3.1. Laut-Buchstaben-Zuordnungen
Dieser Bereich der Rechtschreibung regelt, wie die Laute eines gesprochenen Wortes durch Buchstaben bzw. Buchstabenkombinationen wiedergegeben werden. Die Neuerungen in diesem Bereich haben im Wesentlichen das Ziel, die Wirksamkeit des sogenannten Stammprinzips zu erhöhen. Dieses Prinzip besagt, dass Wortstämme auch in unterschiedlichen lautlichen Umgebungen immer gleich geschrieben werden. Wer weiß, dass fahren mit einem h geschrieben wird, kann aus der Schreibung des Wortstammes FAHR ableiten, dass Wörter mit demselben Stamm ebenfalls mit h geschrieben werden: abfahren, erfahren usw.
3.1.2. Die s-Schreibung
Die auffälligste Neuregelung in diesem Zusammenhang betrifft den bisherigen Wechsel von ß und ss, wie z.B. Flüsse-Fluß, Nässe-naß, Wasser-wäßrig. Nach der Neuregelung gilt, dass nach kurzem Vokal generell ss zu schreiben ist, also z.B. Fluss-Flüsse, Nässe-nass, Wasser-wässrig. In der Folge dieser Regelung wird die Konjunktion jetzt dass geschrieben. Nach langem Vokal steht weiterhin ß, also z.B. Fuß-Füße.
3.1.3. Zusammentreffen dreier Konsonantenbuchstaben
Bisher galt, dass beim Aufeinandertreffen dreier gleicher Konsonanten, bei denen dem dritten Konsonanten ein Vokal folgt, nur zwei Konsonantenbuchstaben zu schreiben waren, wie z.B. in Schiffahrt, Stillegung, im Falle einer Worttrennung am Zeilenende aber: Schiff-fahrt, Still-legung usw.
Künftig gilt, dass in solchen Fällen stets drei Konsonantenbuchstaben geschrieben werden, also neben der bisher schon verlangten Schreibung von drei Konsonantenbuchstaben im Falle eines weiteren folgenden Konsonanten (wie in Sauerstoffflasche, Schrotttransport) jetzt auch: Schifffahrt, Stilllegung usw.
3.1.4. Verdoppelung des Konsonantenbuchstabens nach kurzem Vokal
In einigen wenigen Wörtern werden Konsonantenbuchstaben in Angleichung an Flexionsformen desselben Wortes oder an andere Wörter derselben Wortfamilie nach dem Stammprinzip verdoppelt: Ass (wegen die Asse), Karamell (wegen Karamelle), Messner (wegen Messe), nummerieren (wegen Nummer), Tipp (wegen tippen), Tollpatsch (wegen toll). Entsprechendes gilt bei einigen Wörtern mit tz und ck, z.B. platzieren (wegen Platz), Stuckateur (wegen Stuck).
3.1.5. Fremdwortschreibung
Fremdwörter können in ihrer Schreibung der deutschen Rechtschreibung angepasst werden, z.B.
englisch strike - deutsch Streik. Oft geschieht dies dadurch, dass die integrierte Schreibung eine Zeit lang
neben der fremden Schreibung besteht. So schrieb man z.B. im 19. Jahrhundert nur Bureau, 1915
Bureau und auch schon Büro, 1940 meistens Büro und manchmal Bureau, während man heute nur noch
Büro schreibt.
Mit der Neuregelung werden einige neue integrierte Schreibungen (meistens als mögliche Nebenform)
angeboten. Es wird sich zeigen, ob die Schreibgemeinschaft sie akzeptiert und gebraucht.
Beispiele:
· -ies/-ys: Pluralformen von Wörtern aus dem Englischen, die auf -y ausgehen, werden in deutschen Texten ausnahmslos nach deutschem Muster geschrieben, z.B. Baby/Babys, Hobby/Hobbys;
· gh/g: Ghetto/Getto (schon jetzt), Joghurt/Jogurt, Spaghetti/Spagetti;
· ph/f: Delphin/Delfin (wie darüber hinaus alle Wörter mit den Stämmen phon, phot, graph wahlweise auch fon, fot, graf geschrieben werden können);
· t/z: Wenn Substantive auf -anz oder -enz enden, werden die entsprechenden Adjektive bevorzugt mit -zi- oder daneben auch mit -ti- geschrieben, z.B. Differenz - differenziell/differentiell, Essenz - essenziell/essentiell, Potenz - potenziell/potentiell, Substanz - substanziell/substantiell usw.
