Kinder- und Jugendliteratur, ob es sich um Autobiographien, um Erzählungen mit autobiographischem Hintergrund oder um fiktionale Bücher handelt - stets geht und ging es den Autoren dieser Literatur um das Wachhalten der Erinnerung, stets hat diese Art von Literatur ein aufklärerisches und pädagogisches Interesse. Von diesem spezifischem Interesse her erklärt sich die ausgeprägte Problemdichte der Bücher, erklärt sich auch das Bemühen der Autoren, in die spannenden Erzählungen vielfältige Informationen über politische und soziale Gegebenheiten und Zusammenhänge einzubetten und haben zudem den Anspruch einen Beitrag zur politischen Bildung zu leisten.
Dieses Selbstverständnis und der hohe Selbstanspruch dieser Autoren haben verständlicherweise spezifische Erwartungen und Forderungen an diese Art von Literatur ausgeprägt.
Ernst Cloer hat in seinem Buch "Das Dritte Reich im Jugendbuch", in dem er Jugendbücher auf dieses Thema hin analysiert ein Beurteilungsraster für diese Art der Literatur aufgestellt:
1. Inhalt
2. Historischer Hintergrund
3. Faschismusverständnis
4. Literarische Gestaltung
5. Verknüpfung von Individual- und Gesellschaftsgeschichte
6. Entwicklung der Hauptfigur
7. Adressaten
8. Kritische Würdigung
9. Das Buch im Urteil des Lesers
Bei der Beurteilung von Kinder- und Jugendliteratur zum Komplex Nationalsozialismus fallen besonders auch zwei Dinge ins Auge. Alle Darstellungen des Dritten Reiches gehen davon aus, daß Kinder und Jugendliche sich nur mit Kindern und Jugendlichen identifizieren können. Deshalb wird die Geschichte des Dritten Reiches immer als Kindheitsgeschichte und aus der Perspektive von Kindern dargestellt. Diese Verengung auf die Kinderperspektive scheint selbst keine literarische, sondern eine historische Begründung zu haben - nämlich in der Lebensgeschichte der Autoren. Auch aus diesem Grund scheint diese Form der Perspektive problematisch, denn aus der Kinderperspektive werden alle zu Opfern.
Besonders auffällig erweist sich dieser Literaturkomplex auch für Schwarz-Weiß-Klischees: die Nazi-Bösewichter auf der einen und die Verfolgten auf der anderen Seite. Insbesondre in die Darstellung von Juden schleicht sich, auch aus psychologisch verständlichen Gründen, leicht ein Zug von Idealisierung, Überzeichnung und Weiß-Malerei ein. Möglicherweise besteht bei den Autoren eine Angst, daß eine differenzierte Darstellung von Juden, also inklusive von Schwächen als Antisemitismus ausgelegt werden könnte. Juden objektiv als "normale Menschen" darzustellen, fällt den Autoren dieses Literaturkomplexes in den meisten Fällen schwer.
|