"Die Zeit fährt Auto" von Erich Kästner
Die Städte wachsen. Und die Kurse steigen.
Wenn jemand Geld hat, hat er auch Kredit.
Die Konten reden. Die Bilanzen schweigen.
Die Menschen sperren aus. Die Menschen streiken.
Der Globus dreht sich. Und wir drehen uns mit.
Die Zeit fährt Auto. Doch kein Mensch kann lenken.
Das Leben fliegt wie ein Gehöft vorbei.
Minister sprechen oft vom Steuersenken.
Wer weiß, ob sie im Ernste daran denken ?
Der Globus dreht sich und geht nicht entzwei.
Die Käufer kaufen. Und die Händler werben.
Das Geld kursiert, als sei das seine Pflicht.
Fabriken wachsen. Und Fabriken sterben.
Was gestern war, geht heute schon in Scherben.
Der Globus dreht sich. Doch man sieht es nicht.
Das Gedicht "Die Zeit fährt Auto" wurde in den 20er Jahren geschrieben. Obwohl es bereits nach dem 1.WK entstanden ist und sich somit auf die sozialen Probleme bzw. Begebenheiten dieser Zeit bezieht hat es kaum an Aktualität verloren. Das Lesen der Überschrift läßt wohl noch nicht auf ein gesellschaftskritisches Erzählgedicht schließen, "Die Zeit fährt Auto" "entpuppt" sich allerdings bei näherer Betrachtung als Persiflage auf den wirtschaftlichen Aufschwung (Deutschlands) nach dem 1.WK und die "Goldenen 20er" die auch in unseren Breiten für eine zunehmende Industrialisierung und allgemeinen Fortschritt sorgten. Seine Grundaussage trifft jedoch heutzutage, im Zeitalter der Globalisierung und der Schnelllebigkeit , mehr zu denn je.
Das Gedicht ist in Jamben verfaßt und das Reimschema der ersten Strophe ist abaab, das der zweiten Strophe cdccdc effe . Alle Reime sind reine Reime. Erich Kästner beschreibt in diesem Gedicht eine "Großstadt - Gesellschaft" die sich "besinnungslos" mit dem Strom der Zeit bewegt ohne ihn eigentlich beeinflussen zu können, Zitat (2. Strophe, Zeile 1): "Die Zeit fährt Auto. Doch kein Mensch kann lenken." Wir treiben dahin in der Schnelllebigkeit, Zitate (2. Strophe, Zeile 2, Zeilen 8-9): "Das Leben fliegt wie ein Gehöft vorbei", "Fabriken wachsen. Und Fabriken Sterben. Was gestern war geht heute schon in Scherben." Erich Kästner beschäftig sich auch mit "tagespolitischen Themen" Zitat (2. Strophe, Zeilen 3-4): "Minister sprechen oft vom Steuersenken. Wer weiß ob sie im Ernste daran denken?". Weiters behandelt er den Konjunkturaufschwung, Zitat (1.Strophe, Zeile 1) "Und die Kurse steigen" , Zitat (2.Strophe, Zeilen 6-7): "Die Käufer kaufen. Und die Händler werben. Das Geld kursiert, als sei es seine Pflicht.". Erich Kästner deutet auch die Entstehung einer neuen sozialen Oberschicht, bedingt dadurch, daß nur die "Besseren" von z.B.: Krediten profitierten, an, Zitat (1.Strophe, Zeilen 2): "Wenn jemand Geld hat, hat er auch Kredit." Um seiner Gesellschaftskritik mehr Stimmung zu verleihen bediente sich Erich Kästner einiger Stilmittel obwohl in der Neuen Sachlichkeit die Stimmung eigentlich schon durch die einfache Sprache selbst erzeugt wurde. Auch das Gedicht "Die Zeit fährt Auto wurde nicht in hochstillisiertem Deutsch verfaßt sonder in einfachen kurzen Sätzen und der Sprache der Masse. Eine Form des Paradoxons findet sich in der 1.Strophe in der 3. Zeile: "Wenn jemand Geld hat, hat er auch Kredit." In der anschließenden 4.Zeile findet sich eine Art Chiasmus (These - Antithese): "Die Konten reden. Die Bilanzen schweigen.". Schon der Titel, der sich am Anfang der 2.Strophe wiederholt, beinhaltet eine Personifikation der Zeit, Zitat: "Die Zeit fährt Auto". Der in der 1. Zeile der 2.Strophe darauffolgende Satz, Zitat: "Doch kein Mensch kann lenken", kann als Hyperbel (Übertreibung) gedeutet werden da es sicher Menschen gibt die
mit dem Streß bzw. der Schnelllebigkeit umgehen können. Betrachtet man diese Aussage allerdings vom Standpunkt aus, daß der Mensch die Zeit nicht beeinflussen bzw. den Lauf der Zeit nicht manipulieren kann ist der Satz "Doch kein Mensch kann lenken" durchaus zutreffend.
