Sein Vater starb sehr früh, die Mutter heiratete kurze Zeit später den Schauspieler L. Geyer und zog von Leipzig nach Dresden. Ein Konzert mit L. v. Beethovens 7. und 9. Symphonie sowie seiner "Egmont" - Ouvertüre weckte in Wagner ein erstes Interesse an Musik, und er nahm Kompositionsunterricht bei C. Müller. 1830 wurde er in der berühmten Thomasschule in Leipzig aufgenommen; dann widmete er sich an der Universität unter dem Thomaskantor T. Weinlig sechs Monate lang Kontrapunktstudien; was seine musikalische Ausbildung anbelangte, war er jedoch vorrangig Autodidakt. In den 30er Jahren wurden seine ersten Kompositionen von einer gewissen Bedeutung aufgeführt, darunter eine Weinlig gewidmete Klaviersonate, weitere Klavierstücke, einige Ouvertüren und die Symphonie in C-Dur. Jedoch erweckte das Theater Wagners Hauptinteresse; 1832 arbeitete er an seiner unvollendeten ersten Oper "Die Hochzeit", und 1833 begann er mit seiner ersten vollendeten Oper "Die Feen" in Würzburg, wo er als Korrepetitor tätig war; durch diese Tätigkeit wurde er mit zeitgenössischen Opern Opernaufführungen vertraut. 1835 beendete Wagner die Arbeit an einer neuen Oper, "Das Liebesverbot oder Die Novize von Palermo" nach W. Shakespeares "Maß für Maß". Im selben Jahr wurde er Musikdirektor am Magdeburger Stadttheater, wo er 1836 auch "Das Liebesverbot" aufführen konnte, das jedoch nur ein einziges Mal gespielt wurde. Er ging dann an das Stadttheater in Königsberg, wo er wenig später die Schauspielerin Minna Planer heiratete. Auch der Aufenthalt in Königsberg war kurz; 1837 ging Wagner mit seiner Familie nach Riga, wo er am Theater eine Anstellung als Kapellmeister erhielt. Dort führte der 24jährige Opern von W. A. Mozart, C. W. Gluck, V. Bellini und anderen auf und begann mit der Arbeit am Libretto seiner neuen Oper "Rienzi, der letzte der Tribunen". Nach Ablauf des Anstellungsvertrages im Frühjahr 1839 ging Wagner nach Paris, wo er die Partitur von "Rienzi" fertigstellte. Trotz freundschaftlicher Unterstützung durch G. Meyerbeer gelang es ihm nicht, seine Oper dort aufzuführen; Kontakte zur Musikwelt in Paris waren fruchtlos. Während seines Aufenthalts in der französischen Hauptstadt hörte Wagner eine denkwürdige Aufführung der 9. Symphonie von Beethoven, die ihn zutiefst bewegte. Während er noch an der Vollendung von "Rienzi" arbeitete, begann er mit dem Libretto zu einer neuen Oper "Der fliegende Holländer", das er dann L. Pillet, dem Direktor der Oper, anbot. Pillet las es mit Begeisterung, sagte ihm auch den Ankauf zu, überließ jedoch die musikalische Realisierung einem anderen Komponisten, dem Franzosen P. Dietsch, der das Werk unter dem Titel "Le Vaisseau fantôme" aufführte. Erniedrigt und verletzt stellte Wagner den "Fliegenden Holländer" im Sommer 1841 in nur sieben Wochen fertig. Als er sich des Scheiterns seines Aufenthaltes in Paris bewußt wurde, schickte er die Partitur von "Rienzi" an den König von Sachsen mit der Bitte, sie am Hoftheater von Dresden aufführen zu dürfen; der Theaterdirektor, ein Freund seines Stiefvaters, reagierte positiv auf die Bitte, und die Oper wurde am 23.10.1842 in Dresden uraufgeführt und trotz ihrer Länge ein triumphaler Erfolg. So gelangte Wagner quasi über
Nacht ins Zentrum der deutschen Musikwelt, die schon seit Jahren auf eine Nachfolge C. M. v. Webers würdigen Opernkomponisten gewartet hatte. Wenige Monate später, am 2.1.1843, wurde auch "Der fliegende Holländer" am Hoftheater von Dresden aufgeführt, allerdings weniger erfolgreich. Im selben Jahr nahm Wagner eine Anstellung als Kapellmeister am Hoftheater an. Sogleich widmete er sich einer neuen Oper, "Tannhäuser", mit deren Libretto er bereits im Juni 1842 begonnen hatte. Der im April 1845 fertiggestellte "Tannhäuser" wurde am 9.10. uraufgeführt; der Erfolg war bescheiden, und