Schule
2.2.1. Gewalt in der Schule/>
Die Schule ist durch Schulpflicht und den Trend der Schulzeitverlängerung zunehmend zu einem zentralen Lebensfeld junger Menschen geworden; hier verbringen sie große Teile des Tages und werden stark in ihrem Verhalten beeinflusst. Gewalt an Schulen ist nur ein Teilaspekt der Gewalt von Kindern und Jugendlichen - Es ist nicht als schuleigenes Ereignis anzusehen sondern als ein gesellschaftliches Problem. Grundsätzlich kann folglich die Schule bei allen erzieherischem Engagement nicht als eine ,,Reparaturinstanz\" für gesamtgesellschaftliche Mängel oder Versäumnisse der Familien herhalten, da auch ihre Leistungsfähigkeit als erzieherische und sozial integrative Instanz begrenzt ist.56
Gewalt in der Schule kann in folgenden Ausprägungen auftreten:
_ Körperliche Gewalt
Risikohort für physische Auseinandersetzungen ist hauptsächlich der Pausenbereich auf dem Schulhof, dem Korridor und im Klassenzimmer. Schulende und die Zeit vor dem Schulbeginn tragen ebenfalls ein erhöhtes Risiko ebenso wie der Schulweg. Gewalttätigkeiten äußern sich hauptsächlich als Faust- und Ringkämpfe, die zum Teil als Kraftproben unter pubertierenden Jugendlichen gewertet werden müssen. Seltener kommt es zum Gebrauch von Waffen oder waffenähnlichen Gegenständen. Körperliche Gewalt wird vielfach von Jugendbanden ausgeübt.57
_ ,,Bullying\"
Darunter wird Tyrannisieren, Schikanieren, Sticheln, Auslachen, Beleidigen, Herabsetzen von Mitschülern und der rohe Umgangston zwischen Schülern verstanden.58 Diese Form der Aggression äußert sich vor allem in verbalen und nonverbalen Auseinandersetzungen, die auch als Vorstufe für physische Aggression gewertet werden kann.59 Das Ausmaß des Bullying nimmt mit zunehmendem Alter ab und enthält außerdem in den unteren Schulstufen einen höheren Anteil physischer Aggression als zu späteren Zeiten.60
_ Gewalt von Lehrern
Gewalt in der Schule ist nicht nur ein Phänomen unter Schülern. Sie kann auch von Lehrern ausgehen ebenso wie Lehrer Opfer der Schülergewalt sein können. In den Fällen, in denen Lehrer als ,,Täter\" genannt werden, handelt es sich meistens um Gewalt im Sinne von Bullying.61
Vor allem ist ein Anstieg des Bullying auszumachen und eine Brutalisierung der körperlichen Form von Gewalt. 1995 hat eine Untersuchung der ,,National Union of Teachers\" an 2.000 Schulen Großbritanniens ergeben, dass Schüler jeder fünften Schule bereits von schulfremden Personen angegriffen wurden, 2/3 der Schulen an Vandalismus schulfremder Personen leiden, dass in beinahe jeder zehnten Schule bereits ein Feuer gelegt wurde, und dass Lehrer oder Schulpersonal in 15 Prozent der befragten Schulen bereits Opfer von Schülergewalt wurden. Jede zweite Schule gab an, die eigenen Sicherheitsvorkehrungen für unzureichend zu halten. Bei einer Untersuchung der Polizei an einer Schule in Deutschland fanden die Kriminalbeamten bei jedem fünften Schüler eine Stich- oder Schlagwaffe.62
Furchtbarerweise kommt es bisweilen zu grausamen Schulmassakern, und immer wieder werden neue Fälle von Amokläufen von Schülern bekannt. Die meisten Studien über Schießereien an Schulen präsentieren keine plausiblen Letzterklärungen, warum Schüler scheinbar unvermittelt Amok laufen. Immerhin gibt es Indizien in den Studien: Die Massaker wurden geplant und coole Sprüche leiteten die Taten solcher Schüler ein, die eher an der Peripherie der Gemeinschaften standen, gehänselt oder ausgestoßen wurden (vgl. 2.5.1.2. Risikothese und intervenierende Variablen).63
