Biographie
Tolkiens Eltern und seine Kindheit
Die Eltern von J. R. R. Tolkien, Arthur Reuel Tolkien und Mabel Tolkien, geb. Suffield sind um 1890 von Birmingham (Mittel- bis Süd England) nach Südafrika gezogen, weil Arthur dort eine berufliche Kariere beginnen wollte. Sie heirateten Anfang 1891 in Kapstadt und zogen dann nach Bloemfontein, der Hauptstadt des Oranje-Freistaats. Bloemfontein war eine junge Stadt, in der viele europäische Aussiedler wohnten. Arthur wurde dort ein leitender Mitarbeiter bei der Bank von Afrika.
Am 3. Januar 1892 wurde der erster Sohn, John Ronald Reuel Tolkien, in Südafrika geboren. Jetzt hatte seine Mutter Mabel mehr Abwechslung als vorher - ihr gefiel das Leben in Bloemfontein nicht sonderlich und auch das Klima bekam ihr nicht gut. Deshalb, und auch weil das Klima Ronald nicht gut tat (er war häufig krank), wollte Mabel 1893 zu einem Heimaturlaub fahren. Aber es kam nicht soweit: sie wurde wieder schwanger und gebar am 17. Februar 1894 Ronalds kleinen Bruder Hilary Arthur Reuel. Hilary bekam das afrikanische Klima besser als Ronald, dessen Gesundheit sehr unter der großen Hitze litt. So fuhr Mabel am Anfang des Jahres 1895 zurück nach England in die Nähe von Birmingham, in das Elternhaus. Dort ging es beiden Kindern sehr gut und auch Arthur wollte nach Erledigung einiger wichtigen Geschäfte zurück nach England kommen. Doch soweit kam es nicht, denn Arthur erkrankte im November an Rheumafieber und starb daran am 15. Februar 1896 in Afrika.
Mabel war jetzt alleine mit ihren zwei, noch recht kleinen Kindern und zog, wenn auch mit großen finanziellen Problemen, in ein kleines gemietetes Häuschen in einem kleinen Ort in der Nähe von Birmingham. Sie begann, die Kinder selbst zu unterrichten, weil sie sich einen Schulbesuch nicht leisten konnte und auch, weil sie selbst Latein, Französisch und Deutsch sprach und auch recht gut zeichnen und Klavier spielen konnte. Mabel (und die Kinder) wurde 1900 in die katholische Kirche aufgenommen, wo sie Pater Francis Morgan kennenlernten, der zu einem Freund der Familie wurde. In diesem Jahr kam Ronald auf die katholische King Edward's Schule. Nach einem kleineren Umzug gingen beide Jungen 1902 auf die näher gelegene St.-Phillips-Schule, wo sie aber nur ein Jahr wohnten und 1903 wieder umzogen - Ronald kam zurück zur renommierten King Edward's Schule.
Am Anfang des Jahres 1904 wurde bei Mabel Diabetes festgestellt. Es ging ihr lange Zeit nicht gut und sie starb im November 1904 mit 34 Jahren - Ronald und Hilary waren gerade 12 und 10 Jahre alt. Sie zogen zu ihrer Tante Beatrice. Pater Francis wurde ihr Vormund.
Seine Schulzeit - ohne Eltern
Ronald fand in der Schule viele Freunde, unter ihnen Christopher Wiseman, mit dem er die gemeinsamen Interessen der griechischen und lateinischen Sprache teilte und mit dem er in der Rugbymannschaft der Schule spielte. Er begann, sich mehr für Sprachen zu interessieren, die ihm zuerst seine Mutter beigebracht hatte und die er auch nun an der Schule lernte. Er beherrschte schon damals neben dem Englischen auch Latein, Griechisch, Deutsch und Französisch. Einem seiner Lehrer hatte er es zu verdanken, daß er nun auch begann, das Angelsächsische zu lernen. In dieser Sprache, die man auch das Altenglische nennt, fühlte er sich in die Zeit zurückversetzt, bevor die ersten Normannen England betreten hatten. Er interessierte sich auch für die Zusammenhänge mit dem Mittel- und Neuenglischen. Er las in einem Lehrbuch angelsächsische Urtexte, wie den "Beowulf" und begann, sie zu übersetzen. Dann wandte er sich dem Mittelenglischen zu, wo ihm besonders die Geschichte des "Sir Garwain and the Green Knight" interessierte. Er begann auch, das Gotische zu lernen, als er ein Buch von seinem späteren Professor Joseph Wright darüber in die Hände bekam. Aus der Liebe zu den Wörtern und zu dem System einer Sprache begann er, eigene Sprachen zu erfinden. Zuerst waren es kindische Sprachen, die er zusammen mit Freunden entwickelte und recht wenig System hatten, dann nahm er sich das System anderer Sprachen zum Vorbild (dazu begann er z.B., spanische Bücher seines Vormundes zu lesen). Diese Sprachen waren ausgereifter und hatten eine eigene Grammatik und Lautlehre. Er begann, immer neue Wörter zu erfinden und mit der Zeit entwickelte sich seine Sprache, die er "Naffarin" nannte.