der Verleger F. Kistner lehnte Wagners Angebot, die Oper zu drucken, ab. Immer noch an dem ihm zutiefst verhaßten Hof, widmete sich Wagner nach seinem Mißerfolg mit "Tannhäuser" intensiv der Lektüre und Bearbeitung von Opern großer deutscher Komponisten; zur gleichen Zeit bemühte er sich, seine Auffassung über die Oper und das Drama in der Musik auf systematischere Weise wiederzugeben, wobei er mit republikanischen und liberalen Strömungen, die seinerzeit auch in Dresden aktiv waren, in Berührung kam. 1848 lernte in Berlin F. Liszt kenne; der berühmte Pianist bewunderte Wagners Opern, und zwischen den beiden Musikern entwickelte sich in kurzer Zeit eine Freundschaft, die sich über die Jahre hinweg stetig festigte. Liszt, den die Fähigkeiten des eineinhalb Jahre jüngeren Kollegen sehr beeindrucken, versagte ihm niemals moralische oder materielle Hilfe und unterstützte ihn mehrmals in schwierigen Situationen. 1848 beendete Wagner seine Oper "Lohengrin", an der seit zwei Jahren gearbeitet hatte. Währenddessen hatte sich die politische Situation in Sachsen wie in ganz Deutschland verschlechtert, und Wagner näherte sich zunehmend dem progressiven und liberalen Gedankengut. Als 1849 die Revolution scheiterte, stand er (zumindest moralisch) auf der Seite der Revolutionäre; auf der Flucht aus Sachsen ging er zunächst nach Weimar, wo Liszt ihm half, weiter nach Zürich zu gelangen. Dort verbrachte Wagner etwa zehn Jahre; in dieser Zeit erschienen seine ersten Schriften über seine ästhetischen Theorien wie "Die Kunst und die Revolution"(1849) und andere, polemischere Pamphlete wie "Das Judentum in der Musik"(1850). Zu seiner Unterstützung übernahm Liszt in Weimar die Uraufführung von "Lohengrin", die selbst leitete. Die Oper wurde ein triumphaler Erfolg. Trotz seiner politischen Ächtung erzielten Wagners Opern große Erfolge in ganz Deutschland und wurden nunmehr von einem großen Teil des Publikums und vor allem vom Kreis der Intellektuellen, deren Anführer Liszt war, bewundert. Während seiner Züricher Zeit begann Wagner trotz schwerwiegender wirtschaftlicher Probleme und einer ungewissen Zukunft mit dem Entwurf und der konkreten Arbeit an seinem visionären Projekt "Der Ring der Nibelungen", einem in drei "Tage" und einem "Vorabend" aufgeteilten "Bühnenfestspiel", das den Rahmen aller bisher konzipierten musikalisch - theatralischen Darstellungen sprengen sollte. 1851/52 beendete er vier Dramen (schon 1848 hatte er einen Entwurf zu "Siegfrieds Tod" verfaßt, den er dann in der Endfassung zur "Götterdämmerung" umarbeitete); die Musik zu "Rheingold" schrieb er zwischen November 1853 und Mai 1854; die für "Die Walküre" zwischen Juni 1854 und März 1856. 1856 begann Wagner mit "Siegfried" , unterbrach die Arbeit jedoch am 9.8.1857 im zweiten Akt; erst nach vielen Jahren nahm er die Arbeit an dem jäh unterbrochenen Werk wieder auf. In Zürich lernte er den begüterten Kaufmann Otto Wesendonck kennen, der ihn finanziell unterstützte. Alle weiteren Bemühungen, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, waren nicht sehr erfolgreich. Wagner sah sich gezwungen, immer häufiger - und unwilliger - Symphonie -
orchester zu dirigieren. Der Kontakt zur Familie Wesendonck war für ihn von entscheidender Bedeutung; er ermöglichte es ihm, seinen finanziellen Problemen und den aus seinem großzügigen Lebenswandel resultierenden Schulden abzuhelfen. Seine leidenschaftliche Affäre mit Mathilde, der Gattin Wesendoncks, war wohl mit ein Grund, warum er die Arbeit an "Siegfried" so abrupt abbrach, um sich mit frischer Kraft einer neuen Oper zu widmen, "Tristan und Isolde". das Verhältnis zwischen Wagner und Mathilde blieb deren Gatten nicht verborgen, und so sah sich Wagner genötigt, Zürich im August 1858 zu verlassen. Er ging zunächst nach Venedig, dann