Kurzbiographie / Lebenslauf: /
Ingeborg Bachmann wird am 25.06.1926 in Klagenfurt (Kärnten) als ältestes von drei Kindern geboren. Ihr Vater Mathias Bachmann ist Lehrer und später Hauptschuldirektor. Er entstammt einer Bauernfamilie in Kärnten. Die Familie ihrer Mutter Olga Bachmann, geborene Haas, betreibt eine Strickwarenerzeugung in Niederösterreich. Von 1932 bis 1936 besucht Ingeborg Bachmann die Volksschule, von 1936 bis 1938 das Bundesrealgymnasium und von 1938 bis 1944 dann das Ursulinen-Gymnasium in Klagenfurt, das sie mit dem Abitur abschließt. In dieser Zeit auf dem Ursulinen-Gymnasium entstehen erste Gedichte, u.a. das fünfaktige Versdrama \"Carmen Ruidera\" (1942), sowie die Erzählung \"Das Hoditschkreuz\" (1944). In den Jahren 1945 bis 1950 studiert sie in Innsbruck, Graz und Wien zunächst Rechtswissenschaft und Philosophie, später ausschließlich Philosophie mit den Nebenfächern Germanistik und Psychologie. 1946 erfolgt die Veröffentlichung der ersten Erzählung \"Die Fähre\" in \"Kärntner Illustrierte\", Klagenfurt, Jg. 2, Nr. 36 vom 31. Juli 1946. Zwischen 1947 und 1952 arbeitet Bachmann an ihrem ersten Roman \"Stadt ohne Namen\", der aber bei keinem Verlag untergebracht werden kann, da die Deutsche Verlagsanstalt und andere ablehnen. In den Jahren 1948 und 1949 erscheinen neben weiteren Erzählungen die ersten Gedichte in der von Hermann Hakel herausgegebenen Zeitschrift \"Lynkeus. Dichtung, Kunst, Kritik\", Wien, Nr. 1, Dezember 1948 und Januar 1949. 1949 macht sie ein Praktikum in der Nervenheilanstalt Steinhof bei Wien. 1950 promoviert sie dann zum Dr. phil. mit dem Thema der Dissertation: \"Die Kritische Aufnahme der Existentialphilosophie Martin Heideggers\" an der Universität Wien. Anschließend hat sie eine Anstellung im Sekretariat der amerikanischen Besatzungsbehörde in Wien. Von 1951 bis 1953 ist sie Redakteurin der Sendergruppe Rot-Weiß-Rot in Wien. In der Zeit fertigt sie mitunter auch Übersetzungsschriften an. Im Februar 1952 wird ihr Hörspiel \"Ein Geschäft mit Träumen\" erstmalig gesendet. Im Mai 1952 hält Bachmann eine erste Lesung auf der 10. Tagung der Gruppe 47 (Informationen zu der Gruppe 47 siehe unten) in Niendorf (Ostsee) unter anderem mit Ilse Aichinger. Im September des Jahres reist sie mit ihrer Schwester Isolde zum ersten Mal nach Italien. Im Mai 1953 erhält sie dann den Preis der Gruppe 47 für die Gedichte \"Die große Fracht\", \"Holz und Späne\", \"Nachtflug\" und \"Große Landschaft bei Wien\". Seit dem Spätsommer 1953 lebt sie bis 1957 mit Unterbrechungen als freie Schriftstellerin in Italien auf der Insel Ischia, in Neapel und Rom. Bachmann erhält eine Fördergabe des \"Literarischen Förderungswerkes des Kulturkreises im Bundesverband der deutschen Industrie e.V.\" für einen Essay über Musil, die ihr im Mai 1955 in Stuttgart verliehen wird. Erstmalig veröffentlicht sie Gedichte in der mehrsprachigen Literaturzeitschrift \"Botteghe Oscure\", Rom 1954, Quaderno XIV, herausgegeben von Marguerite Caetani. Ihr Hörspiel \"Die Zikaden\" wird am 25.03.1955 vom Hamburger Nordwestdeutschen Rundfunk uraufgeführt. Sie tritt auf Einladung der Harvard-Universität in Cambridge (Massachusetts) eine Reise in die Vereinigten Staaten an und nimmt an dem internationalen Seminar der Harvard-Summer School of Arts and Sciences and of Education teil, das von Henry Kissinger geleitet wird. Im September des Jahres endet ihre beinahe einjährige Tätigkeit als Korrespondentin der \"Westdeutschen Allgemeinen\" (Essen) in Rom. Für die acht politischen Beiträge, die zwischen dem 09.11.1954 und dem 23.09.1955 erschienen sind, benutzt Ingeborg Bachmann das Pseudonym \"Ruth Keller\" (auch \"R.K.\" bzw. \"er\"). 