Der Mississippi wechselte seinen Lauf immer wieder. Dabei entstand ein riesiges Delta. Vor 800 bis 1000 Jahren wechselte der Mississippi in sein heutiges Bett. Mit aller Macht drängt er jetzt aber wieder nach Westen. Umschwenken würde er voraussichtlich bei Woodville.
Die Folgen wären gravierend. New Orleans, das Wirtschaftszentrum eines gigantischen, 150 km langen Industriereviers bis nach Baton Rouge hinauf, wäre als Schiffsumschlagplatz wertlos. Auch die Süsswasserversorgung der vielen kleinen und grösseren Städte, welche am Mississippi liegen, wäre gefährdet. Die Wirtschaftskraft der gesamten Region steht auf dem Spiel. Die Existenz von hunderttausenden von Menschen wäre bedroht.
New Orleans wurde um 1718 gegründet. Die französischen Siedler suchten sich die höchste Stelle weit und breit aus. Diese lag viereinhalb Meter über dem Meeresspiegel. Schon zu dieser Zeit musste die Stadt mit Deichen gegen die Überflutungen des Mississippi geschützt werden. Die Realität ist, dass Heute schon die Hälfte der Stadt auf Meeresnivau oder bis zu sechs Meter darunter liegt. New Orleans versinkt im Schlamm. Wieso das?
Der Mississippi bringt seit Jahrtausenden täglich eineinviertel Million Tonnen Sedimente, welche er im Delta ablädt. Das Gewicht dieser Ablagerungen drückt die Erdkruste ein. Zusätzlich verdichten die neuen Schichten die darunterliegenden älteren. In der Folge senkt sich die Erdoberfläche jährlich bis zu zweieinhalb Zentimeter ab. Man nennt das Isostatische Absenkung. Bis 1963 glich die Sedimentfracht diesen Verlust aus. Jetzt gelangen jedoch nur noch 60% der Feststoffe zum Delta, das sind täglich rund fünfhunderttausend Tonnen weniger als bisher. Aber nicht eimal diese kommen dem Delta noch zugute. Die Dämme welche den Fluss bis zum Meer begleiten, verhindern, dass der Mississippi über die Ufer tritt und seine Schwemmfracht über das Delta verteilt. Das Wasser strömt so schnell, dass die ganze Fracht über den Kontinentalabhang hinuntergespült wird. Die fehlenden 40% der Sinkstoffe bleiben hinter den vielen Staudämmen im Einzugsgebiet des Mississippi liegen.
Wie vorher gesagt will der Mississippi sein jetziges Bett verlassen. Das versucht man mit einem riesigen Bollwerk zu verhindern. Dort wo der Mississippi ausbrechen will, lag früher eine enge Flussschlinge. Mit dieser etwa 10 km nach Westen greifenden Schlinge hatte der Strom schon vor Jahrhunderten den ursprünglich selbständigen Red River zu seinem Nebenfluss gemacht und den Atchafalaya erreicht. Aus der Schlinge floss ein sehr geringer Teil des Mississippiwassers in den Atchfalaya. 1831 wurde der Fluss durch einen Durchbruch begradigt, und der obere Teil der Schlinge verkümmerte. Der untere aber verband weiterhin den Mississippi mit Red River und Atchafalaya. Das Wasser floss jetzt jedoch in die entgegengesetzte Richtung. Weil im Atchafalaya ineinander verkeilte Baumstämme den Wasserfluss behinderten, hielt sich der Wasserverlust für den Mississippi vorerst in Grenzen. Aber 1839 wurde der Stau abgebaut und der Mississippi verlor immer mehr Wasser. Schliesslich befürchteten Experten ein völliges Umschwenken des Stromes. So kam es um 1950 zum "Old River Control Project". Der Abfluss des Old Rivers gegen Westen wurde geschlossen. Als neue Verbindung zwischen Mississippi und Red River legte man 18 km stromaufwärts einen Kanal mit Sperrwerk an. Dadurch liess sich nun der Abfluss zum Atchafalaya regulieren. Ein zweites Sperrwerk tritt in Aktion, wenn der Mississippi Hochwasser führt. Während des Hochwassers von 1973 wurde das Hauptsperrwerk bedrohlich unterspült. Daher errichtete man ein weiteres Sperrwerk an einem zusätzlich gegrabenen Kanal. Alle diese Dämme und Sperrbauten am Mississippi zusammengerechnet sind länger als die Cinesische Mauer!
Aber auch all die Beton Barrieren werden den drittlängsten Fluss der Erde nicht auf Dauer in seinem jetzigen Bett halten können. Er wird früher oder später umschwenken.
Der Mississippi ist also viel mehr als nur ein Fluss. Er ist die Existenzbasis für viele Menschen in den Südstaaten. Doch das natürliche Gleichgewicht ist bedenklich gestört. Die Eingriffe der Menschen haben den Fluss vor allem im Unterlauf verunstaltet. Der Naturschutz gewinnt zwar heute an Einfluss, aber die Spuren der radikalen Eingriffe der Menschheit während der letzten 150 Jahren werden nicht verschwinden.
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