nach Luzern, wo er sein Werk im Sommer 1859 beendete. Erneut auf der Flucht vor seinen Gläubigern, begab er sich nach Paris. Dort schien man seinen Opern nunmehr größeres Wohlwollen entgegenzubringen, und dank der Unterstützung der Fürstin P. Metternich, der Gattin des österreichischen Botschafters, konnte er "Tannhäuser" aufführen, den er zu diesem Zweck eigens überarbeitete. Der ersten Inszenierung gingen eine lange Reihe von Proben und aufgrund der Weigerung Wagners, das Ballett im zweiten Akt einzuführen (was den französischen Gepflogenheiten entsprochen hätte), auch eine negative Pressekritik voraus. Die Aufführung fand am 13.3 in Paris statt und wurde zu einem der größten Fiaskos in der Musikgeschichte. Der Tumult, den Mitglieder des einflußreichen Jockey - Clubs veranstalteten, und die Feindseligkeit fast der gesamten Pariser Presse führten zum frühzeitigen Absetzen der Oper nach nur drei Aufführungen. Enttäuscht ging Wagner nach Wien, wo er von 1862 - 64 lebte. Am 28.3.1862 wurde dann die Ächtung, die ihm das Betreten Sachsens untersagte, aufgehoben. In Wien rechnete Wagner damit, "Tristan und Isolde" aufführen zu können; die Oper stellte sich jedoch als gesangstechnisch zu schwierig heraus, und Wagner verfeindete sich mit dem einflußreichen Wiener Kritiker E. Hanslick. Niedergedrückt und enttäuscht, daß er "Tristan und Isolde" nicht aufführen konnte, begann er mit der Arbeit an einem neuen Werk, "Die Meistersinger von Nürnberg" (1862 - 67). Zu Beginn des Jahres 1864 wurde seine finanzielle Situation unerträglich, und er mußte Wien aus Furcht davor, wegen seiner Schulden ins Gefängnis zu kommen, verlassen. In einem Hotel in Stuttgart erreichte ihn glücklicherweise der Sekretär König Ludwigs II. von Bayern und lud ihn nach München ein, wo der 19jährige König ihm finanzielle Hilfe und lebenslängliche Protektion anbot. Ludwig II. bezahlte alle seine Schulden, stattete ihn mit dem Notwendigen aus und ermöglichte ihm zudem die Uraufführung von "Tristan und Isolde" am 10.6.1865 in München. Das außergewöhnliche Interesse des Königs und dessen übertrieben hohe Ausgaben für ihn lenkten jedoch bald den Haß des ganzen Hofes auf Wagner. Wieder einmal mußte er sein Domizil aufgeben, in dem er seine hochfliegenden Pläne verwirklichen wollte, und zog sich in die Schweiz zurück. Inzwischen hatte er eine Affäre mit Cosima von Bülow begonnen, der Tochter von Liszt und Gattin eines seiner treuesten Freunde, des Pianisten und Dirigenten Hans von Bülow, der unter anderem in München die Uraufführung von "Tristan und Isolde" geleitet hatte. Zu Liszts großer Enttäuschung trennte sich Cosima von ihrem Mann und nahm ihre Töchter mit, um mit Wagner nach Triebschen in der Schweiz zu gehen. Dort vollendete Wagner seine "Meistersinger" (1867). Diese Oper wurde mit Unterstützung Ludwigs II. am 21.6.1868 in München uraufgeführt. 1869 stimmte v. Bülow der Scheidung zu; Cosima und Wagner (dessen erste Frau, Minna 1866 verstorben war) konnten somit am 25.8.1870 heiraten; am 25.12.1870 widmete
Wagner seiner Frau eines seiner schönsten Instrumentalwerke, das "Siegfried - Idyll". In
Triebschen beendete Wagner sein ehrgeiziges Projekt "Der Ring des Nibelungen"; "Siegfried", den er seinerzeit im zweiten Akt unterbrochen hatte, wurde im Februar 1871 fertiggestellt; die "Götterdämmerung" beendete er 1874. In den 70er Jahren wuchs auch die Freundschaft zwischen ihm und dem jungen Philosophen F. Nietzsche. Beeindruckt von der Musik und den überaus persönlichen Theorien Wagners, die Moral mittels des dramatischen Theaters neu zu erschaffen, widmete Nietzsche ihm seine erste wichtige Abhandlung, "Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik" (1872). Die Freundschaft beider Männer, die sich gegenseitig schöpferisch befruchteten, wich einer wachsenden Entfremdung