Der Autor Ernest Callenbach präsentiert ein Werk, daß er Ökotopia nennt und womit er die Literaturkategorie \"wünschenswert aber nicht bestehender gesellschaftlicher Verhältnisse\" beansprucht. Das allgemeine Unbehagen an der Natur hat schon immer Schriftsteller dazu angeregt ihre Werke in einem romanhaften Stil zu verfassen und alternative gesellschaftliche Zustände zu phantasieren. Im allgemeinen wird Utopia auf einer Insel im weiten Meer oder ähnliches angesiedelt, jedenfalls als ein abgeschlossenes Land oder Staatssystem dargestellt, welches zu den gegenwärtigen Verhältnissen im Kontrast steht.
Callenbach benutzt in seinem Werk diese bekannte literarische Vorlage \"Utopia\" um die ökologische Thematik in dieser Weise zu dramatisieren. Zu diesem Zweck lässt er einen Reporter eine Reise in den doch so unbekannten Staat Okotopia, der ein abgetrennter Teil der USA sein soll, machen. Er läßt sich leider nicht genauer darüber aus, wie es zu dieser Abtrennung gekommen sein soll. Man erfährt lediglich, daß so etwas für einen Teil der Menschheit wünschenswert wäre. Beispielhaft könnte man die vorgeschlagenen Verhältnisse unter dem Aspekt \"ökologische Lebensweise\" einteilen in gesellschaftlich-soziale und Technische Unterschiede. Parallel zum Bevölkerungsschwund, der durch die größere Freiheit der Frauen, indem sie entscheiden können, von wem sie ein Kind bekommen, hervorgerufen wird, ist auch die Kleinfamilie, wie wir sie kennen, in einem raschen Auflösungsprozess begriffen. Es entstehen vielmehr eine Art Wohngemeinschaften, die mit den vorindustriellen Großfamilien vergleichbar sind.
In Bereichen der Technik ist Ökotopia einerseits anderen Ländern weit voraus, andererseits scheinen sie sich rückwerts zu entwickeln. Signifikanter Unterschied zu der gegenwärtigen Nutzung technischer Errungenschaften besteht offensichtlich darin, daß die Energiequellen Kohle und Atomkraft durch eine umweltfreundlich Solarenergie ersetzt worden ist.
Angesichts dieser Ideen kommen schon enorme Zweifel an der Produktivität der uns vorgestellten alternativen Konzepte auf. Auf der technischen Ebene bewegt sich die gesamte Reportage in Form eines Tagebuches auf der Ebene fortgeschrittener technischer Entwicklungen, die basierend auf der Naturwissenschaft nur noch eine
Zeitfrage darstellt. Ein technisch orientierter Leser würde gelangweilt nichts neues feststellen! Auf dem gesellschaftlichen Gebiet bestehen die Vorschläge leider nur in längst überholten Modellen. Als da wären zum Beispiel Wohngemeinschaften anstatt intimer Kleinfamilien. Die Vorschläge zur Partnerwahl glänzen auch nicht durch besondere orginalität wenn man für mehr Freiheit eintritt und nichts anderes vorschlägt als eine freiwillige Übereinstimmung der beiden Partner. Das ist doch schon jetzt fast realität. Ohne einer Wertung der Vor- und Nachteile, die frühere Gesellschftsformen haben, kann es doch nicht dem Anspruch Utopia und
Ökotopia genügen, wenn man frühere Epochen im Sinne eines goldenen Zeitalters verherrlicht. Hieran wird sowohl der konservative als auch der phantasielose Charakter dieser Reportage deutlich.
Es erweist sich als schwierig die negativen Aspekte unserer Zivilisation utopisch zu recyclen und die uns gewohnten Annehmlichkeiten zurückzubehalten. Man kann nicht einfach das komplexe gesellschaftliche System durch ein Wunderbares Sieb, genannt Ökotopia, gießen; das vermeintlich Positive behalten und sich der lästigen Brühe so einfach entledigen. Diese Art von Heilung ist sicherlich viel zu naiv.
Ein Naturwissenschaftler könnte dieses Buch nach den ersten 20 Seiten vor Langeweile zerreißen und auf den Kompost geben. Im übrigen sollte nicht verschwiegen werden, daß im Detail einige lustige Einfälle vorhanden sind, die sich zur Lektüre am Strand eignen, insbesondere dann, wenn sich der Sonnengeile Turist dorthin umweltbelastend hat jetten lassen.
Ernest Callenbach: \"ÖKOTOPIA\". Aus dem Englischen übersetzt durch Rotbuchverlag.
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