Biographie E.T.A Hoffmanns:
Zitat: Ja wohl
ist das Entsetzliche,
was sich in der alltäglichen Welt begibt,
eigentlich dasjenige,
was die Brust mit unverwindlichen Qualen
foltert, zerreißt.
Ja wohl
gebärt die Grausamkeit der Menschen,
das Elend, was große und kleine Tyrannen
schonungslos
mit dem teuflischen Hohn der Hölle schaffen,
die echten Gespenstergeschichten.
- geboren am 24.01.1776 als Ernst Theodor Wilhelm (Amadeus wegen Mozart)
- drittes Kind des Hofgerichtsadvokaten(Anwalt) Christoph Ludwig
- zerüttetes Familienverhältnis (Vater Alkoholiker, Mutter hysterisch
- 1778: Scheidung der Eltern - H. zieht mit Mutter zur Großmutter
- strenge Erziehung vom Onkel (Musik + Kunst)
- 1782: Besuch des Gymnasiums in Königsberg
- 1792-1795: Jurastudium in Königsberg
- 1800-1805: Assessor in Posen
- 1805: nach Berlin, widmet sich der Kunst, Literatur + Musik
(Schriftsteller, Hofkapellmeister, Komponist, Zeichner)
- ab 1814: Kammergericht in Berlin
- trifft: Carl Maria Weber, Tieck, Chamisso, Jean Paul
- 1816: Uraufführung seiner Oper "Unidine"
Veröffentlichung der Nachtstücke Teil 1
(Der Sandmann 1815, Ignaz Denner 1814, die Jesuitenkirchen
in G. , Der Sanctus)
- Interesse an Psychologie, Spiritismus, Somnambulismus (=Schlafwandeln) und anderen Naturwissenschaften →er war hysterisch →Abreagieren durch das Schreiben vor allem nachts
- Interesse an der "Nachtseite" des Menschen
→ Zuwendung zur Schwarzen Romantik
"Menschen im Einflussbereich dunkler Mächte"
- stirbt am 25.06.1822 an Syphilis
Der Sandmann (Novelle) entstand am 16.11.1815 um 1 Uhr nachts →"Nachtstück"
Handelt von dem Widerspruch zw. Realer und phantastischer Welt +Wiederherstellung der Normalität →Kritik an der Industrialisierung
Figuren:
Nathanael: hebr. Gottesgeschenk (Prophet, Gesandter)
Hauptfigur der Novelle, zerissen von Unsicherheit, steht zwischen der
Dunklen Welt von Coppelius und der klaren Welt von Clara, setzt sich
Mit Coppolas und Spalanzanis Geschöpf Olimpia auseinander, verliebt
Sich in sie, stürzt erneut in ein seelisches Tief als er erkennt das sie ein
Automat ist, begeht zum Schluss Selbstmord
Clara: lat. Die Berühmte, Helferin der Gebärenden (will N. helfen)
Verlobte von N., sieht das klare und wahre, einfühlsam mit scharfem
Verstand, optimistisch und logisches Denken
Lothar: althochdeutsch = Herr/Volk (leitet N um auf richtigen Weg zu kommen)
Bruder von Clara, Freund (fast wie ein Bruder) von N.
Coppelius/Coppola: Name aus dem Lateinischen coppa =Augenhöhle, Alchemist
Bzw Wetterglashändler mit Fixierung auf Augen, Albtraum von
Nathanael, Advokat seines Vaters
Spalanzani: Anspeilung auf ital Naturforscher Lazzaro Spallanzani
Professor der Physik, Erschaffer von Olimpia
Olimpia: Tochter des Olymps (göttliches)
Roboter von Spalanzani, wird als seine Tochter betrachtet, wirkt durch ihre
Präzision sehr künstlich, das Perspektiv verleiht ihr einen Schein von Leben
Verkörpert das Puppenmotiv (typisch für Romantik)
Handlung:
-Beginn: 1.Brief von Nathanael an Lothar (verschickt aus versehen an Clara)
- erzählt von Begegnung mit Coppola (Wetterglashändler), der ihn besucht
hat und ihm ein Perspektiv verkauft hat
- erzählt von Kindheitserfahrung mit Coppelius und der Ähnlichkeit mit Coppola
- Rückblick auf Kindheit: alle saßen beim Abendessen→Familienidylle
- bei Erwähnung des Sandmanns erklärt die Mutter das er nicht existiert und das dies nur ein Zeichen dafür ist das die Kinder müde sind.
