Fontane hat sehr geschickt diverse Aspekte des Adels in seinen Roman eingefügt:
a. Der gesellschaftliche Erwartungsdruck
Man kann im Laufe des Romans sehr klar erkennen, daß die verschiedenen Charaktere nicht immer aus freiem Willen handeln. Bewußt oder unbewußt werden sie von etwas beeinflußt, was man "gesellschaftlichen Erwartungsdruck", oder "Prinzip", oder auch "Über-Ich" nennen könnte. Nicht nur das Duell und seine Folgen zeigen wie stark dieser Zwang der gesellschaftlichen Normen sein mußte, schon die Ehe von Effis Eltern oder auch Effis Isolation geben dem Leser einen Eindruck des immensen Drucks, der zur damaligen Zeit herrschte.
b. Der Adel als Machtstütze
Ein anderer Aspekt des Adels der im Laufe des Romans erscheint, ist seine Rolle als Machtstütze. In der damaligen Gesellschaft ist der Adel, symbolisiert durch "Fürst Bismarck" und "Kaiser Wilhelm" ein Garant für politische Kontinuität. Diese Gesellschaftsklasse soll mit Hilfe von Traditionen, Regeln und Normen dem Reich Stabilität gewährleisten. Eine dieser Traditionen ist zum Beispiel die Standesehe deren Wichtigkeit im Roman später noch ausführlicher behandelt wird. Wer also damals die privilegierte Machtstellung des Adels genießen wollte, mußte sich den vorhin beschriebenen "Prinzipien" fügen, um als "Machtstütze" der Gesellschaft zu dienen. Baron von Innstetten ist ein sehr gutes Beispiel dafür, um seine Karriere voran zu treiben, vernachlässigt er seine Frau und damit sein Eheglück.
c. Gesellschaft heißt Exklusivität
Die Angehörigkeit zum Adel, brachte paradoxerweise auch eine gewisse Isolation mit sich. Denn Adel hieß Exklusivität, man war was besonderes und mußte dies auch zeigen. Doch wozu? Ganz einfach um das Machtverhältnis klarzustellen: wer adelig war hatte Macht und mußte sich somit dem starren Reglement unterwerfen um sich von der Masse zu unterscheiden. Effis Ausschluß aus der Gesellschaft ist ein Beispiel für den Erhalt der Exklusivität. Ihre Eltern dürfen keinen Kontakt mit ihr haben, da sie sonst gegen die Regeln des Adels verstoßen würden. Doch zum Glück tun sie dies letztendlich.
d. Die drei Adelsgesichter
Die Welt des Adels erscheint in Fontanes Roman vor allem in drei Gesichtern.
. Der Landadel:
Er wird von Effis Vater repräsentiert. Er basiert auf Familientradition und Grundbesitz. Außerdem besitzt er eine gewisse Unabhängigkeit (vgl. Dialog zwischen Briest und Innstteten vor der Hochzeit).
. Der Offiziersadel:
Im Gegensatz zum Landadel basiert er auf militärischen Rang, trotzdem besitzt er wie dieser eine gewisse Unabhängigkeit.
. Der Beamtenadel:
Er wird von Baron von Innstetten verkörpert. Mit den beiden anderen Adelsklassen verbindet ihn zwar noch das Bewußtsein von Ehre, dagegen basiert er aber auf Bildung und Auszeichnung was ihn eher für den Staatsdienst eignet. Doch damit nimmt auch seine Unabhängigkeit ab.
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