Die Erzählung "Nicht nur zur Weihnachtszeit" von Heinrich Böll handelt von einem "Weihnachtstrauma" der Tante des Erzählers und dessen Auswirkungen auf die ganze Familie. Sie spielt in einer ungenannten deutschen Stadt unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg.
Am Beginn der Geschichte werden vom Erzähler erst einmal die Verwandtschaftsverhältnisse erklärt und der Leser erfährt die Vorgeschichte. Man hört dabei auch, daß ein Vetter Franz, das schwarze Schaf der Familie, die Geschichte vorausahnte, aber niemand auf ihn hören wollte. Weiters wird gleich zu Beginn vorweggenommen, daß sich das Ansehen aller Familienmitglieder am Ende umgekehrt hat, und es wird darauf hingewiesen, daß die Familie sehr wohlhabend ist. Damit sind alle Voraussetzungen geschaffen und die Geschichte beginnt. Tante Milla, die Hauptfigur der Erzählung, hat seit jeher eine besondere Vorliebe für Weihnachten, das von ihr regelmäßig zelebriert wird. Der Baum ist reich geschmückt, und die ganze Familie feiert bei ihr. Doch als 1940 die Bombenangriffe auf ihre Stadt zu arg werden, muß sie für Kriegsdauer auf einen Weihnachtsbaum verzichten. Ansonsten übersteht die Familie den Krieg aber sehr gut, und dank des Reichtums und den Beziehungen von Onkel Franz, dem Mann von Tante Milla, kann Weihnachten bereits 1946 wieder genau wie früher gefeiert werden. Doch im März bemerkt der Erzähler, daß Tante Milla noch immer Weihnachten feiert, und schließlich erfährt die Familie von Vetter Franz die ganze Geschichte. Als zu Mariä Lichtmeß der Baum abgeräumt werden sollte, erlitt Tante Milla einen Nervenzusammenbruch und begann zu schreien. Kein Arzt konnte helfen, bis Onkel Franz auf die Idee kam, einen neuen Tannenbaum aufzustellen. Dank seiner Beziehungen gelingt das auch, und bei einer improvisierten Weihnachtsfeier beruhigt sich Tante Milla endlich wieder. Doch bald stellt sich heraus, daß nun täglich "Weihnachten" gefeiert werden muß, andernfalls Tante Milla Schreikrämpfe bekommt. Anfangs spielen alle mit, denn Tante Milla besteht darauf, daß die ganze Familie anwesend sein muß, doch schon bald zeigen sich Zerfallserscheinungen in der Familie. Als erster drückt sich der Pfarrer, der dann aber durch einen pensionierten Prälaten ersetzt werden kann. Um die Kosten möglichst gering zu halten, wird die tägliche Feier auch rationalisiert. Man hält schließlich ein Jahr durch, bis Kusine Lucie zusammenbricht. Doch hier gelingt es den Ärzten, ihr Leiden zu mildern und auf eine Abneigung gegen Spekulatius zu reduzieren. Nun zeigen sich aber endgültige Zerfallserscheinungen in der Familie, und einige denken sogar schon daran auszuwandern. Erstmals kommt man nun auch auf die Idee, Familienmitglieder durch Schauspieler ersetzen zu lassen, was recht gut funktioniert. Trotzdem sacken alle moralisch ab. Am Ende der Geschichte dauert die Komödie bereits zwei Jahre, und auch die Kinder sind inzwischen durch Wachspuppen ersetzt. Karl und Lucie sind mit ihren Kindern ausgewandert, und Vetter Franz ist ins Kloster gegangen.
Am Anfang dieser Erzählung wird sehr ausführlich auf das Umfeld und die Vorgeschichte eingegangen. Dann beschreibt ein Ich-Erzähler seine Sicht der Ereignisse. Die Handlung ist einsträngig, und es werden in Rückblenden und Erläuterungen immer wieder Details erklärt, die aber für das Verständnis der Geschichte nicht unbedingt notwendig sind und eher den Lesefluß hemmen. Am Ende des Textes ist zwar die Familie zerbrochen, es bleibt aber offen, wie sich die Situation von Tante Milla weiterentwickelt.
Sprachlich verwendet der Autor gerne lange und komplizierte Sätze, was aber stilistisch eher unpassend erscheint. Es existieren keine direkten Reden, und häufig ist die Geschichte wegen Nebensächlichkeiten unterbrochen.
Die Personen dieser Satire sind Abstraktionen unserer Gesellschaft, so dürfte zum Beispiel die paranoide Tante eine Karikatur neurotischer Pedanten sein. Auch die zerbrechende Familie findet sich heute leider oft genug, genauso wie der Onkel, der als Geschäftsmann vielleicht nicht einmal so überzeichnet ist, wie es zuerst den Anschein hat. Eines der Hauptprobleme, die Heinrich Böll hier anschneidet, ist wahrscheinlich unsere abgestumpfte Heile-Welt-Gesellschaft, die sich lieber einer ständigen Komödie hingibt, anstatt der Wahrheit ins Auge zu sehen. Auch die sich ändernden Moralbegriffe werden hinreichend aufs Korn genommen, wobei die Übertreibung aber bereits hart an der Grenze zur Peinlichkeit rangiert. Außerdem wird am Ende der Erzählung durch die Puppen und Schauspieler deutlich, wie leicht heute jeder ersetzbar ist.
Der Autor will offensichtlich unserer Gesellschaft einen Spiegel vorhalten, in dem sich jeder erkennen kann. Dabei hat er sich meiner Meinung nach aber leider ein wenig im Stil vergriffen, und auch die extreme Fokussierung auf lieblos ausgearbeitete Details ist nicht unbedingt dazu angetan, das Interesse des Lesers lange aufrechtzuerhalten. So verläuft die Verwirklichung eines an und für sich guten Grundgedankens leider ziemlich im Sande, was schade ist, denn aus dieser Idee hätte man sicher mehr machen können. Ich zumindest habe schon besser gelacht...
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