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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Johann nepomuk eduard ambrosius nestroy


1. Drama
2. Liebe

Johann Nepomuk Eduard Ambrosius Nestroy wurde am 7. Dezember 1801 in Wien als Sohn des Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Johann Nestroy geboren. Er selbst erfüllte nicht den Wunsch seines Vaters, der ihn gern als Priester gesehen hätte. Seine Jugend verlief in konventionellen Bahnen: Gymnasialbildung wie bei allen Kindern der akademischen Berufskreise und dann die Universität. Aber nach zwei Jahren des Studiums der Rechtswissenschaft hielt es Johann Nestroy nicht länger.

     Er hatte eine gute Singstimme und dürfte schon als Kind und Gymnasiast bei Dilettantenaufführungen und Hauskonzerten mitgewirkt haben. Das Theater als solches war ihm als echtem Wiener Kind eine Welt, die er seit frühestem kannte. Wie sehr dieses Wien des frühen 19. Jahrhunderts mit der Bühne verbunden war, zeigt nichts deutlicher als die Tatsache, daß hier in Wien unter der Redaktion des Theaterdichters und langjährigen Sekretärs des Leopoldstädter Volkstheaters Adolf Bäuerle eine eigene \"Theaterzeitung\" erscheinen konnte. Jedenfalls -- Nestroy sang eines Tages dem Hofkapellmeister Josef Weigl vor und fand sofort Anstellung an der Wiener Oper. Eine blendende Karriere als Opernsänger schien ihm bevorzustehen.

     Seine erste Rolle war der Sarastro in Mozarts \"Zauberflöte\", den er in der Vorstellung am 24. August 1822 sang. Aber er blieb nur kurze Zeit in Wien. Es scheint, daß er daran verzweifelte, in kürzerer Frist in die erste Reihe der Opernsänger einzutreten. So nahm er das Angebot der Deutschen Oper in Amsterdam an. Von 1823 bis 1825 gehörte er dieser Bühne als führendes Mitglied an.

     In diese Periode seines Lebens fällt auch seine Ehe, die einen tragischen Ausgang nahm. Sie wurde aus Verschulden der Frau geschieden, und Nestroy brach alle Beziehungen zu ihr ab. Auch in seinem Testamente wurden sie und ihr gemeinsamer Sohn Gustav nur auf den gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtteil beschränkt Diese voreilige Eheschließung des jungen Künstlers verhinderte später die Legalisierung des Lebensbündnisses, das er mit der Schauspielerin Maria Lacher (unter dem Namen Maria Weiler bekannt) einging. Seine zwei Kinder aus diesem Bunde (Karl, geb. 1831; Cäcilia, geh 1840) wurden erst durch ,die kaiserliche Entschließung vom Jahre 1858 legitimiert. In diesem persönlichen Verhältnis zu seiner ehelich angetrauten Frau und zu der Lebensgefährtin, die dann die Stelle der Hausfrau bei Nestroy vertrat, scheint der Dichter ein echtes Gegenstück zu seinem großen Kunstgenossen Ferdinand Raimund: auch dieser lebte mit seiner geliebten Toni Wagner in Lebensgemeinschaft, nachdem die von ihm vorschnell geschlossene Ehe mit der Schauspielerin Luise Gleich aus Alleinverschulden der Frau geschieden worden war.

     Die damaligen Gesetze des habsburgischen Reiches aber gestatteten Katholiken auch von staatswegen keine zweite Ehe bei Lebzeiten der geschiedenen Gattin. Möglicherweise verleidete das eheliche Mißgeschick Nestroy den Aufenthalt in den Niederlanden. Auf dem Umweg über verschiedene Bühnen (Hamburg, Hannover, Leipzig, Dresden) kam er in die böhmische Landeshauptstadt Prag. Von hier ging es dann nach Brünn. Hatte Nestroy bisher immer noch als Opernsänger gewirkt und nur aushilfsweise Sprechrollen betreut, so trat in der mährischen Landeshauptstadt der entscheidende Umschwung ein: er erkannte seine Begabung als Komiker und wurde nun der Vertreter dieses Faches in den Lustspielen, Possen und Volksstücken. Die größten Triumphe erzielte er als der Hausknecht Adam in Kerntheuers Stück \"Alle sind verheiratet (erstaufgeführt 1823).

