Nach dem Lesen des ersten Teils und einem Großteil des zweiten Teils des Dramas "Faust", welches von Johann Wolfgang von Goethe in langjähriger schriftstellerischer Tätigkeit verfasst wurde, stellt sich mir und wahrscheinlich auch vielen anderen Lesern die Frage, ob Mephistopheles nun die Wette gewinnt, d.h. siegt das Böse über das Gute oder wendet sich doch noch alles?
Um diese Frage beantworten zu können, muss man sich mit dem Schlussmonolog von Faust, welcher die Verse 11559 bis 11586 umfasst, auseinandersetzen.
Diesem Monolog geht die Aufforderung an Mephisto durch Faust voran den Sumpf trocken zu legen und damit aus dem Meer Land zu gewinnen. Um diese Idee zu erfüllen, soll Mephistopheles Männer anheuern, die einen Graben bauen. Dieser lässt aber durch die Lemuren, welches römische Totengeister sind, das Grab für Faust schaufeln. Es wird also deutlich das nahe bevorstehende Ende von Faust gezeigt.
Formal lässt sich feststellen, dass für die Figur Faust, der für sie typische 4- hebige Jambus, welchen man auch aus diesem Grunde als Faustvers bezeichnen kann, verwendet wird. Weiterhin treten Paarreime und Kreuzreime auf und sowohl weibliche als auch männliche Kadenzen sind vorhanden.
Der blinde Faust zeigt durch die Personifikation des Sumpfes (Vers 11559), welche Vorstellung er von der ihn umgebenden Landschaft hat. Weiterhin zeigt sich durch diese Personifikation, dass der Plan Fausts noch nicht erfüllt ist und dass es immer noch Hindernisse und Schwierigkeiten gibt, die überwunden werden müssen. Durch die Akkumulation: "Das Letzte wär` das Höchsterrungene." (Vers 11562) verdeutlicht er seine Überzeugung, dass mit dem Überstehen aller Schwierigkeiten der Mensch ein unbeschreibliches Glücks- und Stärkegefühl erlangt. Dazu möchte Faust beitragen, indem er seine Vision erfüllt und den Menschen zu Land verhilft, auf dem sie wirtschaften und überleben können. Dies bringt er im Vers 11563 "Eröffn' ich Räume vielen Millionen, " zum Ausdruck. Er gesteht sich aber ein, dass er keine hundertprozentige Garantie für die Freiheit der Menschen liefern kann. Es zeigt sich aber, dass die Umwelt gute Grundlagen für die Menschen schafft, die sie nach Meinung von Faust auch sogleich nutzen, welches sich durch "Gleich angesiedelt an des Hügels Kraft" (Vers 11566) verdeutlicht. Im folgenden Vers wird die Tätigkeit und das aktive Handeln der Menschen durch die Worte: "Den aufgewälzt kühn- emsige Völkerschaft." klar aufgezeigt. Durch die Alliteration "Im Innern ..." (Vers 11567), welche antithetisch zu "draußen" (Vers 11568) steht und die Personifikation der "Fluth" (Vers 11568), welche zerstörerisch wirkt, deutet Faust an, dass die Freiheit immer wieder bedroht wird, auch wenn das Land "paradiesisch" (Vers 11567) erscheint. Hier sieht man auch einen Bezug Fausts auf die Religion, die Schaffensgeschichte und die Verführung durch die Schlange. Faust bringt aber eindeutig zum Ausdruck, dass all solchen Geschehnisse durch das Wirken der Menschen als Gemeinschaft überwunden werden, da diese stärker ist als der Einzelne. Durch die Emphase: "Ja!" im Vers11571 verdeutlicht sich noch einmal die absolute Zustimmung zu diesem von Faust. Im folgendem Vers: "Das ist der Weisheit letzter Schluss" erkennt Faust, was wirklich wichtig ist, nämlich die Gemeinschaft. Dadurch gelangt er vollkommen unbewusst zu der für ihn höchstmöglichen Erkenntnis. Es zeigt sich hier der