Biographie
Stefan Zweig wurde am 28. 11. 1881 als zweiter Sohn des böhmischen Textilfabrikanten Moritz und der italienischen Bankierstochter Ida Zweig in Wien geboren und wuchs im wohlhabenden, jüdischen Bürgertum auf, in dem er von materiellen Dingen völlig unabhängig blieb. Gouvernante und Kindermädchen kümmerten sich um die Kinder und es wurde großen Wert auf gute Manieren gelegt.
Sein Interesse an der Literatur und vor allem an zeitgenössischen Autoren entwickelte sich durch die Unterbeschäftigung im Wiener Wasa-Gymnasium. Dort lernte er vor allem alte Sprachen, Geometrie und Physik. In Privatstunden lernte er Französisch, Englisch, Italienisch und Musik. Er beklagte später in seiner Biographie die Kälte und Unpersönlichkeit der Lehrer und die Jugendfeindlichkeit des Schulwesens. Es gab keine persönliche Beziehung zwischen Lehrern und Schülern und niemanden interessierte das Wohlbefinden der Schüler. Das die Schulzeit für Stefan Zweig nicht nur aus Langeweile bestand, verdankte er den Theatern, Museen und anderen künstlerischen Orten in Wien. Wie in einem Fieber jagten die Jugendlichen dieser Zeit allem Neuen hinterher, wobei ihre beste Bildungsstätte das Kaffeehaus war, wo die wichtigsten Zeitungen (auch ausländische) auflagen.
Schon während seiner Schulzeit begann Zweig Gedichte und Erzählungen zu schreiben, wovon ein Teil auch in Zeitungen abgedruckt wurde. Nachdem einige seiner Arbeiten im Feuilleton der wichtigsten Wiener Zeitung "Neuen Freien Presse" erschienen waren, äußerte er den Wunsch Schriftsteller zu werden. Da sein älterer Bruder Alfred als Nachfolger seines Vaters für die Textilfabrik bestimmt war, ließ man Stefan bei seiner Berufswahl alle Freiheiten und sie stimmten seinem Wunsch zu. Die einzige Bedingung war, dass er einen akademischen Titel erlangen sollte. So schrieb er sich 1900 an der Universität Wien für Philosophie und Literaturwissenschaften ein, jedoch mit dem Vorsatz die ersten drei Jahre seine neu gewonnene Freiheit zu genießen und erst im vierten Jahr den gesamten Lehrstoff aufzuholen und sein Studium abzuschließen. 1902 wechselte er ein Semester an die Universität Berlin, aber nicht um zu studieren, sondern um sich aus dem jüdisch-bürgerlichen Milieu, an das er in Wien sehr stark gebunden war, zu lösen.
Kurze Zeit später erschien seine erste Buchveröffentlichung, das Gedichtband "Silberne Saiten", das vor allem Gedichte, die in seiner Gymnasiumszeit entstanden, enthielt. 1906 erschien sein zweites Gedichtband "die frühen Kränze", dessen Gedichte an die Werke von Goethe, Heine und Rilke erinnerten. Nach dem erscheinen galt er als hoffnungsvolles lyrisches Talent, er selbst sah seine Werke jedoch kritisch.
Unzufrieden mit seinen bisherigen literarischen Leistungen und auf der Suche nach seinem eigenem Stil, begann er Texte aus anderen Sprachen - er beherrschte englisch und französisch - ins Deutsche zu übersetzten, besonders Werke des belgischen Autors Emile Verhaeren, bei dem er einige Sommerurlaube verbrachte und mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband.
1902 kehrte er nach Wien zurück, um sein Studium abzuschließen und seinen Doktor zu machen, wie er es seinen Eltern versprochen hatte. 1904 schloss er sein Studium mit einem Doktortitel in Philosophie ab, jedoch haben seine Professoren es ihm leicht gemacht, da sie seine schriftstellerische Tätigkeit sehr schätzten und ihn nicht mit "Kleinkram" belästigen wollten. In den folgenden Jahren unternahm Zweig viele Reisen. Er reiste nach Paris London, Spanien und Nordafrika.
1906 reiste er nach London, er fand dort jedoch wenig gesellschaftlichen Kontakt, was an seinem eher schlechten Englisch lag.
Stefan Zweig war immer weltpolitisch eingestellt, obwohl er sich nur ungern aktiv beteiligte und lieber als stiller Beobachter im Hintergrund blieb. Sein Traum war ein Kultureuropa ohne Grenzen, wobei er aber trotzdem Wien als Mittelpunkt kulturellen Geschehens ansah und sich selber als "Österreicher, als Jude, als Schriftsteller, als Humanist und Pazifist" bezeichnete. Erst 1907 mietete er sich seine erste eigene Wohnung in Wien.
