1 Historischer Hintergrund
1.1 Die Revolutionen in Europa um 1848
Am Beginn des Realismus gab es in nahezu jedem europäischen Staat Aufstände der Bevölkerung. Besonders schlimm waren
Frankreich, Deutschland und Österreich betroffen.
Im Februar 1848 wurde in Paris der "Bürgerkönig" Ludwig Philipp durch einen Aufstand gestürzt. Anlaß für diesen Aufstand
des Kleinbürgertums und der Arbeiter waren die Wirtschaftskrise und die Forderung nach einem Wahlrecht für alle. Bis zum
Aufstand war es nur den Adeligen und den Wohlhabenden gestattet, an Wahlen teilzunehmen. Ende Februar rief die
provisorische Regierung die 2.Republik aus.
Auch in Österreich besaßen ein Großteil der Bevölkerung kein Wahl- und Mitspracherecht. Auch hier kam es zu einer
Revolution. Klemens Lothar Fürst von Metternich war in Österreich für diese untragbare politische Situation verantwortlich.
Durch einen Aufstand der Bürger gelang es, Fürst Metternich im März 1848 zu stürzen. Kaiser Ferdinand richtete eine liberale
Regierung ein, die eine neue Verfassung ausarbeitete. Doch auch die neue Verfassung schloß die Bürger und Arbeiter von den
Wahlen aus (Zensuswahlrecht). Die neue Verfassung wurde nicht anerkannt. In der "Sturmpetition" forderten die Bürger und
Arbeiter das Wahlrecht für Männer. Wegen der labilen innenpolitischen Situation stimmte Kaiser Ferdinand sofort zu. Im Juli
1848 trat zum ersten mal der erste öffentlich gewählte Reichstag zusammen. Dieser beschloß einige Veränderungen: Alle haben
Anteil an der öffentlichen Verwaltung und Gesetzgebung, Pressefreiheit, verhältnismäßig gleiche Besteuerung der Stände.
1.2 Kriege in Europa
1862 übernahm der deutsche Ministerpräsident Otto von Bismarck die preußische Regierung um Preußen zur Großmacht zu
machen. Es kam zum Krieg mit Dänemark, wo Preußen und Österreich noch Seite an Seite kämpften. Nach Beendigung des
Krieges trat Dänemark die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an Österreich und Preußen ab.
Die Verwaltung der Ländereien wurde unter Österreich und Preußen aufgeteilt. Doch bald kam es zu einem Konflikt zwischen
den beiden Staaten. Bismarck wollte die alleinige Herrschaft über Schleswig und Holstein erlangen. Darum ließ er 1866
preußische Truppen in Böhmen (damals noch bei Österreich) einmarschieren und gewann die Schlacht bei Königgrätz.
Österreich akzeptierte die Annektierung und so kam es kurz darauf zur Gründung des Norddeutschen Bundes, dessen erster
Bundeskanzler Otto von Bismarck war.
Aber auch gegen Frankreich führte Deutschland Krieg (zwischen 1870 - 1871). Frankreich verlor den Krieg und mußte Elsaß
und Lothringen an Deutschland abgeben. Bald war Deutschland eine Großmacht mit 41 Mio. Einwohnern.
1.3 Kolonialisierung des Ostens
Geschwächt durch den verlorenen Krieg, versuchte Frankreich durch Erwerbung neuer Kolonien sein Ansehen in der Welt zu
verbessern. Wichtigste Errungenschaft dieser Zeit ist die Errichtung des Suez-Kanals. Aber auch die Engländer waren nicht
untätig. Sie kolonialisierten Ägypten und später den Sudan.
Ab 1880 begannen fast alle europäischen Länder, Teile Afrikas zu besetzen.
Auch Rußland begann immer weiter in den fernen Osten vorzudringen.
1854 schließt Japan eine Handelsvertrag mit der USA ab. Die Japaner versuchen sich an der Westlichen Welt zu orientieren um
die Wirtschaft zu verbessern. Durch die ungeheure Arbeitskraft dieses Volkes setzte bald eine "moderne Industrialisierung ein.