Gegenentwurf zu seinem bisherigen Dasein, in welchem er immer nur die Erkenntnis für sich selbst gefordert hat. Er sieht auch ein, dass das Streben der Menschen richtig ist, da nur ein aktiver Mensch seiner Ansicht nach die Freiheit "verdient" (Vers 11573). Durch den folgenden Vers "Der täglich sie erobern muß." wird klar gezeigt, dass der Mensch nicht verharren darf und sich nicht ausruhen darf, weil er sonst nicht zur wirklichen Freiheit und Unabhängigkeit kommt. Dies bezieht Faust auf alle Menschen, egal ob jung oder alt, welches sich durch die Akkumulation: "Hier Kindheit, Mann und Greis [...]" (Vers 11576) herausstellt. Er wünscht sich also eine Generationsgemeinschaft, die sich durch Zusammenhalt auszeichnet. In den folgenden zwei Versen weist er noch einmal deutlich darauf hin, dass dies leider nur seine Zukunftsvision ist, nach deren Erfüllung er sich sehnt, welches sich mit dem Konjunktiv begründen lässt. In den Versen 11579 und 11580 spricht Faust die zwischen ihm und Mephistopheles vereinbarte Wettformel aus. Damit hätte Mephistopheles eigentlich gewonnen, aber durch den Konjunktiv gewinnt Mephistopheles nur scheinbar und der eigentliche Sieger ist Faust. Faust liefert dafür auch im Folgendem selbst die Begründung, denn er zeigt durch die Metapher "Spur von meinen Erdentagen" (Vers 11581), dass er sich bewusst ist, dass seine Taten und Leistungen auch nach seinem Tod bestehen bleiben und Einfluss haben, da sie für das Gemeinwohl des Menschen sind. Durch das griechische Wort "Äonen" (Vers 11582), welches für Zeitalter steht, wird auch nochmals auf die Antike und somit auf die Episode mit Helena zurückgewiesen. Durch den Parenthesestrich im Vers 11582 zeigt sich ein kurzes Innehalten von Faust, in das sich eine gewisse Furcht vor dem Aussprechen der folgenden Worte interpretieren lässt. In den letzten beiden Versen sagt Faust, dass er und seine Seele endlich einmal zur Ruhe kommen und "genießen", aber da er nur "den höchsten Augenblick" (Vers 11584) so empfindet, stellt sich heraus, dass Faust eben nur sehr kurzzeitig zufrieden ist und nicht vollkommen.
Danach stirbt Faust und wird von den Lemuren in sein Grab gelegt.
In diesem Schlussmonolog hat sich also das Bild von Faust über das Leben noch einmal stark verändert, da er wie schon erwähnt nicht mehr für sich allein die Erkenntnis beansprucht, sondern die Freiheit der Gemeinschaft fordert. Er will sich auch nicht mehr von allen Bindungen befreien, sondern eine bedingte Freiheit in Unterordnung des Gemeinwohls in Kauf nehmen und sich als einsichtigen, strebenden und sich bemühenden Menschen erweisen, der auch zufrieden sein kann und nicht ewig unzufrieden mit sich und der Welt ist.
Durch die Zukunftsvision von Faust einer kollektiven Gemeinschaft, die glücklich und zufrieden ist, aber sich dennoch nicht satt zurück lehnt und nicht faul und wohlgefällig ist, sondern immer aktiv und in der Entwicklung ist, zeigt Goethe humanistische Gedanken auf, auch wenn dem Leser natürlich bewusst ist, dass dies nur eine Sozialutopie, also ein Ideal der Gesellschaft ist.
Zum Abschluss möchte ich noch einmal Bezug zum Beginn des Werkes, also zum "Prolog im Himmel" herstellen, denn durch diesen Monolog bestätigt sich eindeutig das Menschenbild des Herrn, dass der Mensch von Natur aus gut ist. Hieraus folgt auch die Bestätigung des Entelechiegedankens.
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