Weil Pater Francis die Umgebung bei Tante Beatrice nicht gefiel, suchte er nach einer neuen Unterkunft für Ronald und Hilary. Sie zogen 1908 in ein Zimmer des Hauses einer Mrs. Faulkner. Dort lernte Ronald Edith Bratt kennen, in die er sich nach kurzer Zeit verliebte. Edith war 19 und Ronald 16 Jahre alt, als sie sich kennenlernten. Sie trafen sich oft auf ihren Zimmern oder gingen in die Teehäuser Birminghams. Doch als Ronalds Vormund, Pater Francis, von Ihrer Liebschaft erfuhr, verbot er Ronald, sich mit ihr zu treffen. 1909 scheiterte Ronalds erster Versuch für eine Bewerbung um ein Stipendium in Oxford. Er traf sich trotz des Verbotes weiter mit Edith, doch als Pater Francis davon erfuhr, veranlaßte er 1910, daß die beiden Jungen umzogen, nicht zuletzt aus dem Grund, daß Ronald sich mehr um die Schule kümmern konnte, um ein Oxford-Stipendium zu erhalten. In diesem Jahr schaffte Ronald es dann auch, ein Stipendium in Oxford am Exeter College zu erringen. Ronald hatte jetzt bis zu seinem 21. Geburtstag keine Möglichkeit mehr, Edith zu sehen, weil Pater Francis es strengstens verboten hatte, doch sie verabredeten, danach zu heiraten.
Während der letzten Jahre seiner Schulzeit an der King Edward's Schule gehörte Ronald zu einer Gruppe älterer Schüler, die die schuleigene Bücherei verwaltete. Neben ihm gehörten auch Christopher Wiseman und R. Q. Gilson, der der Sohn des Direktors war, zu dieser Gruppe. Aus diesen drei Freunden entstand der Tee-Club, der (wie der Name schon sagt) sich regelmäßig zum Teetrinken traf, wo dann meistens über Literatur diskutiert wurde. Später kam noch Geoffrey Bache Smith zu dieser Kerngruppe hinzu, der sich nicht nur gut in der englischen Literatur auskannte, sondern auch ein großes dichterisches Talent hatte, was auch Ronald zu dieser Zeit entwickelte.
Seine Studienzeit
Im Herbst 1911 begann Tolkien, in Oxford Philologie zu studieren. Er hatte es am Anfang nicht sonderlich leicht, mit den älteren Studenten zurechtzukommen, die meist aus reicheren und teils aus adeligen Familien stammten. Doch nach einiger Zeit hatte er sich an das Universitätsleben gewöhnt: er spielte Rugby, schloß sich dem Essay-Club und der Dialektischen Gesellschaft an, wo man bald sein Beisein schätzte. Nach einer Zeit gründete er zusammen mit anderen Neulingen seinen eigenen Club mit dem Namen "The Ablausticks\", in dem, meist bei gutem Essen, Aufsätze vorgelesen, diskutiert und debattiert wurden. Bei solchen Männergesellschaften (es gab nur wenig Studentinnen in Oxford und diese wurden getrennt unterrichtet) fühlte er sich am wohlsten, wenn gegessen, geraucht und diskutiert wurde. Er beschäftigte sich weiterhin mit seinen Schriften, begann wieder, wie in seiner Kindheit, zu zeichnen, probierte sich in der Kalligraphie, lernte nun richtig das Wallisische, beschäftigte sich mit den germanischen Sprachen und begann, Keltisch und Finnisch zu lernen. Bei dem Finnischen mochte er besonders den nordischen Mythos der "Kalevala", den er in finnischer Sprache las und übersetzte. Zu Weihnachten 1911 kam er zu einer Theateraufführung des Tee-Clubs mit seinen alten Freunden an der King Edward's Schule. Bei dieser Aufführung spielte er nach nur sehr wenigen Proben die Hauptrolle. Das Universitätsleben ging weiter und Weihnachten 1912, wo er nun fast 21 Jahre alt war, schrieb er ein Theaterstück, "Der Detektiv, der Chef und die Suffragette\", welches u.a. mit ihm als Schauspieler im Familienrahmen dargestellt wurde. Im späteren Leben bekannte er sich dazu, daß er das Theater nicht besonders mochte - er interessierte sich mehr für die Lyrik und besonders für die Epik.