2.2.2. Ursachen für Gewaltentstehung in der Schule
Wie schon erklärt, werden die Ausgangsbedingungen für die Entstehung von Aggressivität und Gewalt in den außerschulischen Lebenskontexten gelegt und können daher von der Institution Schule nur schwer beeinflusst und verändert werden. Trotzdem führen zahlreiche schulische Faktoren zu Aggression und Gewalt, dass die Frage zu stellen ist, inwieweit die Schule bzw. das Schulsystem verantwortlich ist:
_ Stress und Leistungsdruck
Die Schule nimmt eine gesellschaftlich wirkungsvolle Definition und Kategorisierung von Leistungserfolg und Leistungsversagen vor, zugleich ist der Erwartungsdruck vieler Eltern sehr hoch. Infolgedessen können Versagens- und Misserfolgserlebnisse auftreten, was in Verunsicherung und Verletzung des Selbstwertgefühls und des Selbstvertrauens resultiert, was auch eine Minderung späterer sozialer und beruflicher Chancen nach sich ziehen kann. Erkennbare Ausdrücke dieser leistungsbezogenen Effekte sind innere Unruhe und Nervosität und freilich auch nach außen gerichtete, konflikthaft angelegte Aggressivität und Gewalt, die einerseits als Verteidigungs- und Kompensationsmechanismen gegen diese psychischen und sozialen Verunsicherungen interpretiert werden können.64 Andererseits sind sie eine Reaktion auf die Unterdrückung von spezifischen Begabungen und die Einengung der individuellen Handlungsspielräume.65 Bereits jüngere Kinder sind heutzutage einem hohen schulleistungsbezogenen Druck ausgesetzt, darauf weisen die Untersuchungsergebnisse des Zentrums für Kindheits- und Jugendforschung der Universität Bielefeld hin.66
Verglichen mit Österreich ist die öffentliche Schule in den USA anders konzipiert und zwar als eine Gesamtschule mit starkem sozialpädagogischen Anteil, in der schulische Leistung nach unserem Verständnis oft nicht dieselbe Rolle spielt. Damit ist der Leistungsdruck der Schüler geringer. Dennoch ist dies nicht die Antwort auf das Gewaltproblem der amerikanischen Schulen.67
_ Schlechte Zukunftsperspektiven und monotone Rahmenbedingungen
Vielen Schülern bleibt wegen Schulversagen und schlechten Schulabschlüssen die Möglichkeit, eine Anstellung zu bekommen, verwehrt. Eine düstere wirtschaftliche Situation blockiert die Zukunftswünsche auch trotz guter schulischer Leistungen und trägt in die Schule Bedingungen hinein, die selbst zur Ursache eines Gewaltpotentials werden können. So werden viele Schüler eingeschränkt bzw. bleiben ihnen Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten verwehrt, und sie können nicht jenen Beruf erlernen bzw. ausüben, der ihren Fähigkeiten, Interessen, Ansprüchen und Erwartungen entspricht.68 Es sind aber auch die monotonen und strikten Rahmenbedingungen des Schulsystems, die Schüler stark einschränken können, und aus denen sie sich befreien wollen.69 Viele gewalttätige Kinder und Jugendliche wollen durch ihr Verhalten Aufmerksamkeit erwecken, aus dem System ausbrechen - Sie wollen um jeden Preis auffallen und zumindest für einen Augenblick in den Mittelpunkt des Interesses rücken.70
_ Bullying
