\"Wenn ich 30 Jahr bin, will ich, daß man meinen Namen kennt. Bis 35 will ich anerkannt sein. Bis 40 sogar ein bißchen berühmt. Obwohl das Berühmtsein gar nicht so wichtig ist. Aber es steht nun mal auf meinem Programm. Also muß es klappen. Einverstanden?\" Erich Kästner hatte schon damals den festen Vorsatz berühmt zu werden, was er auch in einem Brief an seine Mutter 1926 schilderte. In Berlin war er auf dem besten Weg dazu. Im Herbst 1927 trat der Verleger Curt Weller an ihn heran und bat ihn, mehrere seiner Gedichte in einem eigenen Band zusammenzufassen. Für \"Herz auf Taille\" lieferte Erich Ohser die Illustrationen, und nach wenigen Woche wurde ein Heft mit insgesamt neunundvierzig Gedichten Kästners über Großstadtprobleme, Kaffeehausmilieu oder Hotelzimmererotik herausgegeben. Bereits in diesem ersten Gedichtband kann man seine ablehnende Haltung gegenüber Militarismus, Krieg und Staat klar erkennen. Das konsequente Nein zum Krieg und die Warnung vor dem Wiederholungsfall sind auch in den folgenden drei Bänden Kästners nicht zu überhören, ebenso der Ruf zur Besinnung, die Mahnung zur Vernunft. Spätestens jetzt war er in Deutschland ein bekannter Autor geworden und erhielt viel Lob von den verschiedenen Zeitungen. \"Endlich saß man wieder vor einem Gedichtbuch wie vor einem Abenteuerroman Londons oder wie vor einem Chaplin Film, gepackt, begeistert.\" Leipziger Volkszeitung. \"Was er nüchtern und wahrhaftig feststellt, er wundervoll zu formulieren weiß, so treffsicher, daß der Leser seine helle Freude daran hat und rote Backen bekommt.\" Berliner Volkszeitung. Die übermütigen Zeichnungen Ohsers, dessen Art Kästner sehr schätzte, trugen auch wesentlich dazu bei, daß die Bände reißend Absatz fanden. Mit dem Verdienst von einigen hundert Mark aus dem ersten Werk machten die beiden eine Reise nach Paris.
Im Herbst 1928 begann Erich Kästner auf Anregung einer Verlegerin mit dem Schreiben von Kinderbüchern. Es galt ein gutes Werk für Kinder von einem Deutschen Autor herauszubringen, und nach einigen Wochen hatte er einen Band mit Kurzgeschichten und seinen ersten Roman für Kinder \"Emil und die Detektive\" geschrieben. In diesem Buch verarbeitet er viele der Erlebnisse aus seiner bewegten Kindheit. So war er sebst einmal mit einer detektivischen Aufgabe konfrontiert gewesen. Dieses Buch wird im Anhang näher erläutert. \"Emil und die Detektive\" ist bis heute Kästners berühmtestes Kinderbuch geblieben. In den Jahren wurde es zahlreich verfilmt und verarbeitet. In einer präzisen und packenden Sprache wurden Themen der damaligen Zeit verarbeitet, was das Buch so interessant macht. Der Held dieses Buches Emil Tischbein ist eigenständig, klug aber auch kooperativ und zuvorkommend. 1930 begann die UFA mit der Verfilmung dieses Werkes. Die bekannten Illustrationen für Kästners Kinderbücher lieferte Walter Trier.
1929 übernahm er erstmals einen größeren Auftrag für den Rundfunk. Es entstand für den Sender Breslau ein aktuelles Sendemanuskript für ein Hörspiel mit dem Titel \"Leben in dieser Zeit\". Mit diesem ersten Theaterstück zeigt er die Existenzangst und Orientierungslosigkeit der Arbeiter in Zeiten des Kapitalismus auf und beschreibt die Weltwirtschaftskrise. Das Stück wurde ein großer Erfolg und wurde schließlich als Theaterstück in viele Bühnen aufgenommen. Die Musik zu Kästners Hörspielen lieferte der musikalische Leiter des Senders Breslau Edmund Nick. Mit \"Leben in dieser Zeit\" wurde Kästner zu einem richtigen Bühnenautor. Zuvor war er ja nur Zuschauer und Kritiker gewesen. Bis dahin hatte Erich Kästner soviel Geld verdient, daß er sich zusammen mit seiner Freundin Pony eine eigene Wohnung in Berlin Charlottenburg leisten konnte. Die Zeiten der Untermieten waren nun vorbei. Die drei Jahre in Berlin waren zweifellos eine sehr produktive Zeit, in der Kästner auch seinen Durchbruch schaffte. Außerdem belieferte er die bekanntesten Zeitungen Deutschlands und lernte immer mehr Künstler und andere Schriftsteller kennen. Er war ein gefragter Mann und vor allem unter der Bevölkerung sehr bekannt.