2 Philosophischer Hintergrund.
Die Philosophie setzte starke Impulse in der Epoche des Realismus. Man geht davon aus, daß die Welt und alle Dinge völlig
unabhängig von der Vorstellung, die wir von ihnen haben, existieren. Das bedeutet entweder, daß die Dinge wie bei PLATO
nur als Ideen außerhalb der erfahrbaren Welt wirklich sind, oder daß die Dinge in der Welt existieren, wir sie aber durch den
Schleier unserer Vorstellung oft nur undeutlich erkennen können. Der Grundgedanke des Realismus ist die fundamentale
Tatsache, daß ohne die Annahme einer realen, wirklich existierenden Welt ( = Summe der Vorkommnisse) unser gesamter
Lebenszusammenhang, alle Erfahrungen, Handlungen sowie der Umstand, daß wir in der Lage sind, miteinander zu
kommunizieren, nicht nur sinnlos, sondern vollkommen unbegreiflich wäre.
Von daher kann man davon ausgehen, daß jede Philosophie in irgendeiner Weise den Grundgedanken des Realismus beinhaltet.
Die elementarste Frage des Realismus ist weniger, wie, was oder wem Realität zukommt, sondern die einfache Feststellung, daß
überhaupt etwas ist. Philosophisch war der Realismus in drei unterschiedliche Positionen geteilt. Zum einen der extreme
Begriffsrealismus (Plato), der Nominalismus und der gemäßigte Begriffsrealismus (Aristoteles).
Im Mittelalter war der Realismus vom Verhältnis Denken/Sein bestimmt. Dieses Problem gipfelt in der sogenannten Frage der
Erkennbarkeit der Realität der Außenwelt. Der naive Realismus geht davon aus, daß uns unsere Vorstellungen eine genaue
Kopie der Außenwelt liefern (z.B.: der Tastsinn). Für den kritischen Realismus sind die Gegenstände der Außenwelt nur durch
unpassende Vorstellungen vermittelbar. Der sozialistische Realismus (Marx, Lenin, Stalin) geht davon aus, daß eine objektive
Realität unabhängig vom erkennenden Bewußtsein existiert.
Im 20. Jahrhundert hat sich vor allem unter dem Einfuß von Phänomenologie und Psychologie der Realitätsbegriff wesentlich
erweitert. \"Wirklichkeit\" können nun auch unsere Bewußtseinsakte, Tätigkeiten, Wunschvorstellungen undsoweiter
beanspruchen.
3 Literatur
Die Literatur dieser Zeit läßt sich grob in zwei Gattungen einteilen. Zum einen gab es den poetischen Realismus und zum
anderen den kritischen Realismus.
3.1 Poetischer Realismus:
"Realismus" ist keine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Schon im 15. und 16. Jahrhundert lassen sich realistische Züge in der
Dichtung erkennen. Bei Shakespeare und sogar in der Barockzeit bei Grimmelshausen werden Erzählungen äußerst realistisch
geschildert. Aber erst im 19. Jahrhundert wird der Realismus zum Stilprogramm einer Generation.
Die Hauptvertreter des poetischen Realismus sind:
. Theodor Storm
. Gottfried Keller
. Theodor Fontane
. Wilhelm Busch
. Conrad Ferdinand Meyer
. Wilhelm Raabe
Österreichische Spätrealismus:
. Ludwig Anzengruber
. Marie von Ebner-Eschenbach
. Ferdinand von Saar
. Peter Rosegger
Die "Realisten" wandten sich vor allem gegen die Klassik und Romantik. Man wollte das Erfahrbare und Überprüfbare
darstellen und ächtete die Pantasie. In der realistischen Dichtung sollen selbst die Gefühle und Meinungen des Dichters
außerhalb der Darstellung bleiben. Man war daran interessiert, den Menschen in seinem alltäglichen Leben darzustellen. Der
Realist wollte illusionsloser Beobachter sein, merkte aber dabei nicht, daß er nur einen kleinen Teil der Wirklichkeit
wahrnimmt. Die Handlung der Werke fand meistens in kleinen Orten oder Dörfern am Lande statt. Die Figuren waren häufig
Handwerker, Kaufleute und Bauern. Nicht die große Politik, sondern die kleine Welt des Privaten bildete den Hintergrund.
Kennzeichnend für die Erzählung des Realismus ist die Rahmentechnik: Ein Erzähler erinnert sich an eine Begebenheit aus
seinem Leben oder an eine alte Chronik, in der die dann folgende Geschichte erzählt ist.
