sofort Vorbereitungen für die Heimreise.
17.April: Einschiffung in Petrograd.
24. Mai: Begegnung mit Lenin
25. Juli: Trotzki wird festgenommen. Tritt vom Gefängnis aus den Bolschewiki bei. Organisiert vom Gefängnis aus Aufstände.
17. September: Freigelassen. Baut sich mit der Roten Garde eine zuverlässige Truppe auf.
6. Oktober: Vorsitzender des Sowjets.
29. Oktober: Die Regimenter der Garnisonen gehorchen nur Trotzki.
6./7. November: Staatsstreich. Nur acht Tote.
7. November: Sturm auf das Winterpalais.
8. November: Trotzki wird Volkskommissar für Äußeres.
9. November: Gewinnt die von Kerenski( Präsident der provisorischen Regierung) angeführten Truppen ohne Kampf für sich. Trotzki beginnt Geheimverträge zu veröffentlichen, aus denen hervorgeht das Rußland den Krieg erklärte, um Galizien und Konstantinopel zu erobern.
Dezember: Führer der russ. Delegation zu den beginnenden Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk.
1918: Mitte März: Trotzki Präsident des Obersten Kriegsrates( Oberbefehlshaber der Roten Armee). Trotzki bereitet Prozess gegen Nikolaus II. vor.
Anfang September: Trotzki besiegt revolutionierende Truppen in Rußland.
Oktober: Erste Angriffe Stalins gegen Trotzki in der Öffentlichkeit. Beginn der Auseinandersetzung mit Stalin.
|