Emilia Galotti
Die Titelheldin/>
"Edeldenkend, und doch dabei weiblich und jugendlich; ein fein gemischter Charakter..." So beschreibt sie Horst Steinmetz in seinem Buch "Lessing - Ein unpoetischer Dichter". Letzteres darf dabei als Schlüsselbegriff gesehen werden. In der Tat zeigt Emilias Wesen einander widerstreitende Züge: Furcht und Entschlossenheit, Fassungslosigkeit und Angst, Sinnlichkeit und die furcht der Versuchung nicht wiederstehen zu können. Ihre Erziehung und ihre Bindung zur Kirche spielen hierbei eine wichtige Rolle.
Streng gläubig und sehr fromm, geht sie regelmäßig zur Kirche. Zu ihren Eltern hat sie ein gutes Verhältnis und scheint sich auf die anstehende Hochzeit mit dem Grafen Appiani zu freuen. Doch spürt man eine gewisse Kühle zwischen den beiden.
Den Prinzen kann sie nicht leiden. Er macht ihr mit seinen Liebesbekundungen Angst, sie fürchtet, dass Sie etwas gotteslästerliches tun könnte, wenn sie seinen Worten weiter lauscht.
Auf Männer hat sie durch ihre Schönheit eine besondere Wirkung. Der Maler Conti bezeichnet sie als einen Engel und sagt: "Eine von den größten Glückseligkeiten meines Lebens ist es, dass Emilia Galotti mir gesessen."
3.2 Odoardo Galotti
Emilias Vater
Ein Mann "der rauen Tugend" (Emilia Galotti, 2. Akt, Szene 5) misstrauisch, besonders gegenüber dem Adligen und dem Hofleben, freut er sich dennoch, dass eine Tochter einen Grafen heiraten wird. Mit dem Prinzen gibt es wohl ständig Differenzen. Als Odoardo erfährt, dass sich dieser seiner Tochter in der Messe näherte, reagiert er sehr aufgebracht. Zuletzt schafft es die Gräfin Orsina fast sein Blut so stark in Wallung zu bringen, dass er den Prinzen erdolcht. Doch er kann sich beherrschen und wird zuletzt zum Mörder seiner eigenen Tochter.
Man könnte auch sagen, dass er das eigentliche Opfer des Stückes ist, da er diese schreckliche Bitte seine Tochter erfüllen musste.
3.3 Claudia Galotti
Emilias Mutter
Mit Odoardo verheiratet zu sein ist für Emilias Mutter gewiss nicht leicht. Um sich einen gewissen Freiraum zu erhalten hält sie sich des öfteren mit ihrer Meinung zurück. Gerade um diesen Freiraum zu vergrößern hat sie wohl auch bewirkt, dass Emilias in der Stadt aufwächst.
Sie ist von der Vorstellung, dass ihre Tochter durch die Hochzeit eine Gräfin wird geradezu bezaubert. Dies zeigt wie unterschiedlich sie doch in ihrem Wesen zu dem von Odoardo ist. Doch gleichzeitig wirkt ihre Vertrauensseligkeit ausgleichend aus Odoardos misstrauische Art.
3.4 Hettore Gonzaga
Der Prinz von Guastalla
Die Figur des Prinzen dürfte durchaus den Erfahrungen Lessings mit Adligen entsprechen. Im Schatten des Sonnenkönigs Louis XIV (1643-1715) entwickelten die Adligen eine regelrechte Prunksucht.
Der Prinz ist egoistisch, voll von Genusssucht und kann den Gedanken nicht ertragen, dass Emilia den Grafen Appiani heiraten wird. So versucht er mit Hilfe seines Marchese die Hochzeit zu verhindern, koste es was es wolle. Man merkt ihm in seinem Umgang mit der verlassenen Gräfin Orsina seine Gefühlskälte gegenüber anderen Menschen an. Er schickt sie einfach weg, will nicht einmal mit ihr sprechen oder ihren Brief lesen.
3.5 Marinelli
Der Diener des Prinzen
Der Marchese kennt nur eine Sorge: vom Prinzen nicht mehr gebraucht und somit verstoßen zu werden. Um dies zu verhindern tut er alles um den Prinzen "bei Laune" zu halten, vielleicht sogar dessen Freundschaft zu erringen. Auf der anderen Seite wird er dafür von den Bürgern verachtet. Seine Neigung plump zu lügen verleihen ihm den Anschein einer minderen Intelligenz.