Als ich das Gedicht "Die Zeit fährt Auto" zum ersten Mal gelesen habe, konnte ich gar nicht glauben, daß es von Erich Kästner bereits in den 20er Jahren verfaßt wurde, da es meiner Meinung nach eine exakte Beschreibung unseres heutigen Zeit ist. Ich bin sehr beeindruckt von Kästners Fähigkeit seine Beobachtungen in so treffende und doch einfach zuverstehende Wörter umzuwandeln.
Ich denke Erich Kästner wollte uns nur zeigen wie sich die Welt "um uns herum dreht", "die Zeit Auto fährt" und wir trotz unserer Errungenschaften (Wirtschaft, unsere Gesellschaft im Allgemeinen) diese Naturphänomene bzw. Gesetze "nie" beeinflussen werden können. Weiters verweist er auch, wie schon erwähnt, auf die Schnelllebigkeit die in den 20er Jahren anscheinend schon herrschte.
Es wäre nicht Wien Josef Weinheber
War net Wien, wann net durt,
wo kan Gfrett is, ans wurdt.
Denn däs Gfrett ohne Grund
gibt uns Kern, hält uns gsund.
War net Wien, ging net gschwind
wieder amal der Wind,
daß der Staub wia net gscheiht
umanandreißt die Leut.
War net Wien, wolltst zum Bier
und es stößert mit dir
net a B'soffener z'samm
der da Feuer mächt ham.
War net Wien, wann net grad
aufgraben wurdt in der Stad,
Daß die Kübeln mit Teer
sperrn den Fremdenverkehr.
War net Wien, käm net glei
aner dasig vorbei,
der von d'Federn aufs Stroh
g'rutscht is, so oder so.
War net Wien, Pepi, wannst
raunzen mächst und net k a n n s t:
Denn das Gfrett ohne Grund
gibt uns Kern, hält uns gsund !
Josef Weinhebers Gedicht "Es wäre nicht Wien" ist im Stil der Neuen-Sachlichkeit verfaßt. Schon beim Lesen der Überschrift erkennt man, daß das Gedicht in Umgangssprache geschrieben ist - eine Sprachform die auch in der Neuen-Sachlichkeit verwendet wurde um volksnahe Gedichte zu verfassen. Das Gedicht "Es wäre nicht Wien" besteht aus 5 Strophen zu je vier Zeilen, wobei sich die dritte und vierte Zeile der ersten Strophe am Ende der fünften Strophe wiederholen. Diese zwei Zeilen Zitat: "Denn däs Gfrett ohne Grund gibt uns Kern, hält uns gsund" beschreiben die Ur-Wiener Mentalität. Das Reimschema des Gedichtes ist aa/bb, cc/dd, ee/ff, gg/hh, ii/bb. Das Versmaß des Gedichtes ist Anapest (uu-), Zitat (1.Strophe, Zeilen 1-2): "War ned Wien, wann ned durt, wo kan Gfrett, is ans wurdt."
In "Es wär ned Wien" beschreibt Josef Weinheber die Eigenarten der Stadt und seiner Einwohner. Da er dieses Gedicht in Wiener Mundart verfaßt hat ist die Beschreibung noch realitätsnäher. Ebenso wie Kästner verwendet Josef Weinheber in seinem Gedicht nur "einfache Sprache" und kurze Sätze. Um das Gedicht vielleicht noch verständlicher zu machen benutzte der Dichter kaum Stilmittel. Auffallend ist jedoch der gleichlautende Satzanfang (Anapher) jeder der fünf Strophen, Zitat: "War net Wien..." und der allgemeine These - Antithese Aufbau jeder Strophe, Zitat (1.Strophe, Zeilen 1-2): "War net Wien, wann net durt, wo kan Gfrett is ans wurdt.".
Josef Weinheber beschreibt mit einem satirischen Untertun die verschiedensten Wiener Alltagssituationen. Er nimmt die "Wiener Art" auf liebenswürdige Weise "aufs Korn".
Ich finde das Gedicht sehr unterhaltend, da seine Beschreibungen von Wien und seinen "eigentümlichen Bewohnern" meiner Meinung nach sehr zutreffend sind.
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