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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Interpretation von gedichten auf inhalt und stilmittel


1. Drama
2. Liebe

Hinweis: Die Informationen zu den einzelnen Werken sind Büchern entnommen, die Interpretationen wurden aber nicht übernommen sondern selbst ausgearbeitet. Wegen der Chiffren und weiteren Stilmitteln ist teilweise ein und dasselbe Gedicht auf verschiedene Weise interpretiert. Dies entspricht aber genau dem expressionistischen Gedanken von Entfaltung des einzelnen, jeder bringt das Gelesene mit anderen Erinnerungen und Erfahrungen in Verbindung und bildet sich seine eigene individuelle Meinung.









Jakob van Hoddis: Weltende
Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,

In allen Lüften hallt es wie Geschrei,
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
und an den Küsten - liest man - steigt die Flut

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

Der Inhalt des Gedichtes "Weltende" von Jakob van Hoddis ist in Wirklichkeit komplett symbolisch zu sehen. Während der "dem Bürger vom Kopf fliegende Hut, die abstürzenden Dachdecker, die Unruhen in Form von Geschrei und der Schnupfen" ein eindeutiges Bild von der Krise der "kranken" Gesellschaft hervorbringen, zeigen die "steigende Flut, der Sturm und die hupfenden Meere, die zu zerbersten drohenden Dämme und Eisenbahnunglücke" , wie der Titel schon erwähnt, das bevorstehende Weltende.
Die Untergangsstimmung und die Katastrophe sind wahrscheinlich mit dem Auftauchen des Halleyschen Kometen in Verbindung zu setzen, wo hingegen die Unfälle auf die expressionistische Revolution gegen das wilhelminische Bürgertum hindeuten.
Das Gedicht setzt sich aus zwei Strophen mit jeweils vier Zeilen zusammen, von denen die erste das Reimschema abba, die zweite abab hat. Naturkatastrophen und menschliche Unfälle in einem Durcheinander ohne jeden Bezug, teils katastrophal, teils banal aneinandergereiht. Dieses hebt sich von traditionellen Techniken hervor und wird als Verfremdungseffekt bezeichnet. Während der Satzbau recht normal erscheint taucht in jeder Strophe eine ungewöhnliche Wortkombination auf: vom spitzen Kopf, Meere hupfen. Dies ist ein Spiel mit der Sprache. Außerdem wird durch die kurze und präzise Formulierung eine ungewöhnliche Intensität erreicht.



Gottfried Benn: Gefilde der Unseligen
Satt bin ich meiner Inselsucht,

des toten Grüns, der stummen Herden;
ich will ein Ufer, eine Bucht

ein Hafen schöner Schiffe werden.


Mein Strand will sich von Lebenden
mit warmem Fuß begangen fühlen;

die Quelle murrt in gebendem
Gelüste und will Kehlen Kühlen.

Und alles will in fremdes Blut

aufsteigen und ertrunken treiben
in eines andern Lebensglut,

und nichts will in sich selber bleiben.