3.2. Getrennt- und Zusammenschreibung
Für die Neuregelung dieses Bereichs waren zwei Gesichtspunkte maßgebend:
· Da die Getrenntschreibung zweier im Text aufeinander folgender Wörter der Normalfall ist, muss allein der Sonderfall der Zusammenschreibung geregelt werden.
· Soweit dies irgend möglich ist, sollen formale Kriterien bei der Entscheidung helfen, ob zwei im Text aufeinander folgende Wörter getrennt oder zusammengeschrieben werden.
In folgenden Fällen wird zusammengeschrieben:
· Wenigstens einer der aufeinander folgenden Bestandteile kommt in dieser Form nicht selbständigvor: wettrennen, blauäugig, schnellstmöglich. In Fällen, in denen der erste Bestandteil zwar nicht selbständig vorkommt, aber bereits eine Zusammensetzung darstellt, wurde der Getrenntschreibung der Vorzug gegeben, z.B. fürlieb nehmen, überhand nehmen.
· Der erste Bestandteil stellt eine verkürzte Wortgruppe dar, wie z.B. schlafwandeln (= im Schlaf wandeln), sonnenbaden (= in der Sonne baden), freudestrahlend (= vor Freude strahlend).
· Zusammengeschrieben wird des Weiteren, wenn die Getrenntschreibung (über die zuvor genannten Fälle hinaus) eine grammatisch unkorrekte Form ergäbe, wie z.B. man maßregelte ihn (unkorrekt: man Maß regelte ihn), sie wollten heimkehren (unkorrekt: sie wollten Heim kehren), er sprang kopfüber in den Fluss (unkorrekt: er sprang Kopf über in den Fluss).
· Der adjektivische Bestandteil ist in einer Fügung aus Adjektiv + Verb in der betreffenden Verbindung weder erweiterbar noch steigerbar (wobei die Negation nicht nicht als Erweiterung gilt): bereitstellen (nicht möglich: bereiter/sehr bereit stellen).
· Zusätzliche Einzelfälle:
o irgend- wird mit dem nachfolgenden Bestandteil stets zusammengeschrieben: irgendein, irgendetwas, irgendjemand, irgendwann usw.;
o ausgenommen bei Erweiterung des zweiten Bestandteils: irgend so ein.
· In bestimmten, klar abgegrenzten Fällen bleibt es dem Schreibenden überlassen, getrennt oder zusammenzuschreiben. Beispiele:
- nicht öffentlich/nichtöffentlich;
- an Stelle/anstelle, auf Grund/aufgrund, zu Gunsten/zugunsten, zu Ungunsten/zuungunsten.
3.3. Groß- und Kleinschreibung
Allgemein lässt sich sagen, dass durch große Anfangsbuchstaben bestimmte grammatische Funktionen gekennzeichnet werden, die das betreffende Wort erfüllt, wie z.B. die Kennzeichnung eines Wortes als Substantiv, als Eigenname, als erstes Wort eines Satzes.
Besondere Schwierigkeiten bereiten nicht so sehr die genuinen Substantive wie der Löffel, die Gabel, sondern vor allem folgende Fälle:
· Ein Wort, das eigentlich kein Substantiv ist, wird als Substantiv gebraucht und daher mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben, wie z.B. der Alte, beim Lesen, ein Hoch. In dieser Fallgruppe bleibt alles beim Alten.
· Auf der anderen Seite war in einigen Fällen kleinzuschreiben, obwohl erkennbare Merkmale für einen substantivischen Gebrauch vorzuliegen scheinen, wie z.B. aufs neue, des weiteren, im einzelnen. In dieser Fallgruppe gibt es eine Reihe von änderungen mit der Folge vermehrter Großschreibung.
