Der Begriff "Tausendkristall" spaltet die Interpreten von "Engführung" in nahezu gegensätzliche Lager. Buck versteht ihn als "explodierende[n] Neologismus" für eine Atombombenexplosion; für Leutner symbolisiert er die "heilsame Wiederherstellung der Welt" . Allein das Wort "Kristall" erfährt widersprüchliche Deutungen von verschiedenen Interpreten. P.H. Neumann betrachtet das Motiv des "Kristalls" im Zusammenhang mit den Begriffen "Schnee" und "Eis" als Chiffre der Sprachlosigkeit und des Schweigens. G. Kaiser schreibt zum Gedicht "Weggebeizt" (GWII, 31), in dem ein "Weg durch den menschen-/gestaltigen Schnee, den Büßerschnee, zu / den gastlichen Gletscherstuben und -tischen" benannt wird, der letztlich zum "Atemkristall" führt:
"Der Weg, den diese Sprache auswirbelt, führt noch nicht einmal ins ewige Eis der Gletscher, er führt in die tote Abstraktion der Fachsprache der Glazialwissenschaft, [...]. Der Mensch ist nur noch als gefrorene Erinnerung in dieser menschenleeren Sphäre anwesend, als menschengestaltiger Büßerschnee. [...] Auch die Sprache, die hierher reicht, gefriert zum ,Atemkristall', einem ,unumstößlichen Zeugnis', das zum Antipoden des wortverwandten Zeugens geworden ist."
Im Gegensatz dazu sehen H.G. Gadamer und C. Jamme diesen "Weg" als einen "Weg der Reinigung des Wortes" , der allerdings "auf Kosten der lebendigen Sprache" zurückgelegt wird. Die Genauigkeit der neuen Sprache "resultiert aus einer Erstarrung der lebendigen Formen", weshalb es sich um eine bestimmte "Art von Sprachlosigkeit, von Schweigen" handelt. Jamme sieht deshalb die Doppeldeutigkeit der Sprache im Wort "Kristall" aufbewahrt: "Sprache einmal als ,versteinertes' Gespräch, als Unwahres, zum andern als neue, wahre Sprache: Schweigen." Auch Menninghaus erkennt eine "selbstpräsente[] Objektivität" der Sprache, die "von den Gletschern [kommt]" (GWIII, 170). Er deutet das als positives "Für-sich-sein der ,Sprache' jenseits der semiologischen Differenz von Signifikant und Signifikat" . Ein solches Verständnis des "Kristalls" und damit auch des "Tausendkristall[s]" in "Engführung" stützt die Interpretation Leutners im selben Maß, wie sie die Deutung Bucks schwächt.
|