1956 veröffentlicht sie zum ersten Mal beim Piper Verlag in München, ihren zweiten Lyrikband \"Anrufung des großen Bären\". Dafür wird ihr von der Rudolf-Alexander-Schröder-Stiftung der \"Literaturpreis der Freien Hansestadt Bremen\" zugesprochen (geteilt mit Gerd Oelschlegel und verliehen am 26.01.1957 vom Senat der Freien Hansestadt Bremen). Es folgen die beiden Essays \"Die wunderliche Musik\" und \"Noch einmal: Die wundersame Musik\". Im Jahr 1957 ist sie korrespondierendes Mitglied der \"Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung\" in Darmstadt. Ihre Gedichte \"Im Gewitter der Rosen\" und \"Freies Geleit\" werden durch Hans Werner Henze in \"Nachtstücke und Arien\" vertont und am 20.10.1957 uraufgeführt anlässlich der Donaueschinger Musiktage. Ihr erster Lyrikband \"Die gestundete Zeit\" wird beim Piper Verlag in veränderter Form neu aufgelegt. In den Jahren 1957 bis 1958 arbeitet Ingeborg Bachmann als Dramaturgin beim Bayerischen Fernsehen in München. Im Jahr 1958 tritt sie dem \"Komitee gegen die Atomrüstung\" bei, das sich gegen die Atombewaffnung der Bundeswehr richtet. Es wird ihr Hörspiel \"Der gute Gott von Manhattan\" am 29.05.1958 uraufgeführt, wofür sie den \"Hörspielpreis der Kriegsblinden\" erhält, der ihr am 17.03.1959 während eines Festaktes im Plenarsaal des Bundesrates in Bonn verliehen wird. Zu diesem Anlass hält sie die berühmte Dankesrede \"Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar\". Am 03.07.1958 trifft sie Max Frisch in Paris bei einer Gastspielaufführung seines Dramas \"Biedermann und die Brandstifter\". Zwischen 1958 und 1962 lebt Bachmann abwechselnd in Rom und Zürich. 1959 wird sie Mitglied des Deutschen PEN-Zentrums der Bundesrepublik Deutschland. Während einer ersten Reise in die DDR im Jahr 1960 zusammen mit Hans Magnus Enzensberger und Walter Jens trifft sie erstmals mit Ernst Bloch und Stephan Hermelin zusammen. Am 25.05.1960 treffen sich Paul Celan, Nelly Sachs, Ingeborg Bachmann und Max Frisch in Zürich. Im Jahr 1961 veröffentlicht der Horst Heiderhoff Verlag, Wülfrath (Rheinland), die zu Lebzeiten einzige bibliophile Ausgabe eines Werkes von Ingeborg Bachmann, nämlich die Erzählung \"Jugend in einer österreichischen Stadt\" mit vier Originalgravuren von Rudolf Schoofs. Im Juni erscheint der erste Erzählband \"Das dreißigste Jahr\", wofür sie dann im Oktober in Berlin den Literaturpreis 1960/61 des \"Verbandes der Deutschen Kritiker\" erhält. Am 20.11.1961 wird sie zum außerordentlichen Mitglied der Abteilung Literatur der \"Akademie der Künste\", Berlin, gewählt. Sie übersetzt und veröffentlicht eine Auswahl der Gedichte von Giuseppe Ungaretti. Im Frühjahr 1963 erfolgt die endgültige Trennung von Max Frisch. Auf Einladung der Ford-Foundation zu einem einjährigen Aufenthalt in Berlin wechselt sie anschließend ihren Wohnsitz nach Berlin. Sie hat Kontakte zu Alfred Andersch, Uwe Johnson, Johannes Bobrowski und Witold Gombrowicz. Sie schließt sich der Klage gegen den CDU-Politiker Josef-Hermann Dufhues an, der die Gruppe 47 als \"Reichsschrifttumskammer\" bezeichnet hatte. Im Januar 1964 macht sie eine Reise nach Prag, im Frühjahr nach Ägypten und in den Sudan. Am 17.10.1964 erhält sie in Darmstadt von der \"Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung\" den \"Georg-Büchner-Preis\" und hält die Dankesrede \"Ein Ort für Zufälle\". Am 22.01.1965 schreibt sie aus Berlin an Simon Wiesenthal, wobei sie für eine Verlängerungsfrist für Naziverbrechen eintritt (abgedruckt in: \"Verjährung? 200 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sagen nein. Eine Dokumentation\", Frankfurt/M., Europäische Verlagsanstalt, 1965). Bachmann unterschreibt 1965 mit anderen Persönlichkeiten die \"Erklärung gegen den Vietnamkrieg\" und wird im Herbst zusammen mit Hans Magnus Enzensberger in den Vorstand der \"Europäischen Schriftstellergemeinschaft\" COMES (Communità Europea degli Scrittori) gewählt. Ende des Jahres siedelt sie nach Rom über, was ihr Wohnsitz bis zu ihrem Tod sein wird. Im Juni 1967 hält sie sich in London auf, um mit Hans Magnus Enzensberger an einem internationalen Dichtertreffen teilzunehmen. 1968 wird Bachmann die erste Ehrung ihres Heimatlandes zuteil: Sie erhält aus der Hand des Bundesministers für Unterricht, Theodor Pfiffl-Percevic, am 20.11. in Wien den \"Großen Österreichischen Staatspreis\".