· Nicht zuletzt gab es den Wechsel zwischen Groß- und Kleinschreibung im Fall von einerseits konkretem und andererseits von übertragenem Gebrauch: Wir gingen im Dunkeln nach Hause (konkreter Gebrauch). Bei der Lösung dieses Problems tappten wir lange im dunkeln (übertragener Gebrauch). In diesem Fall ist die unterschiedliche Schreibung zu Gunsten genereller Großschreibung aufgehoben worden.
3.3.1. Großschreibung der Anredepronomen in Briefen usw.
Da es ansonsten leicht zu Missverständnissen kommen kann, ist die Großschreibung des Anredepronomens Sie auch weiterhin obligatorisch, etwa in Fällen wie:
Sehr geehrte Frau Schmitz, wie Sie schon erfahren haben, ...
Da vergleichbare Missverständnisse im singularischen Gebrauch nicht auftreten können, soll in diesen Fällen künftig kleingeschrieben werden: Liebe Beate, herzlichen Dank für deinen Brief. Mit dieser Neuregelung entfällt auch das bisher häufig auftretende Problem, wie denn z.B. Anweisungen in Schulbüchern zu schreiben seien.
3.3.2. Großschreibung der Eigennamen
Bisher wurden - mit Folgen für die Groß- und Kleinschreibung - die eigentlichen Eigennamen, d.h. Namen für individuell vorkommende Lebewesen, Gegenstände oder Sachverhalte, häufig nicht deutlich genug getrennt von begriffsähnlichen Bezeichnungen. So finden sich in der herkömmlichen Rechtschreibung nebeneinander Fälle wie die schwarze Liste - das Schwarze Brett, der erste April - der Erste Mai, die erste Geige (spielen) - die Erste Hilfe.
Großschreibung soll nach wie vor in folgenden Fällen gelten:
· Titel (z.B. Regierender Bürgermeister);
· Tier- und Pflanzenarten (z.B. Roter Milan, Schwarzer Holunder);
· besondere Kalendertage (wie z.B. Heiliger Abend, Weißer Sonntag);
· historische Ereignisse (wie z.B. der Westfälische Friede, die Französische Revolution).
In den bisher unterschiedlich geregelten Fällen fester Fügungen wird der adjektivische Bestandteil demnächst durchgehend kleingeschrieben, also z.B. schwarzes Brett, italienischer Salat, blauer Brief, es sei denn, es liegt ein Eigenname vor, d.h. ein Name für ein Individuum (im weiten Sinne des Wortes), wie z.B. Stiller Ozean, Schwarzes Meer.
3.3.3. Ableitungen von Personennamen
Die kaum handhabbare Sonderregel, dass Ableitungen von Personennamen unter besonderen Bedingungen groß-, ansonsten aber kleinzuschreiben sind, wurde aufgegeben; künftig ist bei adjektivischem Gebrauch stets kleinzuschreiben, also das ohmsche Gesetz, der ohmsche Widerstand, platonische Schriften, platonische Liebe; bei Setzen eines Apostrophs zur Betonung des Namens ist der Namenteil aber großzuschreiben: das Ohm\'sche Gesetz.
3.3.4. Großschreibung von Substantivierungen
In der Folge der im Deutschen zu Beginn der Neuzeit eingeführten Großschreibung der Substantive wurden mit der Zeit auch die Wörter anderer Wortarten großgeschrieben, wenn sie wie Substantive gebraucht werden, also das Lesen, beim Schreiben, alles Gute, nichts Besonderes.
Von derartigen Fällen waren bisher solche zu unterscheiden, die als sog. Scheinsubstantivierungen oder als übertragener Gebrauch galten und daher kleinzuschreiben waren, wie z.B. aufs neue (\'wiederum\'), aufs äußerste (\'sehr\'), des weiteren (\'weiterhin\'), im allgemeinen (\'gewöhnlich\'), im dunkeln tappen (\'nicht Bescheid wissen\').