nach der Einweihung des Festspielhauses in Bayreuth (1876). In den 70er Jahren versuchte Wagner erneut an seinem alten visionären Projekt, der Schaffung eines besonderen Theaters, in dem ausschließlich seine Musikdramen und sein "Ring des Nibelungen", den er damals fertigstellte, auf geführt werden sollten. Mit Unterstützung begüterter freunde und eigens zu diesem Zwecke gegründeter Vereinigung rief Wagner eine Spenedenaktion ins Leben, um die notwendigen Mittel zur Realisierung dieses Projekts aufzutreiben; als Sitz hatte er Bayreuth ausgewählt, wohin er im April 1872 mit seiner Familie ging. Im Mai des gleichen Jahres wurde der Grundstein zum neuen Festspielhaus gelegt. Nach Baubeendigung fanden im August 1876 die ersten Bayreuther Festspiele mit der Aufführung des "Rings des Nibelungen" unter der Leitung von H. Richter statt. Die Aufführung erwies sich zunächst als finanzielles Debakel. 1877 - 82, nunmehr im Zenit seines Erfolges, widmete sich Wagner seinem letzten Musikdrama, "Parsifal" . In diesen Jahren unternahm er aus gesundheitlichen Gründen mehrere Reisen nach Italien (Sorrent, Neapel, Ravello und Palermo, wo er "Parsifal" beendete); das "Bühnenweihfestspiel" wurde am 26.7.1882 in Bayreuth uraufgeführt und 15mal wiederholt. Im September 1882 ging Wagner wieder nach Venedig, wo er wenige Monate später einem Herzanfall erlag. Wagners Theaterproduktion umspannt, von seiner unvollendeten ersten Oper "Die Hochzeit" bis zur letzten, "Parsifal", einen Bogen von 50 Jahren. in dieser großen Zeitspanne vollzog sich nicht nur der künstlerische Reifeprozeß des Komponisten, sondern auch die Entwicklung jener ästhetischen Ideale, die das intellektuelle Fundament seines gesamten Schaffens bilden sollten. Seine ersten beiden vollendeten Opern, "Die Feen" und "Das Liebesverbot", die er im Alter von wenig mehr als 20 Jahren schrieb, lassen sich als nützliche Übungen eines Lehrlings einstufen. Wagner selbst war bewußt, daß er sehr stark von der italienischen und der zeitgenössischen französischen Oper beeinflußt war, und heute ist sich die Kritik darüber einig, daß in diesen Werken nur wenig an eigenständiger kreativer Persönlichkeit durchscheint. Beim "Liebesverbot" ist die Anlehnung an G. Donizetti offensichtlich. Obwohl "Rienzi" (1834 - 40) am Vorbild der französischen "Grand opéra" von G. Meyerbeer und G. Spontini orientiert, markiert diese Oper einen entscheidenden Schritt hin zu Wagners Kreativität. Wie sehr "Rienzi" für ihn nur eine Übergangsphase war, zeigt sehr deutlich die Oper, die er wenige Monate später fertigstellte, "Der fliegende Holländer" (1841). Dieses in äußerst kurzer Zeit verfaßte Werk signalisiert die vollständige Lösung vom Modell der "Grand opéra" und eine Annäherung an die romantische Tradition von Weber, A. Lortzing und H. Marschner. Der im Vergleich zu "Rienzi" stilistisch weitaus persönlicher und überzeugendere "Fliegende Holländer" weist überdies zum ersten Mal einige dramatische und musikalische Züge auf, die Wagner in seinen künftigen Opern weiterentwickeln sollte: Das dramatische Motiv der Verdammung und der Erlösung steht im Mittelpunkt, begleitet im musikalischen Aufbau der Oper durch das eine Person oder Situation charakterisierende "Leitmotiv" (das bereits von L. Spohr, wenn auch nicht systematisch, verwendet wurde). Weiterhin versuchte Wagner hier, die geschlossenen Formen der Oper (Chöre, Duette, Arien, Ballett) zu überwinde. Der Prozeß der Überwindung traditioneller Formen der Oper wird noch augenfälliger in "Tannhäuser" (1843 - 45). Das Thema der Erlösung im Verbund mit dem immerwährenden Konflikt zwischen Geist und Sinnlichkeit steht hier im Mittelpunkt. Musikalisch ist der Prozeß der harmonischen Vereinigung von Wort und Klang, von Orchester und Gesang, weiter vorangetrieben als im "Fliegenden