Frisch liefert mit seiner Bearbeitung des Don-Juan-Dramas eine der originellsten und eigenwilligsten Deutungen, die dieses Motiv im Laufe der Jahrhunderte erhalten hat. Max Frisch selbst äußerte in einem Kommentar, dass Don Juan mehr mit Ikarus und Faust verwandt sei als mit Casanova. Im Gegensatz zu allen anderen Deutungen von Rang erscheint bei Frisch Don Juan nicht in erster Linie als ein von den Frauen besessener Verführer, der nur fähig zur Eroberung, nicht aber zur Liebe ist. Vielmehr entpuppt er sich in seinem Wesenskern als ein geradezu unsinnlicher Mensch: Er liebt mathematisch klar erfassbare Wahrheiten, nicht die verwirrende Vielfalt letztlich unausdeutbarer Gefühle.
Don Juans Sinnlichkeit ist äußere Maskerade, während er in seinem Innern einer glasklaren, streng disziplinierten Logik zuneigt, die seiner Meinung nach allein für Männer reserviert ist. Indem er so die Geschlechter in schroff getrennte Welten einsperrt - der Mann steht für Geist, die Frau für Sinnlichkeit - muss er das weibliche Wesen stets als das Unbekannte fürchten, muss er sich ängstlich auf seine eigene Domäne zurückziehen. Während er im Bereich des Denkens zu Pioniertaten fähig sein mag, ähneln seine Kontakt zu Frauen flüchtigen Expeditionen ohne größeren Entdeckungswert. Eine alte Männer- Neurose in neuen Worten.
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