- die Kinderfrau erzählt ihnen, dass der Sandmann es auf Kinderaugen abgesehen hat und er den Kindern Sand in die Augen streut, sodass diese blutig herausspringen und füttert sie seinen eigenen Kindern
- N. will den Sandmann den er immer kommen hört unbedingt sehen und versteckt sich im Arbeitszimmer des Vaters hinterm Vorhang
- Als er den Sandmann als den Advokaten Coppelius entlarvt, der mit seinem Vater Alchemie praktiziert, erschrickt er und wird von Coppelius entdeckt, bricht dieser ihm die Arme und droht ihm seine Augen zu nehmen
- N. wird ohnmächtig und lange zeit krank →Albtraum beginnt
- Ein Jahr später taucht C. wieder auf und der Vater wird bei einem Experiment getötet. N hält Coppelius für schuldig.C. flieht
- 2.Brief: Clara an Nathanael
- Cl will N beruhigen und meint er habe Realität (Coppelius/Coppola) und Fantasie (Sandmann) miteinander vermischt
- Der Tod seines Vaters war nur ein Unfall →sie versucht die Explosion auf natürliche Ursachen zurückzuführen (Informationen bei Apotheker)
- N soll sich gegen die dunklen Mächten wehren und heiter sein
-
- 3.Brief: Nathanael an Lothar
- N gibt zu das Coppelius und Coppola nicht die selben Personen sind
- Er erzählt von seinem Professor an der Uni , namens Spalanzani und dass er diesen nicht besonders sympathisch findet da er seine Tochter angeblich einsperrt, weil diese verhaltensgestört ist
- N betont nochmals das er Cl Hinweise ernst nimmt und dass er versucht sich gegen die dunklen Mächte zu wehren→alles deutet auf gutes Ende hin!
- Bericht des Erzählers über Nathanael:
- erzählt das er mit N befreundet ist und dass er seht gefesselt ist von der Geschichte
- er hat von ihm alles über Briefe erfahren
Verhalten von Nathanael: (Zuhause)
- N ist von den dunklen Mächten so besessen, dass er von nichts anderem mehr spricht
- Sie findet seine Erzählungen langweilig
- Er hält Cl für einen "verdammten leblosen Automat" →sie versteht ihn nicht
- Sie wollen bald heiraten, N befürchtet das Coppelius bei der Trauung auftaucht und etwas Schreckliches passieren wird
- Die Geschichte schreibt er auf und liest sie Cl vor, die sie verbrennen will
- N beschimpft sie direkt als Automaten
- Lothar fordert ihn zum Duell heraus, weil er Cl unglücklich macht
- Cl kommt dazwischen und verhindert den Kampf→ N entschuldigt sich
- Verbringen ein paar schöne Tage zusammen wie früher
- N ist depressiv und denkt immer an Coppola
- Zurück in der Unistadt:
- Seine Wohnung ist abgebrannt und er muss umziehen (gegenüber von Sp)
- Kann in Olimpias Zimmer sehen
- Kauft Coppola ein Fernglas ab um sie besser sehen zu können
- Sie sitzt immer in der selben Position und hat starren Blick, tote Augen
- Umso öfter er sie ansieht desto schöner und lebendiger wird sie
- Sein Verlangen steigert sich sie zu sehen→ vergisst alles um sich herum
- Sp veranstaltet ein Fest wo auch Ol da ist
- Sie ist eiskalt und bewegt sich starr und steif, ausser N will niemand mit ihr tanzen, sie lachen werden ausgelacht
- Sp triumphiert, da N Olimpia(den Roboter) für richtigen Menschen hält
- N beginnt sich in Ol zu verlieben, sie beherrscht sein Leben
- Seine Freunde wissen das sie nur ein Automat ist, wollen ihn aber nicht sagen
- Er glaubt das sie ihn als einzigster versteht→ Verlobung
- Er schenkt ihr Cls Verlobungsring →Gleichgültigkeit Lothars und Claras
Höhepunkt:
- N merkt das Coppelius und Coppola doch die selbe Person ist
- N bekommt Streit zw C und Sp mit bei dem es um ihr Werk Ol geht
- Jahrelange Arbeit der beiden um einen perfekten Automaten zu schaffen
- C schleppt sie weg
- Sp wirft N Olimpias Augen (realistisch sehend) an die Brust und sieht wieder das reale→ er dreht durch und muss ins Tollhaus
- N kommt wieder nach Hause und scheint geheilt→ Happy End?
- Ausflug auf einen Turm, beim Ausblick meint N Coppelius hinter einem Busch zu erkennen, er dreht durch und versucht Cl hinunter zu stoßen
- Lothar rettet sie →→ N springt selbst vom Turm!!
