Zusammenfassung
Die Zeit Maria Theresias und Josephs II. ist das Halbjahrhundert der großen Reformen. Diese beiden Herrscher machten Österreich zu einem der fortgeschrittendsten Staaten in Europa. Waren die Reformen Maria Theresias noch recht maßvoll, so schufen sie doch die Grundlage zu einem modernen Staat. Ihr Sohn, Joseph II., war ein Vertreter des aufgeklärten Absolutismus. Das heißt, er war ein Diktator eines zentralistisch regierten Reiches, der mit radikalen Reformen das beste für seine Untertanen erreichen wollte. So setzte er den Weg seiner Mutter in stürmischer Weise fort, überspitzte die Reformen und sah sich am Ende seines kurzen Lebens dazu gezwungen, die meisten von ihnen - ausgenommen das Toleranzpatent und die Aufhebung der Leibeigenschaft - zurückzunehmen. Immerhin ersparte der Kaiser mit all seinen Vorzügen und Schwächen Österreich eine Entwicklung, welche das Land in ähnlicher Weise wie Frankreich zur gleichen Zeit mitten in eine politische und soziale Revolution hineingeführt hätte. In Österreich brauchte eine solche nicht gemacht zu werden, denn der erste und größte Revolutionär war der Kaiser selbst.
Sein Leben
Joseph II. wurde 1741 als ältester Sohn von Maria Theresia und Franz Stephan I. geboren. 1764 wurde er in Frankfurt am Main zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gewählt. Nach dem Tod des Vaters wurde er 1765 zum Mitregenten Maria Theresias in den habsburgischen Erblanden erhoben, er wurde König von Böhmen, Ungarn, Galizien und Lodomerien.
Joseph II. war in jungen Jahren zweimal verheiratet. Einmal mit Maria Isabella von Parma, die 1763 an Windpocken starb. Mit ihr hatte er eine Tochter namens Marie Therese, die im Alter von sieben Jahren an einer Lungenentzündung starb. Seine zweite Gemahlin, Maria Josepha von Bayern starb 1767 an der selben Krankheit wie seine erste Ehefrau. Als 1780 Maria Theresia starb, wurde Joseph II. bis zu seinem Tod am 20.2. 1790 Alleinherrscher.
Außenpolitik
Während der Zeit seiner Mitregentschaft stand Joseph II. in außenpolitischen Fragen oft im Gegensatz zu seiner Mutter. So setzte er 1772 die Teilnahme Österreichs an der ersten polnischen Teilung durch und gewann damit Galizien. Drei Jahre später erreichte er von der Türkei die Abtretung der Bukowina . Trotz vieler Verhandlungen mit Friedrich dem Großen von Preußen gelang der Erwerb Bayerns nicht. Danach wandte sich Joseph II. Katharina von Rußland zu und schloß mit ihr ein Verteidigungsbündnis.
Religion
Obwohl Joseph II. ein gläubiger Katholik war, schränkt er die Macht der katholischen Kirche erheblich ein, deren Oberhoheit er für sich in Anspruch nahm. Die katholische Kirche behielt zwar ihre Stellung als Staatskirche, doch wurde die "Duldung" anderer christlicher Bekenntnisse und des jüdischen Glaubens im sogenannten Toleranzedikt ausgesprochen. So durften nichtkatholische Kirchen keine Glocken besitzen und ihr Eingang sollte nicht an der Hauptstraße liegen. (Deswegen haben auch heute noch alte Synagogen ihre Eingänge in Seitengassen) Die Juden durften nun das Judenviertel verlassen und überall Wohnung nehmen, sie brauchten auch nicht mehr den berüchtigten "gelben Fleck" zu tragen, doch sie mußten Familiennamen annehmen. Wo sie sich dessen weigerten, hatten die kaiserlichen Beamten den Auftrag, ihnen zwangsweise Familiennamen zu geben. Aus dieser Zeit stammen so kuriose und einfallslose Namen wie Spiegel, Holzstein, Apfelbaum und Wiesental.
Innenpolitik
Neben den kirchlichen Reformen des Kaisers zeichnete sich seine revolutionäre Haltung vor allem auf dem Gebiet der sozialen Fürsorge ab. Hier war es die Lage der Bauernschaft, die den Kaiser zum Eingreifen veranlasste. Die meiste Zeit verbrachte er nämlich mit anonymen Reisen durch das ganze Land, um die Probleme seiner Untertanen kennenzulernen. Man bezeichnete ihn daher allgemein als "Reisekaiser". Dabei war das Reisen zu seinen Zeiten nicht bequem, vor allem in den östlichen Teilen der Monarchie, im neuerworbenen Galizien und in der Bukowina. Oft mußte er, in seinen Militärmantel gehüllt, auf einem Bündel Stroh schlafen. Wohin er kam, konnte sich auch der einfache Mann an ihn wenden, so wie er - sooft er in Wien weilte - an jedem Donnerstag freie Audienzen erteilte, ohne daß man dazu eine Voranmeldung benötigte.
