Medea steht in ihrer Heimat hoch über ihrer Barbarischen Umgebung. Ihr Vater wird aus Gier nach dem goldenen Vlies zum Frevler am göttlichen Gebot. Medeas sittliches Bewußtsein und ihr fester Glaube an das ordnende Walten der göttlichen Mächte sind dadurch zutiefst erschüttert. Sie zieht sich in die Einsamkeit eines abgelegenen Turmes zurück. Aber sie hat sich doch aus Ergebenheit dem Wunsch des Vaters gefügt, sie hat ihre Hand zum Frevel geliehen, als sie dem Fremden das Schwert unter einem Vorwand abnahm. Damit ist sie in das Schicksal und Verhängnis verstrickt, das den Frevel ausgelößt hat. Jason findet sie und sogleich springt der Funke der Liebe über. Medea weiß zwar noch um Gut und Böse, aber die Liebe ist stärker als der eigene Wille und die bessere Einsicht. Erneut holt sie die Zauberkräfte hervor, verhilft Jason zum goldenen Flies, und wird dabei zur Vernichterin ihres Hauses. Im dritten Teil will sie mit ihrer Vergangenheit Schluß machen, damit will sie aber das Unmögliche. Sie will nur noch Griechin unter Griechen sein. In ihrer Hilflosigkeit schließt sie sich der korinthischen Königstochter Kreusa an, die ihr zum ersten mal menschliches Gefühl und Verständnis zeigt. Willig läßt sie sich von ihr führen, bis sie mit Schreck in ihr die Nebenbuhlerin entdeckt.
Das Bild Jasons wandelt sich im Laufe des Werkes grundlegend. In den Argonauten ist er der strahlende Held, ritterlich und unerschrocken in seinem sieghaften Willen. Der Jason in Medea ist nur ein Schatten seines einstigen Selbst. An seine heldenhafte Vergangenheit erinnert eigentlich nur sein Selbstlob, mit dem er der kindlichen Kreusa imponiert. Schweren Entscheidungen möchte er aus dem Weg gehen. Held ist er nur, solange er in einem Auftrag handelt. Er vermag nicht, sich selbst einen Befehl zu geben. Seine griechische Humanität beschränkt er auf sich selbst. Trotzdem fällt es ihm nicht leicht, von der einmal eingegangenen Verpflichtung zurückzutreten, es fällt ihm nicht leicht, Medea zu verstoßen, selbst wenn sich seine Gefühle gegenüber ihr gewandelt haben.
Kreon erscheint am Anfang des Stückes als ein wahrer Vertreter klassischer Humanität. Trotz aller Bechuldigungen gewährt er Jason und Medea Gastfreundschaft. Wohl gibt sich Kreon als gerechter Richter, aber seine Gerechtigkeit richtet sich immer nach dem, was ihm zweckmäßig erscheint. Mit der Strenge fängt er doch lieber bei Medea an. Jason aber will er mit spitzfindigen Verdrehungen seine Schuldgefühle ausreden. Auch Kreons Ziel ist die Erwerbung des goldenen Vlieses. Letztendlich fordert er Medea auf, die wiedergefundene Kiste mit dem goldenen Flies aufzuschließen. Damit erhält aber Medea auch ihre Zaubergeräte wieder, die ihr ihre schreckliche Rache ermöglichen und Kreon macht sich aufgrund seiner Gier mitschuldig.
Kreusa ist die lichteste Gestalt der Tragödie. Ihre Freundschaft mit Medea ist sicher echt und ehrlich. Schnell gewinnt sie das Vertrauen von Medeas Kindern, was aber deren Eifersucht herausfordert. Die Kehrseite Kreusas ist ihre Schwäche. Sie läßt sich von den Ereignissen einfach tragen, auch als sie ahnt, daß sie in Unrecht verstrickt wird. Wenn Medea sie auf so furchtbare Weise vernichtet, so gilt die Tat doch mehr Jason.
Wie auch bei Ein Traum ein Leben hat hier ein Unrecht viele weitere zur Folge. Das goldene Flies erweckt bei allen das Verlangen, es zu besitzen und führt schließlich alle ins Verderben. Weiters zeigt sich in diesem Werk, daß die Griechen aufgrund ihrer Unfähigkeit, das Fremde zu verstehen, mitschuldig an Medeas Verzweiflung sind. Die Triologie ist insofern ein Beispiel dafür, wie Nichtverstehen des Anderen, insbesondere des Fremden, direkt umschlägt in Gewalt.
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