1. Einleitung
Küsten gehören, neben den Einzugsgebieten großer Ströme, zu den am dichtesten besiedelten Landschaften und damit auch zu den strapaziertesten. Der internationale Tourismus verzeichnet weiter ein stetiges Wachstum. Die Zahl der Grenzüberschreitenden Urlauber lag 1996 bei 593 Mio. Nach Schätzungen der WTO soll sich der Wert in den nächsten fünf bis acht Jahren verdoppeln und im Jahr 2020 1,6 Mrd. erreichen (vgl. HAAS u. SCHARRER 1997, S. 648). Der Tourismus ist für viele der eigenständigen oder weitgehend unabhängigen Inselstaaten der Karibik, des Pazifiks und des indischen Ozeans bereits der wichtigste Wirtschaftsfaktor, oft auch setzt man erst seit den letzten Jahre große Hoffnung in den Ausbau des Tourismus. Aber auch die Inseln des Mittelmeeres und der Nord- wie Ostsee sind im hohen Maße vom Tourismus abhängig. Die Sandstrände sind der Hauptanziehungspunkt der Urlauber. Die touristisch bedingte Nutzungsintensität an den Küsten ist dementsprechend hoch. Kommt eine hohe Biodiversität hinzu, entsteht ein hohes Konfliktpotential (vgl. BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ, 1997 S. 128). Dies ist zum Beispiel an Küsten mit vorgelagerten Korallenriffen der Fall. Thema dieser Arbeit sind die Auswirkungen des Inseltourismus auf Boden und Relief und die dadurch induzierten Konflikte.
2. Naturschutz - Notwendigkeit statt Luxus
Naturschutz als Steckenpferd einer gutsituierten Industriegesellschaft? Diesen Eindruck kann man gegenwärtig bekommen. Als Beispiel mag man einmal die diesjährige Bundestagswahl betrachten. Der Schutz der Natur, vor einigen Jahren immer noch eins der fünf Top-Themen im Wahlkampf, spielte diesmal, wenn überhaupt nur eine untergeordnete Rolle. Themen wie Arbeitslosigkeit, innere Sicherheit, Europa, Bildung, Reformstau waren die Felder auf denen Stimmen gewonnen wurden (vgl. o.A. 1998). Es scheint als eigne sich der Naturschutz als Thema nur, wenn die Menschen gerade keine anderen Probleme haben. Der Schutz der Natur gilt oft als Bremse der Wirtschaft und des Fortschritts und wird somit mitverantwortlich gemacht für Arbeitslosigkeit und Stagnation (vgl. KNAPP, 1993 S. 91). Unabhängig davon ob diese Behauptungen teilweise zutreffend sind oder nicht, steht es außer Zweifel, daß der Schutz der Natur eine der wichtigsten Aufgaben geworden ist, da dem Menschen das Überleben ohne Natur nicht möglich ist. Er ist auf der einen Seite auf ihre Bereitstellung von Wasser, Boden, Luft und Rohstoffen angewiesen, benötigt sie darüber hinaus \"zum Regenerieren, Nachdenken, Stillsein, Neugierde behalten, Weiterfragen, Staunen, zur Läuterung, Wertfindung und Selbstkorrektur\" (ELLENBERG 1997, S. 4). Aus diesem Grund erklärt H.D. Knapp Naturschutz zur Angelegenheit einer breiten gesellschaftlichen Basis, ja aller Menschen. Er ist eben nicht das Steckenpferd \" einiger Vogelfreunde, Blümchenliebhaber oder weltfremder Spinner, ist nicht schmückendes Beiwerk für harte Wirtschaftsentwicklung\" (KNAPP, 1993 S. 91).