In Böhmen war es schon unter Maria Theresia zu Bauernunruhen gekommen. Hier war die Lage erdrückend. Ein Beispiel dafür ist die Erwähnung der Tatsache, daß es die Bauern in Lundenburg als "Gnade" des Gutsherrn auffassten, wenn er ihnen gestattete, im Wald Eicheln zu sammeln, um daraus Brot zu backen. Die Hungersnöte dieses Landes ließen eine Viertelmillion Tote zurück. Darum ließ Joseph II. aus seinem Privatvermögen um 400.000 Gulden Leinwand kaufen, um den arbeitslosen Webern wieder Arbeit und Brot zu geben.
Am allerschlimmsten waren die Zustände in Galizien. Die Gutsherren waren Polen und römisch katholisch, die Bauern in Ostgalizien "Ruthenen" (so nannte man damals die Ukrainer) und griechisch-orthodox oder griechisch-uniert. Die Böhmisch-Österreichische Hofkanzlei sagte über die galizischen Zustände in einem Bericht:
"Ein Großteil der Bauernhütten ist eingestürzt oder im Begriff einzustürzen. Die Hälfte des Viehbestandes ist verschwunden, ein Drittel der Bauern ist flüchtig und ihre Angehörigen werden unter Bewachung zurückgehalten."
Es stand für Joseph II. fest, daß dieses System ein Ende haben mußte. Schon im ersten Jahr seiner Alleinherrschaft, 1781, wurde in den österreichischen Ländern die Leibeigenschaft aufgehoben.
Die Bauern durften von nun an ihre Wohnung wechseln, sich ohne die Zustimmung der Gutsherren verheiraten, und auch ohne deren Einwilligung ein Handwerk ergreifen. Eigene vom Kaiser eingeführte Beamte hatten die Durchführung der Bauernbefreiung zu überwachen. So verloren die Gutsherren auch das alleinige Recht, Brantwein zu verkaufen. Die Bauern durften nun selbst alkoholische Getränke erzeugen und verkaufen. Es wurde ihnen auch gestattet, sich gegen das Wild zu Wehr zu setzen, das, aus den gutsherrlichen Wäldern kommend, ihr Ackerland verwüstete.
Um selbst ein gutes Beispiel zu geben, ließ Joseph II. alle Wildschweine in der
Umgebung von Wien bis auf das letzte Stück erschießen.
Joseph II. ließ auch die deutsche Sprache als Amtssprache einführen.
Als im November 1784 an alle Behörden der Befehl erging, die Akten nur mehr in der deutschen und nicht wie bisher in der lateinischen Sprache abzufassen, erklärte der Kaiser erläuternd:
"Die Annahme, daß ich die ungarische Sprache beiseite schieben will, ist falsch. Meine Verfügung enthält nichts über die ungarische oder eine andere Sprache, die in Ungarn gesprochen wird. Es geht um die Beseitigung des Lateins, dieser toten, ausschließlich von Gelehrten benützten Sprache. Ich wünsche nicht, daß Millionen Menschen ihre Sprache wechseln, sondern nur, daß diejenigen Männer, die sich öffentlichen Angelegenheiten widmen wollen, deutsch anstelle von Latein verwenden, und daß die Jugend gleichfalls diese Sprache lernt. Man möge meinen Erlaß in diesem Geist ausführen und nicht aus den Augen verlieren, da ich ihn zum Wohl und zur Ehre der ungarischen Nation und des ungarischen Staates herausgegeben habe. Ich habe keineswegs die Absicht, die Muttersprache auszurotten oder meiner eigenen Bequemlichkeit einen Dienst zu leisten, da ich mich ebensogut in Latein ausdrücken kann."
Das Ende seiner Regierungszeit und die Zeit danach
Eine Reihe von Freiheiten, die Joseph II. zu Beginn seiner Alleinherrschaft gewährt hatte, wurden nach seinem Tod wieder zurückgezogen. So wurde die Zensur wiedereingeführt. Auch wurden alle Nachrichten über die im Juli 1789 in Frankreich ausgebrochene Revolution nicht mehr veröffentlicht.
Im selben Monat wurde zum erstenmal wieder die Zeitung "Wiener Bothe" verboten. Auch die Lehrfreiheit an den Schulen wurde eingeschränkt. Und als der Kaiser 1788 schwer erkrankte, mußte er auch den Forderungen der adeligen Stände nachgeben, die er zeit seiner Regierung bekämpft hatte. So widmete dem toten Kaiser einer seiner Minister, Graf Zinzendorf, in seinem Tagebuch am 22. Feber 1790 den folgenden vernichtenden Nachruf:
"Dieser Mann, dem so wenige Menschen die Wahrheit zu sagen wagten, der kein anderes Gesetz kannte, als seinen Willen, der von gewissen Vorurteilen erfüllt war und sich niemals darin vertiefen wollte, er wäre ein liebenswürdiger und guter Privatmann geworden, wenn er Gerechtigkeit und Moral respektiert hätte und wenn er weniger anmaßend gewesen wäre."
Doch wenige Jahre nach dem Tod Josephs II., als die Machtherrschaft (Despotismus) der Herrschenden immer drückender wurden, erkannte das Volk in der Person Josephs II. ein neues, verklärtes Idealbild, einen Mann, der sein Volk möglicherweise wirklich so geliebt hat, wie er es seinen Untertanen immer wieder versichert und durch manches Beispiel seiner Politik auch praktisch bewiesen hat.
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