     Nun war er in seinem Element. Wie ein Fisch im Wasser wurde er lebendig, so lebendig, daß die Polizei seinem weiteren Auftreten ein Ende machte: sie wollte es nicht zulassen, daß Nestroy auf der Bühne immer wieder \"extemporierte\" d. h. aus der Laune des Augenblickes und der Stimmung heraus, die im Theater herrschte, Einlage machte, die in dem von der Zensurstelle genehmigten Textbuch des Stückes nicht zu finden waren, weil sie eben nicht der Feder des Theaterdichters, sondern n dem Geist des Darstellers ihre Entstehung verdankten. Das Verbot, in Brünn weiter zu spielen, führte Nestroy nach Graz. Der verständnisvolle Direktor des steirischen Landestheaters, Stöger, berief ihn 1826 an seine Bühne, und diese könnte ihn bis zum Jahre 1829 halten.

     In Graz trat Nestroy, obwohl ihn sein Vertrag als \"Opernsänger\" bezeichnete, in einer Reihe von komischen Rollen auf, die ihm ebenfalls wie in Brünn zum Liebling der Theaterbesucher machten. Halb freiwillig, halb durch den Beifall des Publikums und den Wunsch des Direktors gezwungen, fand Nestroy seine ihm angemessene Art der Darstellung. Es ist nicht das NaivHumorvolle eines Raimund sondern das Bissig-Zynische eines neuen Zeitalters,, das aus Mimik und Worten sprach. Ausländische Kritiker wie der Schwabe Friedrich Theodor Vischer, die mit den sozialen Verhältnissen des österreichischen Theaters nicht vertraut waren, sondern von einem abstrakt ästhetischen Standpunkt ausgingen, tadelten in heftigen Worten diese Nestroy\'sche Bühnentätigkeit. Auch Graz war nicht die letzte Station in Nestroys Theaterlaufbahn. Nach einem Jahr der Unruhe, das ihn zwischen Graz und Preßburg hin- und herführte, kam der Dichter wieder in seine Vaterstadt Wien zurück.

     Nun bereits im Besitze der Volksgunst, als Darsteller komischer Rollen hochgeachtet und bei allen Kennern des Theaters eingeführt, konnte er seine Bedingungen stellen. Die Hofoper, an der er seine künstlerische Laufbahn begonnen hatte, bewarb sich ebenso um ihn wie der Theaterdirektor Carl Carl (eigentlich Carl Andreas von Bernbrunn), der das Theater an der Wien leitete. Nestroys guter Stern ließ ihn das Angebot der Hofoper ausschlagen, obwohl ihn eine Stelle an dieser hochangesehenen kaiserlichen Bühne sozial höher gehoben hätte als die Tätigkeit am Carl´schen Volkstheater. Aber Nestroys komisches Talent wäre an der Hofoper nicht zur Geltung gekommen. So aber blieb er nunmehr mit Carl Carl verbunden, so lange dieser lebte, und übernahm nach dessen Tod selbst die Leitung der Leopoldstädter Bühne, an der einst Ferdinand Raimund als Schauspieler und Direktor mitgewirkt hatte und die jetzt unter dem Namen \"Carltheater\" geführt wurde Volksstück geistig näher miteinander verwandt sind, als es der Unterschied der Sprachen auf den ersten Blick erscheinen lassen möchte. Immer wieder haben ja auch Reisende -- bis in unsere Tage hinein -- dieses seltsame gemeinsame \"Etwas\" von Paris und Wien festgestellt und sich darüber gewundert.