Die Intrigen für den Prinzen zu spinnen ist seine Berufung. Mit Begeisterung versucht er die Wünsche des Prinzen umzusetzen, doch als Intrigant erweist er sich als weitgehend unfähig. Marinelli erweist sich auch als scharfer Beobachter, z.B. als er sich mit der Gräfin Orsina im Lustschloss des Prinzen unterhält bemerkt er sofort ihren Schmerz.
3.6 Graf Appiani
Emilias Verlobter
Appiani ist der ideale Schwiegersohn - für Emilias Vater. Der Graf hält sich vom Hofe fern und will für sich allein in der Einsamkeit der väterlichen Täler leben. Höflinge und Bedienstete braucht er nicht, die Verachtung die ihm der Adel nach seiner Hochzeit mit einer Bürgerlichen entgegenbringen wird ist ihm egal. Es kommt ein romantischer Zug in ihm zum Vorschein, als er Emilia unfrisiert und im einfachen Gewand zum Altar führen will (Emilia Galotti, 2.Akt, Szene 7,8). Doch zeigt er auch ein hitziges Gemüht, da er am Tage seiner Hochzeit zu einem Duell bereit ist.
3.7 Gräfin Orsina
Die, vom Prinzen fallengelassene, Mätresse
Für die vom Prinzen verlassene Mätresse ist das Ende ihrer Liebesbeziehung voller Qualen, denn sie liebt Hettore Gonzaga leidenschaftlich. Mit ihrem scharfen Verstand und Wortgewandtheit ist sie das Gegenteil zu der jungen unschuldigen Emilia. Durch die Zurückweisung des Prinzen gerät sie in Zorn und ihre Liebe weicht dem Rachedurst. Da kommt ihr Odoardo gerade recht, den sie als Werkzeug ihrer Rache benutzen will. Sie erzählt ihm von den Vorhaben des Prinzen und Sie drängt ihm den mitgebrachten Dolch auf. Sie will seine Wut schüren, sodass er den Prinzen für sie erdolcht. (Emilia Galotti, 4.Akt, Szene 7)
3.8 Angelo
Der Attentäter
Ein steckbrieflich gesuchter Mörder, welcher sich von den höchsten Kreisen als Attentäter mieten lässt. (Emilia Galotti, Akt 2, Szene 3) Trotz seiner kriminellen Art scheint er doch so etwas wie Ganovenehre zu besitzen. So weist er den Gedanken den Kameraden um seinen Anteil an der Beute zu betrügen weit von sich. Dass er Pirro allerdings droht, falls dieser seine Pläne vereiteln will scheint mit dieser Ehre nicht zu kollidieren. Der vogelfreie "Geschäftsmann" ist mutig und skrupellos.
3.9 Pirro
Ein Bediensteter der Galottis
Der Diener Galottis ist wohl in eine kriminelle Sache mit Angelo verwickelt. Er half bei einem früheren Verbrechen mit, wahrscheinlich ein Überfall, doch will er nun am liebsten mit Angelo nichts mehr zu tun haben. Doch den Geldbeutel von Angelo lehnt er nicht ab. Dass er nun miterleben soll wie ein Überfall auf seinen Herrn Odoardo geschehen soll, behagt ihm nicht. Doch Angelo ertickt seinen Protest im Keime und Pirro bleibt nur die Erkenntnis: " Ich Unglücklicher" (Emilia Galotti, Akt 2, Szene 4) Lessing erschuf hier einen schwachen Charakter, welcher durch seine Schwächen tief in kriminelle Machenschaften verstrickt zu sein scheint.
4. Personenkonstellation
Vergleiche mit Schillers \"Kabale und Liebe"
"Emilia Galotti" und "Kabale und Liebe" sind beide bürgerliche Trauerspiele. Es gibt Ähnlichkeiten, doch auch Unterschiede.
Beides findet man sogleich im Titel der Stücke. "Kabale und Liebe" trug ursprünglich den Namen "Luise Millerin", wurde demnach wie "Emilia Galotti" nach der weiblichen Hauptperson benannt. Doch Schiller änderte den Namen auf Vorschlag des Schauspielers Iffland in "Kabale und Liebe".