In diesem Werk wird die Frage gestellt, ob das Lebensglück durch Ausgrenzung oder Integration von anderen Menschen erreicht werden kann. Benn schreibt von einem Menschen, dem lyrischen Ich, der: "genug von der Inselsucht, totem Grün und stummen Herden hat", was ein Zeichen für die Suche nach dem Weg aus der Einsamkeit ist - der Sehnsucht nach Kontakt mit anderen Menschen. Den ersten Schritt will er aber nicht unternehmen, das zeigt sich in der Passivischkeit des Ausdrucks: "mein Strand will sich... begangen Fühlen". In der letzten Strophe wird die Sehnsucht nach Glück in der Integration mit anderen Menschen durch die Worte: "in eines andere Lebensglut..." verdeutlicht. Man kann dies als das Verlangen nach einem ewigen, christlichen Leben sehen. Eventuell inspirierten Benn seine Theologiesemester zu diesem Gedanken, ganz nach dem Ideal von Erneuerung und Wiedergeburt.
Politisch interpretiert könnte die Inselsucht der aufkommende expressionistische Gedanke sein, der am Anfang nur von wenigen Menschen getragen wird, hier vom lyrischen Ich, das sich daher einsam fühlt. Die stummen Herden wären dann die Massen des Volkes bzw. die wilhelminische Gesellschaft. Das lyrische Ich will nun aus dem Dschungel des toten Grüns zum Ufer, zum Strand, zu anderen Menschen - von der Ausgrenzung zur Integration - das optimistische Vorwärtsdrängen um die Erneuerung, die Revolution zu erleben.
Jedoch wünscht es sich, daß die Menschen von sich aus auf es zukommen, was der passivische Ausdruck: "Mein Strand will sich begangen fühlen" zeigen könnte. Als Gegenleistung wäre die Person dann bereit, die Kehlen der werdenden Übermenschen zu kühlen. In der letzten Strophe will "alles in fremdes Blut aufsteigen...in eines anderen Lebensglut ...und nichts in sich selber bleiben", der revolutionäre Gedanke setzt sich in den Köpfen fest, geht in Fleisch und Blut über, zur Entfaltung des Einzelnen im Gegensatz zur Enthumanisierung des Imperialismus.
In diesem Werk, das aus drei Strophen mit stets vier Zeilen und dem Reimschema abab besteht, sind ganz besonders viele Chiffren(z.B. Inselsucht) und neue Wortkombinationen(Lebensglut) vorhanden, auch der Verfremdungseffekt, die Farbsymbolik(totes Grün) das lyrische Ich und die ausdrucksstarken Bilder sind typisch für ein eher optimistisch orientiertes Gedicht der expressionistischen Epoche.



Gottfried Benn: Hier ist kein Trost
Keiner wird mein Wegrand sein.

Laß deine Blüten nur verblühen.
Mein Weg flutet und geht allein.

Zwei Hände sind eine zu kleine Schale.

Ein herz ist ein zu kleiner Hügel,
um daran zu ruhn.

Du, ich lebe immer am Strand

und unter dem Blütenfall des Meeres,
Ägypten liegt vor meinem Herzen,

Asien dämmert auf.


Mein einer Arm liegt immer im Feuer.
Mein Blut ist Asche. Ich schluchze immer

Vorbei an Brüsten und Gebeinen
den thyrrhenischen Inseln zu:

Dämmert ein Tal mit weißen Pappeln

ein Ilyssos mit Wiesenufern
Eden und Adam und eine Erde

aus Nihilismus und Musik.

Das Gedicht besteht aus fünf Strophen, die ersten beiden mit drei, die letzten drei mit vier Zeilen, wobei sich nur die erste Strophe reimt( Reimschema aba ). Es handelt von einen Menschen, der einem anderen keinen Trost spendet. Er läßt sich nicht in gesellschaftliche Normen zwängen: "keiner wird mein Wegrand sein" - d.h. keiner wird ihn eingrenzen, daher wird er den anderen auch nicht daran hindern, dessen Leben sinnlos verstreichen zu lassen - "Laß deine Blüten nur verblühen." Mit: "Mein Weg flutet..." drückt sich die revolutionäre, antiautoritäre Haltung und Abneigungen gegen die moderne Zivilisation, Imperialismus und einengende Gesellschaftsformen aus. Die zweite Strophe schildert das Unvermögen und den Unwillen zur Trostgebung, denn jeder muß und soll seinen eigenen Weg gehen und selbst über das eigene Leben entscheiden. In der dritten Strophe zeigt sich ein extrem starkes Gefühl von Freiheit und Zufriedenheit. Das Verblühen ändert sich in einen Blütenfall - gemeint ist der Mensch, der es geschafft hat die Zwänge von Zivilisation und Gesellschaft zu überwinden - der Übermensch, der bei seiner Suche nach Glück nicht in den Pessimismus sondern in den vorwärtsdrängenden Optimismus verfällt. Der Trost und Hilfe Suchende ist gefangen im Feuer der Gesellschaft, er sehnt sich nach der Freiheit und den tyrrhenischen Inseln (westlich Italiens). In der fünften und letzten Strophe dämmert das Paradies, die Aussicht auf Erneuerung und Wiedergeburt in einer besseren Zukunft nach der Überwindung der Krise der bürgerlichen Gesellschaft.
Als Stilmittel werden die Personifizierung des Weges in der ersten Strophe, der Verfremdungseffekt, die zuerst extrem kurzen dann aber länger werdenden Sätze und die bildhafte und chiffrenreiche Sprache verwendet.

 
 

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