Holländer"; außergewöhnlich ist schließlich die Ouvertüre, in der sämtliche Hauptthemen des Dramas zusammengefaßt sind, das zugleich das erste große symphonische Werk Wagners ist. "Lohengrin" (1846 - 48) hingegen scheint sich wiederum in vielen Aspekten am Aufbau der Grand opéra zu orientieren. In ihm finden sich wieder zahlreiche traditionelle Elemente: Arien, Rezitative, Ensembles und Chöre, die sich jedoch in eine Einheit fügen und "Lohengrin" zu einem der Hauptwerke Wagners machen. Wenn "Lohengrin" die Extremform grandioser Theaterkonzepte Wagners ist, so stellt "Das Rheingold" (1853/54), der "Vorabend" der drei "Tage" des "Rings des Nibelungen", eine musikalisch vollkommen gegensätzlichen Ansatz dar. Grandiosität und Virtuosität, Glanzpunkte von "Lohengrin", entfallen zugunsten einer Art ständiger Deklamation, wobei dem Wort vollständig untergeordnet scheint. Dieses rigorose Konzept wird jedoch in der nachfolgenden "Walküre" (1854 - 56) merklich gelockert, wobei die anfängliche Liebesgeschichte zwischen Siegmund und Sieglinde Wagner zu einigen beeindruckenden Passagen anregte. Die Arbeit an "Siegfried", die er 1856 begonnen und 1857 unterbrochen hatte, nahm Wagner erst zwölf Jahre später wieder auf; diesem Werk sind jedoch keinerlei Stilbrüche anzumerken. Im ersten Akt dieses zweiten Tages der Tetralogie tritt ein - streckenweise recht grober - humoristischer Aspekt zutage, der neu ist an Wagner; doch der Rest der Oper enthält Teile, die sich dem Höhepunkt von Wagners Schaffens zurechnen lassen. Der letzte Teil, des "Rings des Nibelungen", die "Götterdämmerung" (1869 - 74), orientiert sich in vielen Aspekten entschieden wieder an der Grand opéra, von der Wagner sich gänzlich hatte lösen wollen; die Vielzahl musikalischer Erfindungen, die intensive Dramaturgie, die virtuose Verwendung der Leitmotive lassen die "Götterdämmerung" zum wahren Höhepunkt des "Rings des Nibelungen" werden. In den zwölf Jahren zwischen dem Abbruch der Arbeit am "Siegfried" und ihrer Wiederaufnahme komponierte Wagner zwei Opern, "Tristan und Isolde" (1857 - 59) und "Die Meistersinger von Nürnberg" (1862 - 67). Der Unterschied zwischen diesen beiden Werken (und auch zwischen ihnen und dem "Ring des Nibelungen") könnte größer nicht sein. "Tristan und Isolde" hätte Wagners Absichten zufolge eine einfach zu spielende Oper sein müssen; aus ihr wurde jedoch sozusagen gegen seine Willen eines der originellsten und zukunftsorientiertesten Werke der gesamten Musik des 19. Jh.; der Ausgangspunkt der Auflösung traditioneller Harmonik im 20. Jh. Die außergewöhnliche Neuheit der Musik und ihre unvergleichliche Ästhetik machen diese Oper zu einem Unikum in Wagners Werk. Kraß im Gegensatz dazu steht der Charakter der "Meistersinger von Nürnberg" (1862 - 67). Hier verläßt Wagner die Welt der Mythen und mittelalterlichen Legenden und schafft eine bürgerliche Komödie, die im Deutschland des 16. Jh. spielt. Die Diatonik dieser Oper steht im Gegensatz zur Chromatik von "Tristan und Isolde"; ihr Humor und ihre Schlichtheit könnten in keinem größeren Kontrast zur düsteren Todesahnung des vorhergegangenen Werkes stehen. Abschluß des bewunderungswürdigen Gesamtwerks ist "Parsifal" (1877 - 82). hier zelebriert Wagner, wieder einmal von einem mittelalterlichen Epos inspiriert, erneut den Gedanken der Erlösung, das Hauptthema seines gesamten Schaffens: Durch seinen vollständigen Verzicht auf jeglichen Egoismus ist Parsifal dazu bestimmt, der Menschheit Erlösung zu bringen. "Parsifal" ist nicht weniger zukunftsorientiert als "Tristan und Isolde" und lieferte den nachromantischen Komponisten viele Anregungen. Auf Wagners Verfügung hin wurde "Parsifal" viele Jahre lang nur in Bayreuth aufgeführt; erst 1914 erlosch der Urheberrechtsschutz.
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