In den folgenden Jahren versuchte er sich vor allem im Schreiben von Theaterstücken, wobei aber keines ein wirklicher Erfolg wurde, was jedoch auch daran liegen könnte, dass jeweils kurz vor der Premiere die Hauptdarsteller von zwei seiner Stücke starben. Auf Dauer hätten sich diese Stücke wahrscheinlich nicht behaupten können, da Zweig kein origineller Schreiber war.
Im November 1908 begann er eine fünfmonatige Reise nach Indien. Sein Erschrecken über das dort herrschende Elend, die starre Einteilung in Klassen und die verheerenden Auswirkungen des Imperialismus war groß. Drei Jahre später reiste er nach Amerika, wo er einerseits die Toleranz der Amerikaner bewunderte, jedoch andererseits von dem Mangel an Kultur und an Geschichte nicht sehr angetan war.
1912 reiste er zurück nach Wien und lernte dort die geschiedene Friderike Maria von Winternitz und deren zwei Töchter, Alix Elisabeth und Susanna Benedictine, kennen. Sie stammte aus einer jüdischen Familie, die zum Katholizismus konvergiert war. Zweig heiratete sie aber erst acht Jahre später, da eine Wiederverheiratung nach österreichischem Recht damals nicht möglich war. Allgemein ist zu sagen, dass Stefan Zweig ein ausgesprochener Freund der Frauen war und auf seinen vielen Reisen zahlreiche Affären hatte. 1914 reiste er nach Belgien, um mit Verhaeren die Sommermonate zu verbringen. Wegen dem Ausbruch des 1. Weltkrieges reiste er jedoch überstürzt wieder nach Wien ab.
Obwohl Zweig ein Pazifist war, fiel er zu Beginn des 1. Weltkrieges in die allgemeine Kriegseuphorie ein. In einem Brief, welcher im Berliner Tageblatt veröffentlicht wurde, verabschiedet er sich von seinen europäischen Freunden und erinnerte sie an die zusammen verbrachten Stunden. Dann fährt er fort: "Das ist nun vorbei, ihr Lieben, vorbei, so lange Brüder meiner Sprache und der euren in Waffen sind und es jene Gemeinsamkeiten gilt, deren Gewalt erst die Gefahr uns offenbart... ich bin in diesen Tagen nicht der Gleiche, der mit euch saß, mein Wesen ist gleichsam umgewandt und das, was in mir deutsch ist, überflutet mein ganzes Empfinden. ich finde den Willen nicht mehr, gerecht zu sein. Heute ist das Maß verwandelt und jeder Mensch nur wahr durch Gemeinsamkeit mit seiner Nation."[1]
Um den Gefahren und Strapazen an der Front aus dem Weg zu gehen ließ er sich mit Hilfe eines Bekannten eine Aufgabe im Wiener Kriegsarchiv zuteilen. Dort traf er weitere Literaten wie Alfred Polger, Siegfried Trebitsch und auch Rilke. Da er nur sechs Stunden arbeiten musste, konnte er weiterhin literarisch tätig sein. 1915 bekam er einen Sonderauftrag in Galizien. Er sah zum ersten Mal die zerstörerischen Ausmaße des Krieges mit eigenen Augen. Zurück blieben einige traumatische Erfahrungen mit Schwerverwundeten. Offiziell blieb Zweig jedoch auf der Propagandalinie. Durch diese Traumatische Erfahrung erkannte er jedoch die Sinnlosigkeit des ewigen Kampfes. Einige Eintragungen in sein Tagebuch zeigen wie klar er die politische Lage beurteilte. Er hasste den Krieg, glaubte nicht an den Sieg der Mittelmächte, beklagte die Unfreiheit in Österreich, kritisierte die Diplomaten, die seiner Meinung nach Europa zerstörten, die Uneinsichtigkeit der monarchischen Kreise und die verbohrten deutschen Politiker, die jede Gebietsabtretung strikt ablehnten.