Im Januar 1913 wurde Ronald 21 Jahre alt und somit volljährig. Pater Francis war nun nicht mehr sein Vormund und er konnte endlich Edith wiedertreffen, worauf er so lange gewartet hatte. In der langen Zeit, wo sie getrennt waren, hatte sich in der Sehnsucht die Liebe von einem zum andern stark entwickelt und sie verlobten sich sofort, sie sagten es aber noch niemandem. Ronald stand im Streß seiner Prüfungen für den Oxforder "Honour Moderation" - dem Abschluß des ersten Teils seines Studiums. Er bestand diese Prüfungen zum Bedauern seiner Professoren "nur" mit dem zweiten Rang (von Vier), hatte aber ein ausgezeichnetes Ergebnis in seinem Spezialfach der vergleichenden Philologie. Er studierte ab Sommer 1913 nun nicht mehr klassische Philologie, sondern begann, an der Fakultät für englische Sprache und Literatur Anglistik zu studieren. Diese Fakultät war (inoffiziell) in zwei verfeindete Teile geteilt: den sprachlichen Teil, der sich mit der Entwicklung der englischen Sprache (Alt- und Mittelenglisch), der Philologie und der englischen Literatur bis Chaucer beschäftigte und dem modernen Teil, der sich mit der Literatur nach Chaucer bis in das 19. Jahrhundert beschäftigte. Tolkien gehörte natürlich dem sprachkundlichen Teil an, den die "Modernen" als "Wortklauberei und Pedanterie" bezeichneten. Weil aber alle Studenten Anglistik studierten, mußten auch alle zu den Vorträgen beider Gruppen gehen. Mittlerweile studierten alle Mitglieder des Tee-Clubs: G. B. Smith mit Tolkien in Oxford und R. Q. Gilson und Christopher Wiseman in Cambridge. Sie trafen sich von Zeit zu Zeit, tauschten Erfahrungen aus ihrem Studium aus und lasen kritisch Texte und Gedichte der anderen.
1914 wechselte Edith in die katholische Kirche, der Ronald angehörte. Sie tat dies nicht aus Überzeugung, doch Ronald, der sehr gläubig war, bestand darauf. Außerdem wollten sie sich nun auch öffentlich verloben und Pater Francis, von dem Ronald noch finanziell abhängig war, duldete dies nur, wenn Edith auch katholisch werden würde.
Der 1. Weltkrieg hatte begonnen und Ronald beschloß, nach einem Aufenthalt mit Edith in Cornwall, gegen den Willen seiner Verwandten, die erwarteten, daß er freiwillig, wie sein Bruder, für England in den Krieg gegen Deutschland ziehen würde, sein Studium zu beenden, bevor er dann zwangsweise eingezogen würde. Noch während seiner letzten Semester machte er eine harte militärische Grundausbildung im Park der Universität, weil er sonst schon zu dieser Zeit richtig in den Krieg hätte ziehen müssen. Er begann während dieser Zeit, auch erste Gedichte zu schreiben, zum Teil in normalem Englisch, aber auch in einer neu entwickelten Sprache, die dem Finnischen sehr nahe war. In diesen Gedichten kamen erste Elemente vor, die später in seiner Welt des Silmarillions wieder auftraten.
Im Sommer 1915 beendete er sein Studium und erhielt den ersten Rang mit Auszeichnung. Er wurde weiterhin in militärischen Dingen unterrichtet, wurde häufig verlegt und erhielt den Rang eines Offiziers. Er entschied sich nun zu einer Spezialausbildung in der Nachrichtenübermittlung, weil ihm keine der anderen militärischen Alternativen besser gefiel.
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