Am direktesten wird Wedekinds Kritik in den Dialogen. Diese rhetorische Stilhaltung treibt weder die Handlung voran, noch ist sie gebunden an die Figuren oder die Handlungssituation. Es sind vielmehr Passagen einer Art sachbezogenen Diskussion, die in Form theoretisierender Argumentation die Kritikpunkte des Dichters dem Leser nahe bringen. "Die gedanklich überladenen Sätze streben folgerichtig und klar, aber auf vielen Umwegen ihrem Ziele zu"
Moritz. Ich habe mir schon gedacht, wenn ich Kinder habe, Knaben und Mädchen, so lasse ich sie von früh auf im nämlichen Gemach, wenn möglich auf ein und demselben Lager, zusammenschlafen, lasse ich sie morgens und abends beim An- und Auskleiden einander behilflich sein und in der heißen Jahreszeit, die Knaben sowohl als wie die Mädchen, tagsüber nichts als eine kurze, mit einem Lederriemen gegürtete Tunika aus weißem Wollstoff tragen. (8/5ff)
Der Gedankengang wird von diversen Aspekten beleuchtet, wobei er jeweils durch ähnliche Formulierungen durch die Dialogpartner aneinandergeknüpft wird: ich glaube, das glaube ich entschieden, bei Menschen glaube ich erst recht, ich habe mir schon gedacht, darüber habe ich erst vorgestern nachgedacht (vgl. I/2). Der Dialog Moritz-Melchior in Akt I Szene2 ist ein gutes Beispiel für diesen Stil. Doch auch die Unterhaltung der Eltern Gabor weist Züge der rhetorischen Stilhaltung auf. Bei Herrn Gabor ist noch zusätzlich der hochgestochene Sprachstil (abstrakte Fremdwörter und Adjektive) des Vaters zu verzeichnen: "Seine Schrift manifestiert jene exzeptionelle geistige Korruption; mit dem Unglück diskontieren; eherne Disziplin, moralischer Zwang, christliche Denk- und Empfindungsweise" (vgl. III/3)
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