Bullying als Form von Gewalt ist wiederum Ursache für neue Gewalt. Es führt bei den Opfern zu einer veränderten akademischen und sozialen Kompetenzentwicklung mit einer langfristigen Bedeutung für die individuelle Lebensperspektive. Folgen für die Bullying-Opfer sind weniger Spaß an der Schule, stärkere Isolation, Alleinsein, höhere Depressivität, ein schlechter ausgeprägtes Selbstkonzept und ein geringerer Selbstwert, was zu erhöhter Aggressivität führt. Bei den Tätern ist Bullying ein Hinweis auf Externalisierungsprobleme und eine stark erhöhte Wahrscheinlichkeit einer späteren Straffälligkeit.71
_ Gesellschaftliche Zwänge und Unterschiede
Bei vielen Jugendlichen ist es der hohe Grad des Angepasstseins, der ein problematisches Verhalten erzeugen kann, indem sie sich dagegen wehren, vorherrschende Normen und Werte übernehmen zu müssen. Es sind auch gesellschaftliche Unterschiede, beispielsweise wird von vielen Kindern und Jugendlichen das Tragen von Markenkleidung erwartet. Wenn sich dies die betroffene Familie nicht leisten kann, und es dazu kommt, dass das Kind von seinen Mitschülern nicht akzeptiert wird, kann aggressives Verhalten entstehen. Viele Kinder versuchen dann auch, sich die Sachen, die sie sich nicht leisten können, mit Gewalt anzueignen.72
2.2.3. Gewaltprävention in der Schule
Um ein wirksames Konzept der Gewaltprävention in einer Schule zu erstellen, das auf Dauer und nachhaltig Wirkung zeigt, muss systematisch vorgegangen werden:
(1) Alle betroffenen Personen müssen die Gewalt (insbesondere psychische Gewalt in Form von Bullying) als Problem erkennen: Lehrer, Eltern und Schüler (Täter, Opfer und die schweigende Gruppe).
(2) Die Schule muss Gewalt verhüten, in dem sie ein klares Gewaltkonzept ausarbeitet und wissenschaftlich fundierte Informationen einholt.
(3) Wenn Gewalt dennoch stattfindet, müssen Lehrer dies ansprechen und klar dagegen Stellung nehmen.
(4) Wenn Gewalt trotz aller Bemühungen doch wieder vorkommt, muss die Schule wirksame Maßnahmen dagegen ergreifen.
(5) Eine Vertrauensperson in der Schule reicht auf Ersuchen der Eltern des gequälten Kindes eine Klage bei dem entsprechenden Gremium ein, das das Problem untersucht und der befugten Stelle geeignete Maßnahmen vorschlägt.73
Bei der Umsetzung von Maßnahmen entsteht unweigerlich ein zusätzlicher finanzieller Aufwand, und ein hohes Maß an zusätzlicher Arbeitszeit und persönlichem Engagement ist erforderlich. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass die geplanten Vorgehensweisen auch umsetzbar sind, und die nötigen Ressourcen aufgebracht werden können. Folgende Maßnahmen zur Gewaltprävention in der Schule - abgeleitet von den oben angeführten Ursachen - wären denkbar und sinnvoll:
_ Umgestaltung des Lehrplanes und des Unterrichts
Die Schule darf nicht nur eine Lernanstalt sein sondern auch eine ,,Lebensschule\".74 Es genügt nicht, den Schülern einen qualifizierten Fachunterricht zuteil werden zu lassen, auch die ,,Werteerziehung\" darf nicht zu kurz kommen - die Vermittlung von ethischen und menschlichen Werten. Denn nicht nur die fachliche Qualifikation ist für die Zukunft der Schüler von Bedeutung sondern ebenso erworbene Haltungen und soziale Tugenden. Erziehung und Unterricht darf dabei nicht auseinanderdividiert bzw. gegeneinander ausgespielt werden.
