In ihrer strengen Form besitzt die Fabel einen dreigliedrigen Aufbau, der von der Antike bis zur Moderne im Prinzip beibehalten wird:
Da die Fabel einen konkreten Wirklichkeitsbezug hat und diese Wirklichkeit ins "Fabelhafte\" übertragen wird, muss zum Verständnis der Fabel zwischen einem belehrendem Teil - "Die Moral der Geschichte" und einem erzählendem Teil unterschieden werden.
Während uns der belehrende Teil mit der Fabel selbst vorgegeben wird, sind wir bezüglich des erzählenden Teils auf die Entschlüsselung der in der Fabel zugrunde liegenden Begebenheit angewiesen. Der ursprüngliche "Sitz im Leben\" einer Fabel (das ist die konkrete ursprüngliche Situation, in der die Fabel entstanden ist) ist nur in den wenigsten Fällen bekannt, weil er nicht überliefert wurde.
Der belehrende Teil kann als Promythion (Vorwort) oder Epimythion (Nachwort), d. h. durch einen Merk- oder Lehrsatz vor- oder nachgestellt hat, ersetzt werden. Dieses Pro- oder Epimythion, d. h. der mit "Lehre\", "Moral\", "Merke\" oder ähnlich eingeleitete Spruch, kann helfen, die Aussageabsicht der Fabel leichter zu erschließen.
Allerdings nimmt sie dem Leser aber einen wesentlichen Reiz der Fabel: nämlich den der eigenen Überlegung und Erschließung des Gehalts und der Intention.
Ein Pro- oder Epimythion ist also eher überflüssig, da eine Fabel so beschaffen sein muss, dass der Leser die enthaltene Lehre mühelos entdecken und auf seine Realität beziehen kann.
Der erzählende Teil besteht aus:
1. Exposition mit Angabe der Hauptfiguren, des Ortes und der Ausgangssituation
2. Konflikt dargestellt in
Rede und Gegenrede
oder Handlung und Gegenhandlung
3. Ergebnis
Dieses einfach überschaubare und rhetorisch geschickte Bauschema muss in engem Zusammenhang mit der didaktischen Absicht der Fabel gesehen werden.
Dem Hörer oder Leser wird zunächst in der Ausgangssituation die zum Fabelverständnis notwendige Information gegeben. Die Exposition stellt die Handelnden kurz vor. Die Konfliktsituation ergibt sich in der Regel aus der Antithetik, die durch die Gegenüberstellung zweier konträrer Verhaltensweisen (stark-schwach, dumm-schlau, arm-reich, Schuld-Unschuld...) hervorgerufen wird. Die Handlung, in der der Konflikt verwirklicht wird, ist dabei so gestaltet, dass eine Verhaltensweise als die unterlegene erkennbar wird.
In Rede und Gegenrede, Handlung und Gegenhandlung läuft ein dramatisches Geschehen ab, das sich auf einen Höhepunkt zuspitzt und in einem überraschenden Moment, einer Pointe, gipfelt.
Am Ende der Fabel wird das Ergebnis berichtet.
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