Im April 1970 begeht Paul Celan in Paris Selbstmord. Im März erscheint ihr Roman \"Malina\" bei Suhrkamp in Frankfurt / M. . Die Vereinigung Österreichischer Industrieller verleiht Ingeborg Bachmann im Dezember 1971 den \"Anton-Wildgans-Preis der österreichischen Industrie\"; die Übergabe erfolgt am 02.05.1972. Ihr zweiter Erzählband \"Simultan\" erscheint im Jahr 1972. Im März 1973 stirbt ihr Vater. Während einer Polenreise, anläßlich einer Vorlesungstournee, besucht sie die Konzentrationslager Auschwitz und Birkenau. In ihrer römischen Wohnung erleidet Ingeborg Bachmann in der Nacht vom 25. auf den 26. September durch einen Brandunfall schwere Verletzungen, an deren Folgen sie am 17. Oktober stirbt. Sie wird am 25. Oktober auf dem Friedhof Klagenfurt-Annabichl begraben.
Wesen und Charakter der Literatur:
Die Lyrik Bachmanns zeichnet sich besonders durch die Verbindung von intellektuellen, teils sehr abstrakten Gedankenwelten mit symbolhaften, eigenwilligen Bilderwelten aus. Darüber hinaus vereinigt sie meisterhaft sprachliche Präzision, Wortgewalt und natürlich-harmonische Sprachmelodie. Ihr Werk lebt aus der Verbindung von Intellekt und Poesie; seine Kennzeichen sind freie Rhythmen, Musikalität und sprach- und bildschöpferische Intensität.
Werkeverzeichnis:
Einige der wichtigsten Werke von Ingeborg Bachmann:
\"Ein Geschäft mit Träumen\" (Hörspiel) 1952, \"Die gestundete Zeit\" (Gedichte) 1953 / 1957, \"Die Zikaden\" (Hörspiel) 1955, \"Anrufung des Großen Bären\" (Gedichte) 1956, \"Der gute Gott von Manhattan\" (Hörspiel) 1958, \"Das dreißigste Jahr\" (Erzählungen) 1961, \"Malina\" (Roman) 1971, \"Simultan\" (Erzählungen) 1972.
1978 erschien eine vierbändige Gesamtausgabe der Werke von Ingeborg Bachmann bei Piper, München.
Informationen zur Gruppe 47:
Neue Wege der Literatur bahnten die Autoren der Gruppe 47 an. Im Herbst 1947 initiierte der Publizist und Erzähler Hans Werner Richter ein Treffen junger Schriftsteller, aus dem ein Forum der neuen Literatur werden sollte, das das literarische Leben der Bundesrepublik zwanzig Jahre entscheidend prägte. Autoren wie Alfred Andersch, Heinrich Böll, Ingeborg Bachmann, Paul Celan, Hans Magnus Enzensberger, Uwe Johnson, Walter Jens, Siegfried Lenz, Wolfdietrich Schnurre, Martin Walser, Peter Weiss und Gabriele Wohmann gehörten dieser Gruppe, die bis 1977 existierte, an. Die Autoren lasen bei Treffen aus ihren Werken vor und setzten sich kritisch mit ihren Ansprüchen auseinander. Grundsätzlich vertraten alle diese Autoren eine mehr oder weniger gesellschaftskritische, linksliberale Haltung. Die jungen Autoren schlugen literarisch mit ihrer zunehmenden Professionalisierung sehr unterschiedliche Richtungen ein, wobei sie sich ab 1967 in unterschiedliche und konträre Richtungen aufteilten.
Die Stunde Null in der Literatur und die Situation während des Krieges:
Mit der Stunde Null der deutschen Literaturgeschichte wird ein Neuanfang markiert. Die Autoren sind sich einig, das alte aufgezwungene Regime hinter sich zu lassen und neu anzufangen. Während der Herrschaft der Nationalsozialisten waren staatsfeindliche Schriften, ausgesucht selbstverständlich durch die Partei, verboten und wurden zum größten Teil verbrannt. Es durften nur diejenigen Schriftsteller publiziert werden und publizieren, die als \"arisch\" galten und dies auch bis in die dritte Vorgänger-Generation nachweisen konnten. Sie waren gezwungen, die Propaganda zu unterstützen und zu verbreiten. So wurden sie zu ausführenden Mitteln der Partei. Das Problem lag aber nicht nur bei den Verlegern, sondern auch bei den Autoren. Denn antinationalsozialistisch eingestellte Verfasser wurden konsequent verfolgt (siehe Brecht, und andere). Die beschriebenen Einschränkungen galten im gesamten Deutschen Reich. Deswegen sind viele Autoren ins Exil geflüchtet. Als Exilstaaten kamen die europäischen Staaten in Frage, die noch nicht erobert wurden und zusätzlich Amerika. Es gab aber sicherlich auch Widerstand aus diesen Reihen, oftmals nur mit Hilfe von Flugblättern, aber auch diese konnten sich formieren.
Ein genauer Zeitpunkt ist nicht festsetzbar, aber es wird heutzutage angenommen, dass die Stunde Null bereits kurz nach Kriegsende 1945 erfolgte. Das geistige Umdenken wird dann in der Besatzungszeit ab 1945 besonders deutlich. |