Döblin beschäftigte sich eingehend mit Freuds Schriften. Seine Aussagen über die Psychoanalyse erscheinen teilweise widersprüchlich. Er betonte immer wieder sein Unbehagen an Elementen der Psychanalyse, die ihm allzu spekulativ erschienen. Dann aüsserte sich zu Beginn der 20er Jahre in publizistischen Auseinandersetzungen mit der Psychoanalyse wiederholt zustimmend zu Freud. 1926 pries Döblin Freud in einer Rede als "Wohltäter der Menschheit". Später sagte er, ihm persönlich hätte Freud "nichts Wunderbares gebracht". Dafür, dass Döblin sich selbst als praktizierenden Psychanalytiker verstand, gibt es viele Beweise. In einer autobiographischen Skizze schreibt er 1921: "Von meiner seelischen Entwicklung kann ich nichts sagen; da ich selbst Psychoanalyse treibe, weiss ich, wie falsch jede Selbstaüsserung ist." Später spricht er in einem Brief von seiner "psychanalytischen Tätigkeit".
Insgesamt kann man sagen, dass Döblins Dichten in einem Spannungsverhältnis zu seinem Forschen stand. Döblin war nicht nur Dichter, sondern auch Wissenschaftler und verfügte als Psychiater natürlich über ein grosses psychiatrisches Wissen.
Döblin trennte seine beiden Existenzen aber nicht etwa voneinander, sondern vermengte sie, was sich auch in seinen Dichtungen deutlich niederschlägt. Geisteskrankheiten sind in Döblins Werken oft ein Thema. Trotzdem gleichen seine Dichtungen nicht psychatrischen Studien, in denen Symptome sachlich beschrieben werden, krankhaftes Geschehen erklärt und eine Diagnose gestellt wird. In der Tat unterscheidet Döblin in seinen Werken gar nicht zwischen Gesund und Krank. Döblin gelingt es, sein Beobachten, das er als Pychiater und Wissenschaftler gewöhnt ist mit seiner literarischen Neigung zu verbinden. Döblin´s Ansicht nach, soll die Dichtung dem Ganzen zugewandt sein. Was laut Döblin den Dichter mit diesem Ganzen verbindet, ist die "Phantasie". Diese stellt er der Beobachtung gegenüber. In diesem Punkt unterscheidet sich Döblin´s Einstellung deutlich von der Freuds, der immer als Beobachter auftritt. Döblin sieht das Kranksein nicht mit Distanziertheit, sondern betrachtet es als etwas, das dem Menschen zugehörig ist und einer festen Bestandteil des menschlichen Lebens darstellt. Dadurch, dass Döblin keine Erklärungs,- und Einordnungsversuche des Verhaltens seiner Protagonisten anstellt, arbeitet er das "Unbegreifliche, Dunkle" heraus, das ihn so fasziniert. Dies wird insbesondere in der Novelle "Die Ermordung einer Butterblume" klar. Die Erzählung entsprang laut Kreutzer "ohne direkte literarische Einübung unmittelbar aus psychatrischer Anschauung".
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