2.1 Strategien
Nun ist es so, daß Menschen, je größer ihre räumliche Distanz zur Natur ist, den Naturschutz eher als Notwendigkeit entdecken. \"Städter haben vor Dörflern Naturschutz als Aufgabe gesehen. Industriestaaten forderten Naturschutz eher als Agrarländer\" (ELLENBERG 1997, S. 4). Einige Beispiele dafür sind die wilden Schrott- und Müllhalden im sehr dünn besiedelten Norden Schottlands, die verlassenen Höfe Islands, auf denen Ölkanister und Autobatterien in nicht geringer Zahl vergammeln und nicht zuletzt die Höfe des Münsterlandes, auf denen beim Ölwechsel die Entsorgung noch lange Zeit durch einfaches versickern lassen erfolgte. Daß dies so ist liegt daran, daß Umweltsünden erst dann in das Bewußtsein der Menschen dringen wenn sie offensichtlich werden. Dies ist natürlich in Regionen, in denen viele Menschen leben eher der Fall. Bedingt durch diese Situation wird Naturschutz oft von der Stadt aufs Land, von den Industriestaaten in die Agrarländer getragen, von außen nach innen also. Nach Ellenberg gibt es weltweit fünf unterschiedliche Strategien Naturschutz durchzuführen. Eine kurze Erläuterung dieser Strategien erfolgt anhand der folgenden Tabelle:
Strategien
Positive (+) / negative (-) Aspekte
1) \"Naturschutz wird von Eliten als notwendig erachtet. Sie bilden sich aus Naturschutz bewegten Städtern, Politikern, finanziell potenten Einzelpersonen eventuell auch aus Vertretern der Jagd-Lobby. ... Der Naturschutz wird vor Ort als Überraschung lanciert und ist ein Dekret, das ohne Rücksicht auf die lokale Bevölkerung eingeführt wird.\"
+ Naturschutz wird zügig realisiert und straff organisiert
- Fehlende Akzeptanz unter der betroffenen Bevölkerung
- Nachhaltigkeit des Schutzes erfordert ständige Kontrolle, gute Organisation und dauernde Finanzierung
2) Wie bei 1) nur werden für die Betroffenen Kompensationsleistungen erbracht
+ Bevölkerung zieht stärker mit als in 1)
- Maßnahmen werden nicht aus Überzeugung mitgetragen, sondern nur geduldet
- Bevormundung von \"oben\" bzw. \"außen\" bleibt bestehen
- Nachhaltigkeit des Schutzes erfordert Dauersubventionen
3) Die Initialzündung kommt von \"außen\", die Notwendigkeit des Naturschutzes wird von der Bevölkerung erkannt und verinnerlicht.
+ Betroffene können während einer Anlaufzeit die Regie des Naturschutzes selbst übernehmen
+ Eröffnung von wirtschaftlichen Alternativen, die im Einklang mit dem Naturschutz existieren können und ihn sogar unterstützen
- Hohe Anfangsinvestitionen
- Lange Entwicklungsphase
- Veränderung der Rahmenbedingungen können zur Zerstörung positiver Ansätze führen
4) Der Naturschutz läßt sich gut mit den Wünschen der lokalen Bevölkerung kombinieren. Der Naturschutz erweist sich als beste wirtschaftliche Alternative
+ Entstehung eines lokalen, eigenverantwortlichen Management
+ Auch bei Krisen kann Kontinuität im Naturschutz aufrechterhalten werden
- Seltenes Vorkommen solcher Rahmenbedingungen
5) Der Naturschutz geht von der lokalen Bevölkerung aus. Sie wendet sich an verschiedene Institutionen, um den Schutz ökologisch zu rechtfertigen, finanziell zu unterstützen und politisch zu implementieren
+ Der ideale Weg der Realisation von Naturschutz, allerdings so selten, daß Ellenberg diese Strategie als \"beinahe utopisch\" ansieht
(vgl. ELLENBERG 1997, S. 17f)
Bei der ersten Strategie spielt der Tourismus nur eine untergeordnete Rolle. Seine Wirtschaftskraft als Finanzierungsmöglichkeit kommen bei Strategie zwei und drei erheblich stärker zum tragen, bei der vierten ist er ein entscheidender Stützpfeiler und bei Strategie fünf sind die attraktiven wirtschaftlichen Aussichten des Tourismus sogar die treibende Kraft, Naturschutz zu praktizieren.
Tourismus also als große Chance der Natur?
Daß dies möglich ist, zeigen heute einige, wenige Beispiele. Fakt ist aber auch, daß in der überwältigenden Mehrzahl der Fälle Naturschutz und Tourismus unvereinbare Bereiche zu sein scheinen.
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