     Was Nestroys größte und erhabenste Kunst ausmacht, eine Kunst, die ihn zu einem der ganz wenigen Meister der deutschen Sprache werden läßt -- nicht umsonst war kein Geringerer als Karl Kraus der Verehrer Nestroys und hat sein Werk in vielen Vorlesungen seinen Zuhörern vermittelt -- was also Nestroys höchste Kunst ausmacht, ist weniger die Erfindung der Handlung des Stückes im allgemeinen als die Gestaltungskraft des Dichters in den Einzelheiten, jene Wortgewalt, die einen Sprühregen von Satire, bissiger Ironie und galligem Humor um sich herum niedergehen ließ. Die Gesamtausgabe der Nestroy\'schen Werke umfaßt 16 Bände. Alle Arten und Unterarten der Altwiener Volkskomödie sind bei Nestroy zu finden: das Märchenstück (wie \"Lumpazivagabundus\"), die Lokalposse (wie \"Einen Jux will er sich machen\"), die Parodie (wie \"Judith und Holofernes\") und endlich das Charaktergemälde (wie \"Der Zerrissene\").Den Übergang zum realistischen Sittenstück, und damit zur neuen modernen Dichtung (\"modern\" im Sinne der Zeit Nestroys gemeint), aber vollzog er mit dem \"Unbedeutenden\". Wie Ferdinand Raimund kam auch Johann Nestroy dazu, der Verfasser von Stücken zu werden, in denen er selbst auftrat. Zum Honorar der Schauspieler gehörte neben dem monatlichen Fixum auch die \"Benefizvorstellung\", die ihm ein- oder zweimal im Jahr zustand.

     Darunter begriff man eine Vorstellung, deren gesamter ReinGewinn nicht der Theaterkasse, sondern dem Schauspieler zufiel, der eben \"Benefiz\" hatte. Selbstverständlich bemühten sich alle Schauspieler, anläßlich ihrer Benefizvorstellungen Neue Stücke in Erstaufführung herauszubringen: ein schon öfter gespieltes Stück hätte weniger Publikum ins Theater gezogen. Nestroy schriebt in der Einladung zu einer BenefizVorstellung am 20. Dezember 1828, er folge der Mode, wenn er sich selbst das Benefizstück geschrieben habe. Es mag dahingestellt bleiben, ob die Altwiener Volksbühne nach ästhetischen Gesichtspunkten gerecht beurteilt werden kann, die außerhalb ihr liegen. Die vielen Theaterdichter, die das Biedermeier-Österreich kannte, hatten nicht den Ehrgeiz, mit ihren Werken in die Weltliteratur einzugehen.

     Und wenn ein antikes Sprichwort davon redet, daß \"Vater Homer zuweilen schlafe\" und man damit meint, daß auch in einem solchen Meisterwerk, wie es die \"Ilias\" oder die \"Odyssee\" ist, Stellen vorkommen, die zu ästhetischen oder inhaltlichen Vorbehalten n Anlaß geben, so ist dies beim Repertoire der Altwiener Volksbühne erst recht der Fall. Trotzdem erheben sich einzelne ihrer Werke zur Höhe vollendeteter Charakakterstudien. Alle aber sind theaterund bühnenenwirksam, denn sie sind ja nicht als \"Lesedramen\", sondern geradezu für die Aufführung geschrieben worden. Johann Nestroy hat sich als Dichter der allgemeinen Tendenz der Altwiener Volksbühne weder entzogen noch entziehen wollen. Auch für ihn gilt es, daß seine Stücke oft sehr rasch verfertigt wurden, Anleihen von da und dort nahmen und nicht zögerten, Dinge zu berühren, die \"aktuell\" waren. Aktualität bedeutet aber sehr oft \'Vergänglichkeit.

     Denn mit dem Schwinden der Aktualität sinkt nicht bloß das Interesse, sondern auch -- insbesondere bei nachgeborenen Geschlechtern -- das Verständnis für den Witz und die Ironie, die in ihr liegt. Nestroy machte dies nichts aus. Und es zeugt gerade für seine wahre Dichterschaft, daß mitten aus der Fülle von Aktualitäten einige seiner Werke hervorleuchten, einen Gehalt in sich tragen, der sie weit über alles erhebt, was dieser Gattung ist. Dabei spielt es gar keine Rolle, daß Nestroy sehr gern das Pariser Vorstadttheater benützt. Daß er die sogenannten \"Vaudevilles\" (= die frazösischen, die Pariser Volksstücke) verwienert. Das geschieht einfach in der Weise, daß unter Beibehaltung des grundsätzlich gegebenen Handlungsschemas Figuren und Figurengruppen, Szenen und Szenengruppen ausgetauscht werden.

