George Orwells Roman "1984" ist 1949 erschienen. Sein letzter Roman zeigt die Welt aufgespalten in drei Supermächte, Ozeanien, Eurasien und Ostasien, die einander in Herrschaftsstruktur und Ideologie gleichen. Der permanente Scheinkrieg, den sie gegeneinander führen, dient ihnen als Alibi für Gewaltmaßnahmen im eigenen Machtbereich. Was Orwell am Beispiel Ozeaniens und seiner Hauptstadt London, dem Schauplatz des Geschehens, darstellt, trifft also auch auf die beiden anderen Machtblöcke zu.
Ozeanien wird von einer Partei-Oligarchie beherrscht. Die Partei selbst ist in eine "innere" und eine "äußere" unterteilt, deren Mitglieder an ihren schwarzen bzw. blauen Overalls zu erkennen sind. An der Spitze dieses Herrschaftsapparates steht der "Große Bruder", ein fiktiver Parteiführer, dessen Bildnis von allen Wänden starrt und dessen Augen dem Betrachter immer und überallhin zu folgen scheinen - Symbol des allgegenwärtigen Staates ("Der Große Bruder sieht dich an!"). Mittels des Televisors überwacht und beeinflusst die Partei das Leben ihrer Mitglieder bis in die Intimsphäre. Ihr Ziel ist die totale Vernichtung des individuellen Bewusstseins. Recht, Freiheit, Wahrheit, Wissen, menschliche Empfindungen, Träume, Ideale werden in ihr Gegenteil verkehrt. Dementsprechend lauten die Leitsätze der Partei:
"Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke."
An die Stelle des echten Sozialismus ist die Parteidiktatur getreten. Nur die "Proles" (das gemeine Volk, das 85 Prozent der Bevölkerung ausmacht) sind von der unablässigen Bespitzelung ausgenommen. Sie werden in geistiger Unmündigkeit gehalten und mithilfe eines primitiven Nationalismus an jeder Art von Aufsässigkeit gehindert.
Durch eine ungeheure Propagandamaschinerie wird das menschliche Gedächtnis ständig neu programmiert, die Geschichte wird im "Wahrheitsministerium" je nach Bedarf um- oder neu geschrieben, die gegenteiligen Berichte werden vernichtet. Der Gleichsetzung von Wahrheit und Lüge und dem Ausschalten jeglicher Art anderen Denkens dient die "Neusprache" als Ausdrucksmittel für die Parteiideologie, die in einer beigefügten "Grammatik" erklärt wird.
Winston Smith ist Angestellter im "Wahrheitsministerium", wo er an der systematischen Verfälschung der Geschichte mitarbeitet. Um nicht in die Fänge der Gedankenpolizei zu laufen, verhält er sich nach außen loyal, jedoch in seinen Gedanken lehnt er sich gegen das autoritäre System auf. Er beginnt ein Tagebuch zu schreiben, in welchem er seinen Hass gegen die Partei freien Lauf lässt. Doch seine Rebellion erschöpft sich in einem ziellosen Hass gegen das Regime, als er erkennt, dass der Traum von einer schöneren Welt nur eine Vision bleiben wird. Auch seine Geliebte, Julia, vermag ihm nicht zu helfen. Ihr Wunsch besteht lediglich darin, aus Lust, Geschlechtsverkehr mit Winston zu betreiben, was jedoch von der Partei nur als notwendiges Übel zur Erhaltung der Art geduldet wird. So wird jede körperliche Vereinigung zwischen Winston und Julia von beiden als einen gegen die Partei gerichteten Akt gefeiert.
Um wirksamer gegen die Partei zu rebellieren, sucht er den Anschluss an die Untergrundbewegung Emanuel Goldsteins. Der Verbindungsmann O`Brian entpuppt sich jedoch als Funktionär der Gedankenpolizei und Goldstein als Phantom, das die Partei benutzt, um dem Aggressionstrieb ihrer Mitglieder ein Ventil zu verschaffen.
Smith und Julia werden verhaftet und gefoltert. Der Partei geht es dabei nicht um die Auslöschung eines Gegners, sondern seinen Geist zu "reinigen" und umzupolen. Mittels sadistischer Torturen wird er dazu gebracht Julia zu verraten und als Individuum zu krepieren, worauf er frei gelassen wird. Als er später erschossen wird, erfährt er die heilende Wandlung. "Er hatte den Sieg über sich selbst errungen. Er liebte den großen Bruder."
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