Lehrpläne müssen reformiert werden: Sie sollen fächerübergreifende ethische Fragestellungen beinhalten und konkretes Unterrichtsmaterial zur Verfügung stellen, denn auch die Beschäftigung mit bestimmten Unterrichtsinhalten wirkt präventiv, denn Wissen prägt Einstellungen. Zum Beispiel sind für die Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit die Kenntnis fremder Kulturen und die Auseinandersetzung mit eigenen Vorurteilen von großem Wert. Die Lehrpläne müssen auf die Eigenart und spezifischen Erziehungsbedürfnisse der verschiedenen Altersstufen eingehen und situations- und handlungsbezogenen Projektunterricht fördern. Derartige Projekte und Aktionen sollen zur Öffnung des Unterrichts und zur Einführung offener Lern- und Lehrformen beitragen. Zur Durchführung müssen allerdings pädagogische Freiräume gelassen werden. So sollen die Eigeninitiative und die Verantwortungsbereitschaft der jungen Menschen gestärkt und diese für soziale und ethische Probleme sensibilisiert und zur Selbstbeobachtung und Selbsterfahrung angeregt werden.75 Daneben ist Medienerziehung ein wichtiger Lehrinhalt zur Gewaltprävention (vgl. 2.5.3.3. Pädagogische Maßnahmen).
_ Offener Dialog und Erarbeitung von Umgangsregeln
Als Grundlage für die präventive Arbeit soll ein ,,Schulkonzept\" kommunikativ erarbeitet und umgesetzt werden ebenso wie Regeln des Zusammenlebens in der Schule. Zuerst müssen folgende Fragen geklärt werden: Wie sprechen wir miteinander? Wie tragen wir Konflikte aus? Können wir einander zuhören? Interessieren wir uns wirklich für die Bedürfnisse und Interessen des anderen, und sind wir bereit, uns dafür selber zurückzunehmen? Wie möchten wir selbst behandelt werden? Was kränkt uns, tut uns weh? Daraus ergeben sich die Regeln des gemeinsamen Umgangs, die auch entschieden eingefordert werden müssen, und deren Verletzung gegebenenfalls auch Konsequenzen haben muss.76
Die Regeln sollen in Kooperation aller Beteiligten vereinbart werden, denn sie sollen prinzipiell mehr an den Entscheidungsfindungsprozessen teilhaben, was zu einer Erhöhung von Individualkompetenzen führt. Vor allem bewirken Schülerbeteiligungen eine Stärkung der eigenen Verantwortlichkeit. Regelmäßig sind Kooperationssitzungen nötig, an denen sich ebenfalls alle Betroffenen beteiligen können, und in denen ein offener Dialog über alle Belange der Schule geführt wird.77 Beispielsweise finden in der Freien Schule Leipzig täglich ein ,,Morgenkreis\" und wöchentlich Schulversammlungen statt, wo Regelverletzungen besprochen und eine angemessene Wiedergutmachung vereinbart werden.78 Prinzipiell müssen allen Beteiligten Kommunikationsmöglichkeiten eingeräumt werden, etwa in Form von Gremien, wo Schüler ihre Sorgen, Gefühle und Anliegen zum Ausdruck bringen können.79
Viele holländische Schulen haben Verträge zwischen Lehrern und Schülern abgeschlossen, in denen sie auf Gewalt verzichten und die Regeln des Vertrages anerkennen. Im Folgenden soll ein derartiger Gewaltverzichtsvertrag einer holländischen Grundschule, formuliert für 11-12 Jährige, als Beispiel dienen:
(1) ,,Tu keinem Kind etwas an, was du selbst nicht magst.
(2) Berühre niemanden, wenn er es nicht will.
(3) Wir nennen uns beim Vornamen und gebrauchen keine Schimpfwörter.
(4) Wenn du ärgerlich bist, schlage, schubse und kratze nicht. Versuche, mit dem anderen zu reden, und wenn das nicht hilft, sprich mit dem Lehrer.
(5) Wir halten nichts davon, andere Kinder auszulachen, ihnen Sachen wegzunehmen oder sie nicht mitspielen zu lassen.
(6) Wir verpetzen einander nicht, außer wenn diese Regeln nicht eingehalten werden oder wenn Gefahr droht.
(7) Alle diese Regeln gelten nicht nur in der Schule, sondern auch zu Hause, bei anderen Familien und draußen auf der Straße.\" 80
Der letzte Punkt ist oft heikel, und es kommt öfters vor, dass einige Schüler die Unterschrift für diese Regel verweigern.