     Charakteristische Personentypen, die e es in Paris gibt, die jedoch in Wien fehlen, verschwinden einfach. Andere Typen, die echt wienerisch sind, treten auf und werden neu geboren. Das ist aber nur möglich, weil wir die verblüffende Tatsache vor uns haben, daß das Altwiener und das Pariser Volksstück geistig näher miteinander verwandt sind, als es der Unterschied der Sprachen auf den ersten Blick erscheinen lassen möchte. Immer wieder haben ja auch Reisende -- bis in unsere Tage hinein -- dieses seltsame gemeinsame \"Etwas\" von Paris und Wien festgestellt und sich darüber gewundert. Was Nestroys größte und erhabenste Kunst ausmacht, eine Kunst, die ihn zu einem der ganz wenigen Meister der deutschen Sprache werden läßt -- nicht umsonst war kein Geringerer als Karl Kraus der Verehrer Nestroys und hat sein Werk in vielen Vorlesungen seinen Zuhörern vermittelt -- was also Nestroys höchste Kunst ausmacht, ist weniger die Erfindung der Handlung des Stückes im allgemeinen als die Gestaltungskraft des Dichters in den Einzelheiten, jene Wortgewalt, die einen Sprühregen von Satire, bissiger Ironie und galligem Humor um sich herum niedergehen ließ. Die Gesamtausgabe der Nestroy\'schen Werke umfaßt 16 Bände.

     Alle Arten und Unterarten der Altwiener Volkskomödie sind bei Nestroy zu finden: das Märchenstück (wie \"Lumpazivagabundus\"), die Lokalposse (wie \"Einen Jux will er sich machen\"), die Parodie (wie \"Judith und Holofernes\") und endlich das Charaktergemälde (wie \"Der Zerrissene\"). Den Übergang zum realistischen Sittenstück, und damit zur neuen modernen Dichtung (\"modern\" im Sinne der Zeit Nestroys gemeint), aber vollzog er mit dem \"Unbedeutenden\". \"Der Unbedeutende\" wurde am 2. Mai 1846 aufgeführt. Der reinen Z e i t nach befinden wir uns noch im \"Vormärz\", im \"Biedermeier\". Allerdings nur mehr zwei Jahre vor der großen Revolution von 1848.

     Aber der Geist dieses Stückes gehört bereits einer späteren Zeit an. Ludwig Anzengrubers und Rudolf Hawels Werke sind hier von ihrem größten Vorgänger vorweggenommen. Der Biedermeier-Mensch erweist sich als der K ä m p f e r, der er tatsächlich ist. Der gemütliche Österreicher als der scharfsinnige Beobachter der Wirklichkeit und der kluge Kritiker einer Gesellschaft, die die ersten Anzeichen einer Auflösung sehen läßt. Der Gegensatz zwischen Adel und Bürgertum, der im 18. Jahrhundert den Inhalt viel gespielter und bis heute bekannter Problemstücke (etwa Lessings \"Emilia Galotti\" und Schillers \"Kabale und Liebe\") ausmachte, ist im \"Unbedeutenden\" bereits in ein anderes Licht gerückt: nicht mehr der Adel herrscht, auch wenn er noch eine gesellschaftliche Stellung einnimmt, die ihm überkommen ist.

     Der \"Schurke\" des Nestroy\'schen Theaterstückes und der Verurteilte ist jener \"Manager\"-Typ (Nestroy kannte natürlich diesen Namen noch nicht!), dessen Betriebsamkeit dem eigentlichen Herrn alle Arbeit aus den Händen nimmt, der im Namen des Herrn sein eigenes Süppchen kocht, der sich nicht geniert, ein anständiges Bürgermädchen zu verleumden und um ihre Ehre in den Augen der Welt zu bringen -- nur damit er seine eigene Rolle in der Gesellschaft weiterspielen kann. Es geht nicht mehr darum, ob das Bürgertum (hier bei Nestroy bereits das Kleinbürgertum) dem Adel \"gleichberechtigt\" ist - diese Tatsache wird nicht mehr bestritten; auch der Adel erkennt sie an (in der Gestalt des ehrenwerten Packendorf, bei dem wir unwillkürlich an jene konservativen Adels kreise Österreich-Ungarns denken müssen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter der geistigen Führung des großen Sozialreformers Carl von Vogel sang die Sache des arbeitenden Volkes gegen die Ausbeutung vertraten). Es geht vielmehr darum, daß es niemandem gestattet sein darf, Unrecht zu tun -- und daß auch der \"unbedeutende\" Zimmermann Peter Spann Recht erhalten muß, weil er im Recht ist. An das Alt Wiener Volksstück erinnern noch die \"sprechenden\"

 
 

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