Schiller wurde zwar von "Emilia Galotti" inspiriert doch ist sein Stück keinesfalls eine Kopie. Schiller schrieb das Stück um seinen Unmut gegenüber der Kluft zwischen Adel und Bürgertum zu zeigen. Eine Neigung zu Lotte von Wolzogen spielte hierbei für ihn auch eine schmerzliche Rolle.
Lessing griff ein bereits vorhandenen Motiv auf und formte es in seinem Stück um, sodass es im 18. Jahrhundert an einem Fürstenhof spielt.
6.1 Luise Millerin und Emilia Galotti
Beim Lesen der beiden Werke fällt der ähnliche Charakter der beiden Hauptpersonen auf. Beide Charaktere kann man als "fein gemischt" beschreiben, da beide mehrere Wesenszüge vereinigen (siehe 3.1 Die Dramatischen Figuren - Emilia Galotti).
Beide sind sehr fromm und gehen regelmäßig zur Kirche. Emilia sowie Luise kehren von der Messe nach Hause zurück und erzählen einem Elternteil, dass sie sich bei diesem Kirchenbesuch nicht auf das Gebet konzentrieren konnten. Emilia weil der Prinz sich hinter sie kniete und ihr Liebesbeteuerungen ins Ohr flüsterte, Luise weil Sie ständig an Ferdinand denken musste. "Der Himmel und Ferdinand reisen an meiner blutenden Seele" (Kabale und Liebe, 1.Akt, 3.Szene)
Doch gibt es auch einen Unterschiede, der Auffälligste ist wohl: Sie gehen sehr unterschiedlich mit ihren Verlobten/Geliebten um. Während Luise von ihrem Ferdinand schwärmt und von "Feuerbrand in ihrem jungen friedsamen Herzen" (frei nach: "Kabale und Liebe", 1.Akt, 4.Szene) spricht, nennt Emilia den Grafen Appiani nur "mein guter Appiani" (Emilia Galotti, 2.Akt, 7.Szene).
6.2 Kunst und Lob
Der Gedanke von Luise "Wenn wir ihn über dem Gemälde vernachlässigen, findet sich ja der Künstler am meisten gelobt" (Kabale und Liebe, 1.Akt, Szene 3)findet sich auch in "Emilia Galotti" wieder, als der Prinz von Guastalla hingerissen von Emilias Portrait sprach: "Oh, sie wissen es ja wohl, Conti, dass man den Künstler dann erst recht lobt, wenn man über sein Werk sein Lob vergisst." (Emilia Galotti, 1.Akt, Szene 4)
6.3 Die Väter
Beide Väter, Odoardo Galotti wie auch der Musikus Miller, werden von ihren Töchtern
in Anspruch genommen. Auch haben beide Konflikte mit der Obrigkeit. Odoardo kann den Prinzen nicht leiden, da er denkt, dass das Leben am Hofe ohne jede Moral sei. So bemerkt der Prinz: "Er ist mein Freund nicht. Er war es der sich meinen Ansprüchen auf Sabionetta am meisten widersetzte." (Emilia Galotti, 1.Akt, Szene 4)
Auch Miller kann den Präsidenten nicht leiden und er riskiert in das Zuchthaus zu kommen als er ausruft: ". den ungehobelten Gast werf ich zur Tür hinaus!" (Kabale und Liebe, 2.Akt, 6.Szene) und damit den Präsidenten beleidigt. Dieser hatte zuvor Luise beleidigt.
6.4 Wurm und Marinelli
Wurm und Marinelli gleichen sich in ihrer Art unterwürfig zu ihnen höher gestellten Personen zu sein. Marinelli lebt im Schatten des Prinzen, er lebt nur um Hettore zu dienen. Wurm verhält sich dem Präsidenten gegenüber ganz ähnlich. Kriecherisch bringt er sein Anliegen vor.
Beide werden am Ende des jeweiligen Stückes von ihren "Herren" verraten. Der Präsident wusste von der Intrige gegen Luise und Ferdinand, doch will er den Anschein erwecken, dass diese allein Wurms Plan war. "Verfluchter, von dir! Von dir Satan! - Du, du gabst den Schlangerat - Über dich die Verantwortung - Ich wasche die Hände." (Kabale und Liebe, 5.Akt, letzte Szene)
So ergeht es auch Marinelli, den auch ihm wird am Ende alle Schuld zugewiesen und er wird vom Prinzen verbannt.
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