_ Zusammenarbeit mit Eltern
Die Förderung und Forderung der Mitarbeit und Mitverantwortung der Eltern ist elementar. Individuelle oder informierende Elterngespräche, wie sie üblicherweise bei den Elternabenden stattfinden, sind sehr wichtig, jedoch darf sich der Kontakt zu den Eltern nicht mit Schullaufbahnberatung beschränken sondern soll auch Überlegungen zu Überforderung und Unterforderung von Schülern beinhalten, die gleichsam einen erheblicher Anlass für Aggressivität darstellen. Die Zusammenarbeit zwischen Lehrern, Eltern und Schülern muss in allen Schulen intensiviert werden, denn eine passive Elternschaft erschwert präventive Aufgaben und versäumt die Chance, Lehrer und Kinder zusätzlich zu motivieren.81
_ Fortbildungsmaßnahmen
Bei der Ausbildung von Lehrern ist nicht nur die fachliche sondern ebenso die pädagogische Komponente gleichermaßen bedeutend. Viele Pädagogen nehmen freiwillig an Fort- und Weiterbildungskursen teil, es wäre jedoch notwendig, dies in regelmäßigen Abständen verpflichtend für alle Lehrer einzuführen. Das ist erforderlich, um besser für den Umgang mit aggressiven und verhaltensaufälligen Schülern gerüstet zu sein: Lehrer sollen schon früh Probleme identifizieren können und auch Möglichkeiten der Intervention erlangen. Zusätzlich sind Seminare zur Stressbewältigung, zur Selbstbeobachtung, zum Verhaltenstraining und Kurse zur Stärkung des Selbstbewusstseins und der Führungskraft zweckmäßig.82 Es wäre auch sinnvoll, eine Fortbildung kollektiv für Eltern und Lehrer anzubieten, um eine gemeinsame Strategie gegen Gewalt, vor allem gegen Bullying, zu entwickeln.83
An der Universität Konstanz wurde von einer Forschungsgruppe das so genannte ,,Konstanzer Trainingsmodell\" (KTM) entwickelt. Dieses Modell geht davon aus, dass jeder Lehrer bewusste und unbewusste Wissensbestände und Theorien über Störungen im Unterricht und aggressive Schüler besitzt - dazu zählen unausgesprochene, eher gefühlsgeleitete Annahmen und intuitive Überzeugungen - und aufgrund dieser Theorien auch handelt. Im Zentrum dieses Ansatzes stehen diese persönlichen, im Verlauf der gesamten Sozialisation gewonnenen ,,Theorien\" und der angemessene Umgang damit. Das Trainingsmodell setzt bei den für den einzelnen Lehrer als problematisch, also störend bzw. belastend empfundenen Unterrichtsituationen an und bietet dem Lehrer gezielt Hilfen für den Umgang mit derartigen Situationen. Ein entscheidender Ansatz dieses Trainings ist das ,,Tandem\". Dabei bekommt jeder Teilnehmer einen festen Trainingspartner, mit dem er Verhaltensweisen und Situationen reflektiert und auch gegenseitige Unterrichtsbesuche abhält und das Verhalten des Partners diskutiert.84
_ Gerechte Leistungsbeurteilung
Das Vermeiden von Schulversagen ist einer der wichtigsten Beiträge zum Abbau von Aggression und Gewalt. Eine transparente und klare Struktur der Leistungsbeurteilung und eine Fairness in der Beurteilung ist Voraussetzung, um fremdverursachte Hilflosigkeit bei den Schülern zu vermeiden.85
_ Förderung von Konfliktlösungsprozessen und Alternativen zur Gewalt