Spätestens nach dieser Galizien Reise sah sich Zweig verpflichtet sich mit seinen Waffen, die ihm zur Verfügung standen, für den Frieden und für die Versöhnung einzusetzen. Konkret entstand 1917 das Drama "Jeremias", von dem er selber sagte, dass dies sein erstes Werk, "das ich von meinen Büchern vor mir selbst gelten ließ", war. Da es jedoch unmöglich war dieses Antikriegswerk in Deutschland oder Österreich zu dieser Zeit aufzuführen, wandte er sich an das Züricher Stadttheater, welches sich bereit erklärte, das Drama aufzuführen. 1917 verließ Zweig zusammen mit Friderike Österreich um an der Premiere in Zürich teilzunehmen. Dort fühlten sie sich sehr wohl, da man seine Meinung frei äußern konnte und die Zeitungen unzensiert waren. In der Schweiz traf er auch den französischen Schriftsteller Romain Rolland, welcher Zweig durch die Erinnerung an die gemeinsamen europäischen Werte die Augen über den Krieg öffnete.
Zweig kehrte mit Friderike erst 1919 nach Österreich in ihr Haus am Kapuzinerberg (Salzburg), das sie noch während des Krieges gekauft hatten, zurück. Dies war ein prächtiges Schloss eines Erzherzogs gewesen, in dem sie die nächsten 15 Jahre wohnten.
Zweigs große Leidenschaft war seine Autographensammlung, die Handschriften vieler berühmter Schriftsteller und Musiker (von Goethe bis Mozart) enthielt. In der folgenden Zeit beschäftigte er sich viel mit den Leben verschiedener Künstler und brachte einige Biographien, die unter dem Titel "Baumeister der Welt" erschienen, heraus. Darunter waren: Dickens, Dostojevskij, Kleist, Tolstoi, Nietzsche und viele andere.
In der Zwischenkriegszeit entstanden auch bekannte Novellen Zweigs, deren Hauptfiguren einer dominierenden Kraft, die allmählich ihr ganzes Fühlen, Handeln und Denken bestimmt, unterworfen sind. In "Sternstunden der Menschheit - Zwölf historische Miniaturen" - neben der "Schachnovelle" das wohl berühmteste Werk Zweigs - stehen prominente bzw. historisch wichtige Personen im Mittelpunkt, deren Handlungen weitreichende Folgen auf ihr weiteres Leben hatten.
Nach unzähligen Vortragsreisen in ganz Europa brach Zweig 1928 zur Hundertjahrfeier Tolstois nach Russland auf, von wo er mit widersprüchlichen Eindrücken zurückkehrt. Einerseits begeisterte ihn die Aufbruchsstimmung und Gastfreundschaft der Menschen, andererseits beanstandete er die Überorganisation und den Leerlauf der Bürokratie.
Als 1930 die Nationalsozialisten die zweitgrößte politische Kraft wurden, sah Zweig darin keine große Bedrohung. Er bezeichnete dies als "vielleicht unkluge, aber im innersten natürliche und durchaus bejahende Revolte der Jugend gegen die Hohe Politik", weshalb er - besonders von Klaus Mann- stark kritisiert wurde. Den Ernst der Lage erkannte er erst, als es zu antisemitischen Ausschreitungen kam, bezog jedoch nicht öffentlich Stellung dagegen. Die einzige Antwort auf den Faschismus war seiner Meinung nach die Literarische Leistung.
Ab 1933 entwickelte sich die Lage in Deutschland, aber auch in Österreich, immer kritischer. Seine Werke wurden von den Nationalsozialisten verbrannt und bisherige Freunde und Schriftstellerkollegen beschimpften ihn als "Kollaborateur der Nazis". Als ein Jahr später nach Kämpfen in Wien zwischen der Heimwehr und den Sozialisten sein Haus am Kapuzinerberg nach Waffen durchsucht wurde, war er so entsetzt, dass er überstürzt nach London abreiste. Friderike blieb unterdessen mit ihren zwei Töchtern in Salzburg, wo sie gelegentlich von Zweig besucht wurden. Um seine schriftstellerische Arbeit fortsetzten zu können, benötigte er eine Sekretärin: Lotte Altmann, die ihm, im Gegensatz zu Friderike, völlig ergeben war und mit der er schließlich eine Affäre begann.
Die international bedrohliche Lage - er erkannte von Beginn an, dass Hitler auf einen neuen Krieg zusteuerte - und seine Ehekrise ließen ihn in eine schwere Depression fallen.