Aufbau und Funktion:
- Erzählebenen:
- Äußere Ebene: Brief des N an Lothar
- Innere Ebene: Kindheit des N
- Funktion: Leser wird in die Handlung mit eingebunden→ realer
- Bericht des Erzählers:
- Handlung wirkt dramatischer →Leser wird gefragt ob er ähnliches erlebte wie N→ Leser soll sich mit N identifizieren
- Nach der klassischen Dramaform:
1. Exposition: Vorgeschichte in 3 Briefen, Bericht des Erzählers, Einführung der Protagonisten
2. Zuspitzung des Konflikts: Entfremdung zw N und Cl, Kampf zw Lo und N
3. Krise: N wird manipuliert, verliebt sich in Olimpia, N erkennt O als Automaten
4. Scheinlösung: Heilung von N im Tollhaus
5. Katastrophe: Versuch Cl vom Turm zu stürzen, anschließender Selbstmord
Interpretation:
Schlüsselszene als Kritik an der Industrialisierung bzw. Mechanisierung:
- Schlüsselszene: Kindheitserfahrung mit "Sandmann" →Trauma Ns →zerstörerische Entwicklung Ns
- "Das Treiben der Älteren erklärt das Getriebensein der Jüngeren"
- Alchemisten versuchten totes (Metalle.) zum Leben zu erwecken → zeigt die Furchtlosigkeit gegenüber Gott→ Gotteslästerlich
- Werke der Alchemisten sind Teufelswerke wegen
- → Vergötzung des mechanischen Prinzips
- →Verblendung ("Geld macht frei")
Kindheitstrauma und seine Folgen:
- verletztes Bewusstsein Ns führt zum Trauma
- mechanische Manipulation (Fernglas, Olimpia.)
- Realitätsverlust Ns → phantastische Welt
Augenmotiv als Schlüsselmotiv:
- Jeder entwickelt sich nach Eindrücken und Erfahrungen auf seinem Lebensweg → durch Augen
- Sinnliche Wahrnehmung mit Augen → Tor zur Welt
- Realisten glauben nur was sie sehen → Schlüsselrolle Augen
- N ist ein Phantast →lebt in einer eigenen Welt
- Sehen ist Grundbedingung menschlichen Lebens
- Augen sind Spiegel der Seele (inneren, geistigen Vorgänge im Menschen → für andere nicht sichtbar)
- Fernglas (=symb. Für gestörtes Bewusstsein) ist mechanische Manipulation → erweckt Olimpia zum Leben
- N wird manipuliert→ verfällt vorgetäuschter Wirklichkeit
- Traumatische Kindheitserfahrung wiederholt sich →Streit zw Spalanzani und Coppola um Olimpia
- N erkennt das Olimpia keine Augen mehr hat und dreht durch (Realitätsschock)
- N ist Opfer einer Maschine geworden →Liebe mündet in Wahnsinn
- Wegen dem Fernglas will er Clara vom Turm stürzen da er glaubt Coppelius gesehen zu haben und in Clara Olimpia
- Hoffmann kritisiert Mechanisches Weltbild ( Tod des Vaters bei Experiment → Kritik an Industrialisierung und vaterlose Gesellschaft) Bezug auf eigenes Leben (ohne Vater aufgewachsen)
Bedeutung von Coppelius/Coppola:
- Verantwortlich für die Besessenheit Ns
- Entzog dem Sohn den Vater
- Verführte Vater zur Alchemie (=Teufelswerk)
- Traumatisierte N
- Coppelius = drohende Gefahr menschl. Selbstzerstörung
=Dämon der Verblendung
= Versucht in Konkurrenz mit Gott zu treten →Schaffung eines
Menschen/Maschine
Traum oder Wirklichkeit?
- Hoffmann benutzt diese Element sehr häufig in seinen Werken
- Es ist nicht klar ob der Sachverhalt nur geträumt oder Wirklichkeit ist
- Bericht des Ich-Erzählers verstärkt den Eindruck der Realität noch
- Jedoch nicht real, da kein außenstehender einen solchen genauen Eindruck von den inneren und geistigen Vorgängen eines Menschens bekommen kann
- Verschmelzung von Gegensätzen wie Traum und Wirklichkeit, Vernunft und Wahnsinn, Belebtes und Unbelebtes sind Eigenschaften der Romantik
Historischer Sinn und aktuelle Bedeutung:
- Kritik der Entfremdung und Kritik an der Zeit (der Mensch als Maschine)
- Gegen Industrialisierung wie alle Romantiker → seelenlose, leblose Welt
- Totes Produkt verdrängt lebendigen Menschen
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