Der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt war es nicht gelungen, die in der
Märzrevolution von 1848 gewonnene Freiheit politisch zu verteidigen. Allgemeine Wahlen,
Volksvertretung und Meinungsfreiheiten blieben weiter politischer Traum.
Mit dem Beginn des Deutsch-Französichen Krieges (1870/1871), der Gründung des zweiten
Deutschen Reiches (1871) und während des wirtschaftlichen Aufschwungs in den
Gründerjahren (1871-73) stiegen die Hoffnungen der Patrioten. Unter der Regierung von
Bismarck erhoffte man sich ein besseres Leben im deutschen Reich. Als er 1890 von Kaiser
Wilhelm II. abgelöst wurde, sah sich das Volk betrogen.
Die Erfindung der Dampfmaschine (1778) und des mechanischen Webstuhls (1822) führten
zur ersten industriellen Revolution, die Deutschland zu einem Industriestaat machte.
Kapitalismus, Ausbeutung der Arbeiter durch die bürgerliche Grossindustrie und
Verstädterung waren Folgen der Revolution. Trotz der von Bismarck 1883 bis 1889
eingeführten Gesetze zur Kranken-, Unfall-, Invaliden- und Altersversicherung verarmte die
Arbeiterschaft immer mehr. Das Bürgertum hingegen lebte in wirtschaftlichem Wohlstand.
Zu den Weltanschauungen dieser Zeit gehörten neben den Reichsgedanken der Positivismus
von Auguste Comte und die Abstammungslehre von Charles Darwin, die er wie folgt
begründete:
\"Jeder Mensch sei bestimmt durch Abstammung, Geschichte und Umwelt und
sei darum sittlich nicht voll verantwortlich.\"
Romane und Novellen waren das eigentliche Gebiet der realistischen Dichtung. Ein
Grundthema der Literatur waren die Beziehungen des Einzelmenschen zur Gemeinschaft und
Umwelt. Die deutschen Realisten drangen im Gegensatz zu den französischen und russischen
nicht auf politische Lösungen der sozialen Fragen.
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