Besonders in diesem Bereich möchte die Neuregelung (mit der Folge vermehrter Großschreibung) zu mehr Klarheit führen. Die ansonsten zur Identifizierung eines substantivischen Gebrauchs maßgeblichen Kriterien (vorhandener Artikel und Flexionsmerkmale) gelten nunmehr auch für weitere Fallgruppen:
· Tageszeitangaben nach den Adverbien vorgestern, gestern, heute, morgen, übermorgen werden künftig großgeschrieben, z.B. heute Morgen, gestern Abend.
· Substantivierte Adjektive in festen Wendungen werden in Zukunft nur noch großgeschrieben, wie z.B. das Weite suchen, zum Guten wenden, zum Besten geben, auf dem Trockenen sitzen, im Dunkeln tappen, nicht im Geringsten.
· Generelle Großschreibung gilt auch für adverbiale Wendungen mit Artikel: um ein Beträchtliches, des Langen und Breiten, des Öfteren, des Näheren; und auch mit verschmolzenem Artikel: im Allgemeinen, im Folgenden, im Verborgenen. Hingegen bleibt die Kleinschreibung wegen des fehlenden Artikels erhalten zum Beispiel bei: von weitem, vor kurzem, ohne weiteres, von nah und fern, von klein auf.
· Substantive werden auch in festen Fügungen nächstens großgeschrieben, also z.B. außer Acht lassen, in Acht nehmen, mit Bezug (auf), in Bezug (auf), Rad fahren, Recht sprechen, Recht haben.
3.4. Zeichensetzung
Die Veränderungen betreffen insbesondere die Kommasetzung, die vor allem in drei Teilbereichen Schwierigkeiten bereitet:
· Komma vor und/oder und verwandten Konjunktionen,
· Komma bei Infinitiv- und Partizipialgruppen,
· Komma bei wörtlicher Rede.
3.4.1. Komma vor und/oder und verwandten Konjunktionen
Vor und/oder war im Falle von Aufzählungen nach den bisher geltenden Regeln nur bei der Aufeinanderfolge von vollständigen Hauptsätzen ein Komma zu setzen. Bei dieser Sonderregel gab es wiederum eine Reihe von Ausnahmen. Künftig können die Schreibenden frei entscheiden, ob sie in solchen Fällen ein Komma setzen möchten (etwa um die Konstruktion durchsichtiger zu machen) oder nicht, z.B. Die Musik wird leiser (,) und der Vorhang hebt sich.
3.4.2. Komma zur Abgrenzung von Infinitiv- und Partizipialgruppen
Freigestellt wird zweitens die Kommasetzung bei Infinitiv- und Partizipialgruppen, wodurch sich die bisher notwendige Entscheidung erübrigt, ob es sich im fraglichen Fall um eine erweiterte (und daher durch Komma abzugrenzende) oder um eine nicht erweiterte (und daher nicht durch Komma abzugrenzende) Infinitiv- oder Partizipialgruppe handelt:
Sie hatten geplant (,) ins Kino zu gehen. - Durch eine Tasse Kaffee gestärkt (,) setzten sie die Arbeit fort.
Mit der Freigabe des Kommas entfallen in diesem Teilbereich mehrere bisher geltende Ausnahmeregeln.
3.5. Worttrennung am Zeilenende
Die Neuregelung stärkt das Prinzip einer Trennung nach Sprechsilben:
· Einzelne Buchstaben am Wortbeginn können künftig abgetrennt werden, wie z.B. A-bend, o-ben.
· Getrennt werden darf künftig auch st, z.B. Fens-ter, ges-tern.
· Während bisher ck als k-k zu trennen war, gilt künftig, dass das ck in dieser Schreibung erhalten bleibt und insgesamt auf die nächste Zeile rückt, z.B. Zu-cker, ba-cken.
· Wörter wie darum, herum, hinauf, woran soll man auf zweierlei Weise trennen können. Wie bisher dar-um, her-um, hin-auf, wor-an oder neu auch da-rum, he-rum, hi-nauf, wo-ran.
· Fremdwörter können, aber müssen nicht nach den für die Herkunftssprache geltenden Regeln getrennt werden, also z.B. Pä-da-go-gik, aber auch noch Päd-ago-gik, Mag-net, aber auch noch Ma-gnet, Zyk-lus, aber auch noch Zy-klus.
|