Die Erzählung bekommt durch den Rahmen den Anstrich eines Berichtes über reales vergangenes Geschehen. Die bevorzugte
Gattungsform ist die Novelle, die im Realismus ihren Höhepunkt erreicht.
Der Roman tritt im Realismus in verschiedensten Formen auf: als Entwicklungsroman , als historischer Roman, als Zeitroman
sowie als Gesellschafts- und Familienroman. Auf das Drama wird weitgehend verzichtet.
Die realistischen Erzähler beziehen sich meist ganz konkret auf die Gegenwart, auf die Realität ihrer Zeit. Um in ihren Werken
die ganze Wirklichkeit zu erfassen, beschäftigen sie sich vorallem mit dem ihnen gut bekannten: dem einfachen Bürgertum.
3.2 Kritischer Realismus
Ausgelöst wurde der kritische Realismus in Frankreich Mitte des 19. Jahrhunderts. Er soll ohne persönliche Stellungnahme und
ohne eine Spur von Teilnahme ,am Geschick der epischen Figur, erzählen.
Das Bemühen um unbedingte, ungerührte Objektivität führte notwendig zur Entdeckung des Häßlichen, Beklemmenden, des
Elends und der Kümmerlichkeit menschlichen Daseins.
Der realistische Erzähler möchte den Eindruck vermitteln, als stelle er ein Geschehen möglichst objektiv dar. Er berichtet wie
ein neutraler außenstehender Zuschauer (neutrales Erzählverhalten). Dem Leser soll der Eindruck vermittelt werden, daß sich
das Geschehen unmittelbar vor ihm abspielt, als sei er selbst Zeuge und nicht abhängig von einem auktorialen Erzähler.
Auktoriales Erzählverhalten:
Der Erzähler tritt als Vermittler zwischen Geschichte und Leser auf; er erläutert und beurteilt das Geschehen, stellt einen
direkten Kontakt zum Leser her.
Neutrales Erzählverhalten:
Der Erzähler tritt hinter das Geschehen zurück und überläßt die Beurteilung dem Leser. Er ist nicht unmittelbar wahrzunehmen.
Im kritischen Realismus galt es als vorrangig, daß naturwissenschaftliche Weltbild (Medizin, Biologie, Psychologie,
Soziologie, ...) als Grundlage zur Darstellung des Menschen zu nehmen.
4 Kunst und Musik
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hatten die Künstler das selbe Ziel wie die Schriftsteller. Sie wollten mit ihrer Kunst die
Welt so zeigen, wie sie sie sahen. Währen der Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts stand Realismus für die Wegbewegung von der
abstrakten hin zur darstellenden Kunst. Die kunstgeschichtliche Definition von Realismus wurzelt in einer Bewegung die
vorwiegend von Frankreich dominiert wurde (ca. 1840 - 1880) und sich teilweise in den Werken von Gustave Coubet
widerspiegelt. In dieser Zeit der Unruhen und des Umsturzes stellten sich die Realisten gegen die Romantische Kunstrichtung,
um die Welt wissenschaftlich und durch Erfahrung zu erforschen und das Leben so wahrzunehmen wie es um sie herum
existierte. Häufige Motive waren Personen die in ihrer natürlichen Umgebung gezeigt wurden. Es wurde einen emotionslose,
detaillierte Untersuchung des zeitgenössischen Lebens, als einzige gültige Auseinandersetzung mit der damaligen Kunst,
angestrebt. Manche Künstler versuchten, alltägliche Szenen aus der Vergangenheit darzustellen. Weitere berühmte Künstler
dieser Zeit waren Adolf von Menzel, Honore Daumier und Francois Millet der vorallem durch seine Darstellungen von
Landarbeitern berühmt wurde. Weitere bekannte Künstler waren Edouard Manet und Edgar Degas die sich mit der
Verbindung von Realismus und Impressionismus einen Namen machten.
Bekannte Musiker dieser Zeit waren Richard Wagner, der einen neuen Opernstil entwickelte, sowie Johannes Brahms,
Anton Bruckner und Giuseppe Verdi. Besonders die Oper und das Burgtheater hatten in dieser Periode ihre Blütezeit.
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