Konflikte müssen ausgesprochen und bearbeitet werden, damit sie nicht eskalieren und in Gewalt enden. Um Konflikte gewaltfrei zu lösen, müssen ,,Anti-Gewalt-Trainingsmodelle\"86 ausgearbeitet und auch trainiert werden. Dabei müssen Lehrer eine gewaltfreie Vorbildsfunktion erfüllen und bei Problemen unter Schülern, die sie selbst nicht lösen können, einen Konfliktlösungsprozess initiieren und die Schüler dabei begleiten.87 Eine Möglichkeit ist ,,Mediation\", bei der Gespräche über den Konflikt geführt werden. Mediationsgespräche enden mit einer schriftlichen Vereinbarung, in der festgehalten wird, was jeder zur Lösung des Konflikts beiträgt, wie angerichteter Schaden wieder gutgemacht und das zukünftige Zusammentreffen gewünscht wird.88 Damit ein solches Gespräch in geregelten Bahnen verläuft, ist ein Streitschlichter nötig; dafür besteht ein enormer Schulungsbedarf der Pädagogen. Eine andere Möglichkeit, um Konflikte zu bewältigen, wäre die Aufarbeitung mittels Rollenspielen. Weiters können alternative Möglichkeiten zum Abreagieren von Aggressionen aufgezeigt werden, etwa durch Sport und Spiel.89
_ Keine Gewaltduldung, Sanktionsmaßnahmen und Hilfe für Opfer
Beobachtete Gewalthandlungen dürfen nicht ohne Maßnahmen hingenommen und müssen indessen auf jeden Fall unterbunden werden. Weder Lehrer noch Schüler dürfen wegschauen sondern müssen konkret Handeln90, da ungestrafte Täter auch in Zukunft weiter Gewalt ausüben werden. Auf Normbrüche junger Menschen muss reagiert werden, wenn auch nicht unbedingt mit Mitteln des Strafrechts.91 Für Problemgruppen sind Sondermaßnahmen auszuarbeiten, zum Beispiel kann eine Unterstützung leistungsschwacher Schüler überlegt werden. Noch im Konfliktlösungsprozess aber auch danach müssen gesetzte Sanktionsmaßnahmen auf ihre Wirkung kontrolliert werden.92
Es ist natürlich auch zu verhindern, dass Opfer selbst Täter werden. Dies erfordert einerseits, dass die Opfer die Strafe für die Täter als angemessen empfinden und andererseits dass sie unterstützt werden, in Zukunft nicht abermals in die Opfersituation zu gelangen. Ihnen müssen Strategien demonstriert werden, wie sie vorgehen können, wenn ihnen wieder Gewalt widerfährt, zum Beispiel wo sie sich Hilfe holen können. Auf diese Weise besteht die Chance, die Gewaltspirale auch von der Opferseite her zu beenden.93
_ Schule als ,,Lebensraum\"
In der heutigen Zeit kommt der Schule ein erweiterter Erziehungsauftrag zu - Sie muss heute zusätzlich Funktionen übernehmen, die vormals die Familie innehatte:
,,Sie muß versuchen, den Schülern ein Stück zuhause zu sein, ihnen ein Gefühl der Zugehörigkeit und Geborgenheit zu geben. Sie muß Lebensraum werden, ein Ort, an dem die Kindern gerne sind, wo sie in ihrer Eigenart auch mit ihren Schwächen akzeptiert werden, wo sie Gemeinschaft, Gemeinsamkeit und vor allem Gemeinsinn erleben, wo sie die Regeln und Ordnungen eines zivilisierten Umgangs mitgestalten und einüben sowie ihre sozialen Fähigkeiten entfalten können.\" 94
Dazu sind zahlreiche Gestaltungsmaßnahmen innerhalb der Schule nötig, wie etwa die bauliche Struktur des Gebäudes, die Bepflanzung, Pausenhofveränderungen usw. Die Umgebung der Schule sollte so gestaltet sein, dass die Schüler zum Spielen oder zu anderen Freizeitbeschäftigungen angeregt werden. Es sollen Wahlfächer und Neigungskurse angeboten werden, die eine musikalische und kreative Betätigung, Gespräche, Spiele und Sport fördern. Damit werden vielfältige Fähigkeiten und Interessen geweckt und entdeckt, die Erfolgserlebnisse ermöglichen, das Selbstwertgefühl stärken und Anregungen für eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung geben. Auch Schulfeste und Feiern, die von Schülern mitorganisiert werden, gelten als bewährter gewaltpräventiver Ansatz.95
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