Am 26. April 1930 unternahm er mit seinem Freund Erich Ohser eine zehntägige Reise nach Rußland. Obwohl die gesamte Reise normal und ohne Probleme verlief, hat sie Kästner dennoch sehr geprägt. Er spricht von Zweimillionenstädten mit Sümpfen und kleinen Holzdörfern. Seiner Meinung nach ist er einer ganz anderen Welt begegnet. Es blieb weiters seine erste und einzige Begegnung mit Sowjetrußland, jenem Land, in dem sein Emil längst Schullektüre für den Deutschunterricht geworden war und in dem seine Gedichte in hohen Auflagen gelesen wurde.
Für Kästner, der seine Sprechstunden und alles, was mit der Arbeit zusammenhing, konsequent ins Kaffee verlegt hatte, brachte das Jahr 1930 noch eine weitere wichtige Begegnung. Sein dritter Gedichtband \"Ein Mann gibt Auskunft\" war gerade in den Druck gegangen, als der aus Berlin stammende Regisseur Billy Wilders an ihn herantrat und die Verfilmung eines seiner Werke vorschlug. Trotz anfänglicher Skepsis, für Kästner war die Filmindustrie künstlerisch noch zu wenig fortgeschritten, willigte er ein. Sein erster Film hieß \"Dann schon Lieber Lebertran\", der von Kindern handelt, die auf ihren Wunsch in die Rolle ihrer Eltern geraten, da sie am Abend nicht mehr den zwar gesunden, aber bitteren Lebertran zu sich nehmen wollten. Nach einem Tag in den vertauschten Rollen sehnen sie sich aber schon wieder nach der Kindheit. 1933 kam schließlich \"Emil und die Detektive\" in die Kinos, ohne Zweifel ein großer Erfolg. Dieser Film wurde auch noch weit nach 1933, auch als Kästner unter den Nazis verboten war, ausgestrahlt. In dieser Zeit wurde auch ein weiteres berühmtes Kinderbuch, nämlich \"Pünktchen und Anton\", geschrieben.
Die ablehnende Haltung gegenüber dem Krieg zeigt sich bereits zu Beginn der dreißiger Jahre, als die Nationalsozialisten immer mehr Stimmen gewinnen. Hier ein Auszug aus einem Weihnachtsgedicht von 1930 in der \"Weltbühne\" - eine Bitte an den Weihnachtsmann:
Und nach München lenk die Schritte,
wo der Hitler wohnen soll.
Hau dem Guten, bitte, bitte,
den Germanenhintern voll!
Komm, und zeige dich erbötig,
und verhau sie, daß es raucht!
Denn sie haben\'s bitter nötig.
Und sie hätten\'s längst gebraucht.
Kästner hatte die drohende Gefahr real erkannt, und seine Haltung würde ihm noch große Probleme mit den Nazis bereiten. In weiteren Gedichten warnt er vor einem Krieg und tausenden Toten.