1936 nahm er die Einladung der brasilianischen Regierung, nach Südamerika zu kommen, freudig an. Er war von diesem Land wie verzaubert und sah nur seine positiven Seiten, was wohl auch zum Teil daran lag, dass die Brasilianer ihn wie einen Staatshelden feierten. Nach seiner Rückkehr holten ihn seine Probleme wieder ein. Seine Frau bestand darauf, dass er sich von seiner Sekretärin Lotte entlässt, wozu er jedoch nicht bereit war. Die Selbstständigkeit seiner Frau begann ihn zu stören und er dachte, dass dies seine letzte Chance wäre, ein neues Leben mit einer jüngeren Frau zu beginnen. Er trennte er sich von Friderike, sie hatten jedoch weiterhin eine freundschaftliche Beziehung. In der Folgezeit reiste er nach Portugal und arbeitete an einer Biografie über Magellan, welcher damals noch wenig bekannt war, und wollte ihm dadurch Gerechtigkeit widerfahren lassen.
Im September 1939 heiratete er Lotte Altmann, da Lotte als deutsche Staatsbürgerin die Internierung in ein Arbeitslager befürchten musste. Im folgenden Jahr gelang es ihnen mit Hilfe von H.G. Wells die britische Staatsbürgerschaft zu bekommen und sie bezogen ein Haus in Bath. Noch 1940 verließen sie das Invasionsbedrohte England und brachen nach Amerika auf. In den folgenden zwei Jahren pendelten sie ständig zwischen New York und Brasilien hin und her. Zweig setzte sich bei den amerikanischen Behörden für viele Flüchtlinge - unter anderem auch für seine Ex-Frau Friderike und ihre zwei Töchter - ein und verhalf ihnen zur Flucht aus Europa (auch durch finanzielle Unterstützung). Auf einer Vortragsreise wurde er vom Argentinischen Außenminister empfangen. Er lehnte jedoch jede Art von offizieller Auszeichnung ab und bat statt dessen um Visa für drei deutsche Flüchtlinge, was ihm auch erfüllt wurde. Danach unterstützte er die Arbeit der Hilfsorganisation Emergency Rescue Commitee. 1941 mieteten sich Lotte und Stefan ein kleines Landhaus in Petropolis/Brasilien. Dort beendete er seine Autobiographie "Die Welt von gestern" und er schrieb seine letzte Novelle. Schon in Salzburg hatte er zur Entspannung Schach gespielt und mit Lotte spielte er Partien der Schachmeister nach. Hieraus erwuchs die Idee zur Schachnovelle, eine der gelungensten Novelle des Autors. Am 14. Februar 1942 fuhr das Ehepaar Zweig zu dem Karneval in Rio. Zweig wirkte dort entspannt und glücklich. Nachdem er in der Zeitung von dem Fall Singapurs erfahren hatte, fiel er angesichts des sinnlosen Krieges in schwere Depressionen und kehrte überstürzt vom Karneval in Rio in sein Haus zurück, wo er unauffällige Vorbereitungen für den Selbstmord traf.
Am 23. Februar 1942 wählten Stefan und Lotte Zweig in ihrem Haus den Freitod. Sie nahmen das Schlafmittel Veronal. Die Gründe lagen zum Teil an seiner Verzweiflung über die Zerstörung Europas und den Erfolgen von Hitler, jedoch litt er schon seit seiner Jugend an regelmäßigen depressiven Anfällen. Es folgte ein Staatsbegräbnis in Brasilien, obwohl Zweig lieber eine bescheidene Beerdigung wünschte. Sie wurden in einer Gruft neben dem Grab des Kaisers Pedros bestattet.
Nach seinem Selbstmord wurde auf seinem Schreibtisch folgendes Schreiben an das Stadtoberhaupt von Petropolis gefunden:
Ehe ich aus freiem Willen und mit klaren Sinnen aus dem Leben scheide, drängt es mich, eine letzte Pflicht zu erfüllen: diesem wundervollen Land Brasilien innig zu danken, das mir und meiner Arbeit so gute und gastliche Rast gegeben.
Mit jedem Tage habe ich dies Land mehr lieben gelernt und nirgends hätte ich mir mein Leben lieber vom Grunde aus neu aufgebaut, nachdem die Welt meiner eigenen Sprache für mich untergegangen ist und meine geistige Heimat Europa sich selber vernichtet.
Aber nach dem sechzigsten Jahr bedurfte es besonderer Kräfte, um noch einmal neu zu beginnen. Und die meinen sind durch die langen Jahre heimatlosen Wanderns erschöpft. So halte ich es für besser, rechtzeitig und in aufrechter Haltung ein Leben abzuschließen, dem geistige Arbeit immer die lauterste Freude und persönliche Freiheit das höchste Gut dieser Erde gewesen.
Ich grüße alle meine Freunde! Mögen sie die Morgenröte noch sehen nach der langen Nacht! Ich allzu Ungeduldiger gehe ihnen voraus.[2]
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