Der streitbare Moralist - 1931 bis 1933
Kästners polemische Lyrik war nicht nur in großen Tageszeitungen und satirischen Zeitschriften zu finden, sondern auch auf den Podien der kleinen und großen Kabaretts. Die Verbindung entstand schon, als seine Gedichte noch gar nicht in Buchform erschienen waren. Von einer ständigen Mitarbeit konnte aber die Rede sein, als er in engeren Kontakt zu den Schauspielern, Direktoren und Komponisten des Berliner Kabaretts trat. Um 1929 begann er mit dem Schreiben von Chansons. Ende der zwanziger Jahre gab es keine Diseuse von Rang, die nicht Kästner Chansons im Repertoire hatte oder sich welche wünschte. Für die Titelbilder der Programme der Stücke lieferte meistens Walter Trier die Vorlagen. Er zeigte, daß seine Bilder nicht nur für Kinderbücher geeignet waren, sondern auch satirisch sein konnten. Er kritisierte zum Beispiel die Untugenden der Boulevardpresse oder den Amerikafetischismus der zwanziger Jahre. Kästner schrieb Chansons besonders für Trude Hesterberg oder Annemarie Hase, mit denen er viele Jahre zusammenarbeitete. Zwischen 1928 und 1933 gab es in Berlin eine beachtliche Zahl guter Kabaretts, die Kästner sehr schätzte, aber keines hat einen so nachhaltigen Einfluß auf ihn ausgeübt wie Werner Fincks \"Katakombe. Hier ergaben sich die Kontakte zu Ernst Busch und Kate Kühl. Viele dieser Bekanntschaften nach er nach dem zweiten Weltkrieg wieder auf. Um 1931 waren Kästners Chansons auf Grund ihrer Bissigkeit und Witzigkeit ebenso populär wie die \"Anna-Luise\" von Tucholsky oder die \"Kleptomanin\" von Friedrich Hollaender. Neben den Chansons schätzte er aber auch Volksweisen und Epigramme.
Zwischen all diesen sehr zeitraubenden Tätigkeiten auf der Bühne fand er aber auch noch die Zeit einen weiteren Roman zu schreiben. Dieser sollte nicht für Kinder, sondern für Erwachsene sein. Den Plan einen satirischen Zeitroman für Erwachsene zu verfassen hat Erich Kästner wohl schon lange vorher gehegt, als er noch in Leipzig tätig war. Man erinnere sich an die vorher schon erwähnte Geschichte mit dem Direktor und dem Blinddarm, die in diesem Werk zu finden ist. Als das Skriptum aber in den Druck gehen sollte, intervenierte die Verlagsleitung, und zwei Kapitel mußten herausgestrichen und der Titel geändert werden. Der Titel \"Der gang vor die Hunde\" wurde abgelehnt, und so hieß sein erster Roman für Erwachsene \"Fabian - die Geschichte eines Moralisten\". Fabian ist das Buch Kästners, das die moralischen Intentionen und weltanschaulichen Positionen seines Autors am stärksten zur Geltung bringt. In der Form einer schonungslosen Satire auf der Krise des bürgerlichen Gesellschaftssystems ist \"Fabian\" der Roman zwischen Hoffnung und Verzweiflung, verkörpert in den beiden Hauptgestalten Fabian und Labude. Stärker noch als die Gedichtbände präsentiert er sich als Zerrspiegel vom Untergang einer Gesellschaft, indem er den Zustand der Krise in Form fotografischer Nahaufnahmen schildert, deren Optik er absichtlich verzerrt, um das Chaos deutlicher zu machen. Mit dem ersten Titel wollte Kästner vor dem drohenden Untergang Deutschlands und Europas waren. Die Inhaltsangabe und die Interpretation finden sich im Anhang. Wegen der radikalen Haltung seines Buches wurde Kästner 1931 in den Kritiken von rechts maßlos attackiert als \"Autor der nationalen Schande\". Es fielen Ausdrücke wie \"zersetzend\", \"Schund und Schmutz\", \"Asphaltliteratur\". Die kommunistische Partei lobte hingegen das Buch und feierte den Autor. Trotz Fürsprache angesehener Zeitschriften und namhafter Kritiker hat \"Fabian\" lange Zeit zu den umstrittenen Werken gehört. Das lag an der Brisanz des Themas und Kästners Mut. Bis Januar 1932 betrug die Auflagenhöhe bereits 20000 Exemplare. Und immer wieder war das Buch vergriffen. Anderthalb Jahre nach der Veröffentlichung waren bereits Übersetzungen in über neun Sprachen vorhanden, von Englisch über Russisch bis Ungarisch. Die soziale Lage in Deutschland um 1931 glich genau den in \"Fabian\" beschriebenen Zuständen.
In den dreißiger Jahren spitzte sich die politische Situation immer mehr zu. Deutschland wurde geplagt von hohen Arbeitslosenzahlen und politischer Unordnung. Die Regierung der Weimarer Republik hatte das Land nicht mehr unter Kontrolle, und eine nach der anderen Notverordnung trat in Kraft. Die Demokratie geriet immer mehr in Bedrängnis. Erich Kästner setzte zwar die mit den Verlagen vereinbarte Arbeit fort, fürchtete aber um seine Existenz als freier Schriftsteller.
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